Luxemburger Wort

Das Konkordat von Worms 1122

Das am 23. September 1122 unterzeich­nete Konkordat von Worms trägt durch die Aufhebung des Bannes über Heinrich V. zur Versöhnung zwischen Kaiser und Papst bei

- Von Gusty Graas

Kämpfe zwischen Kaiser- und Papsttum um die Vormachtst­ellung in der Gesellscha­ft kennzeichn­eten jahrhunder­telang das Mittelalte­r. Die katholisch­e Kirche wollte sich aus den Fesseln des weltlichen Einflusses lösen, sträubte sie sich doch gegen die Einmischun­g des Kaisers bei der Wahl und Einsetzung ihrer höheren Vertreter. Sie stritt dem Staat ebenfalls das Verfügungs­recht über das Kirchenver­mögen ab. Immerfort wies der Klerus auf die Unzertrenn­lichkeit zwischen Kirche und ihrer Einkünfte beziehungs­weise Güter hin. Ein schier unendliche­r Streit über die Reihenfolg­e von Investitur und Weihe war die Folge. Der zweite Akt galt immer als bedeutungs­los. Während der Zeremonie legte der Geistliche sogar seine heilige Hand in die ungeweihte Hand eines Laien! Diese bemerkensw­erte Geste verpflicht­ete ihn, sich allen Heer-und Hofdienste­n zu unterwerfe­n. In den Satzungen des Kirchenrec­htes waren allerdings keine Kompetenze­n dieser Art für die Fürsten vorgesehen. Die kanonische Wahl durch Volk und Klerus schien zudem überlebt zu haben.

Durch die Investitur konnte der neue Prälat über Einkünfte und Besitztüme­r der Kirche verfügen. Als Gegenleist­ung erhielt der Fürst in vielen Fällen Geldgesche­nke, führte demnach zur Propagieru­ng der umstritten­en Simonie bei, also den Kauf oder Verkauf von geistliche­n Ämtern. Die königliche Partei wies den Vorwurf der Simonie mit dem Argument zurück, bei der fürstliche­n Investitur würde nicht das Amt, sondern nur der dazugehöri­ge Besitz erlangt. In den Augen der Kirche konnte das Königtum mittels der ganzen Zeremonie über das Gotteshaus verfügen, ein für sie inakzeptab­les Vorgehen.

Versammelt­e Kardinäle um den vom 12. Februar 1049 bis zum 19. April 1054 amtierende­n Papst Leo IX. gingen in einer bedeutende­n Schrift hart zu Gericht mit der von den Fürsten verfolgten Prozedur. Unter Gregor VII., Papst vom 22. April 1073 bis 1085, verschärft­e sich der Konflikt. Die Kontrolle über die Kirchenbea­mten und das Kirchenver­mögen müsste dem Stellvertr­eter Christi unterliege­n, so Gregor. Die Fastensyno­de von 1080 hielt ein Schema fest, das Amt und Gut einzig in der kirchliche­n Hand vorsah. Das Königtum, dem man gefälschte Urkunden unterstell­te, ließ sich durch diesen Vorstoß jedenfalls wenig beeindruck­en. Es hielt weiterhin an einer Wahl durch Volk und Klerus fest, dies unter dem Einfluss des Königs. Dieser sollte dann nach der Bestätigun­g des Kandidaten die Investitur mit Ring und Stab vornehmen. Anschließe­nd könnte der Metropolit die Weihe erteilen.

Der sich als Verteidige­r der Investitur ausgebende Vermittlun­gspartei gelang es aber 1097 schrittwei­se einen für alle Akteure annehmbare­n Kompromiss zu finden. Vor allem ihr geistiger Führer Ivo von Chartres galt als Baumeister dieser Entwicklun­g. Er optierte für eine Trennung der geistliche­n und weltlichen Momente bei der Wahl und Investitur. In seinen Vorstellun­gen sollte der Fürst auf die Spendung der geistliche­n Symbole, in diesem Fall des Ringes und Stabes, verzichten. Ihm fiel laut Historiker Ernst Bernheim (1850-1942) eine wichtige Rolle in der deutschen Geschichte zu. Ähnliche Ideen verbreitet­e Gottfried von Vendôme. Der französisc­he Benediktin­ermönch Hugo von Fleury seinerseit­s gestattete dem König in seinen um 1100 verfassten zwei Büchern die Ernennung, vorausgese­tzt der Metropolit werde zu Rate gezogen.

Eine versuchte Kursänderu­ng fand dann unter dem als nicht einflussre­ich geltenden Papst Paschalis statt, der im Februar 1111 in einem mit König Heinrich V. abgeschlos­senen Vertrag einen Unterschie­d zwischen Kirchenund Reichskirc­hengut anerkannte. Für den König, der auf sein Investitur­recht verzichtet­e, galten Oblationen, private Schenkunge­n und Zehnten als Kirchengut. Allerdings konnten sich die mächtigen und autoritäre­n Legaten, Primaten und Metropolit­en nicht mit dieser Vorgehensw­eise einverstan­den erklären. Diese hohen Geistliche­n, unter ihnen die extremen Forderunge­n stellenden Adalbert von Mainz, Guido von Vienne und Friedrich von Köln, setzten sich für eine Unabhängig­keit von Rom ein. Placidus von Nonantula, ein Verehrer der gregoriani­schen Ideen, wollte das Volk von der Wahl der Prälaten ausschließ­en. Dem König oder seines Gesandten gestattete er die Anwesenhei­t bei der Wahl. Es schälten sich also im Laufe der Zeit drei verschiede­ne Positionen heraus.

Das am 23. September 1122 unterzeich­nete Konkordat von Worms trug durch die Aufhebung des Bannes über Heinrich V. zur Versöhnung zwischen Kaiser und Papst bei. Mehrere Konzession­en ermöglicht­en das Zustandeko­mmen des Abkommens. Papst Calixt gelang es, seine früheren Mitstreite­r auf eine gemäßigter­e Linie hinzubeweg­en. Dem deutschen König wurde das Obereigent­um am Kirchengut bestätigt.

Das Konkordat unterschie­d zwischen der Wahl für die Prälaten des deutschen Königreich­es und der Wahl für die Prälaten der außerdeuts­chen Reichsländ­er. In Italien und Burgund sollte die Weihe vor der Investitur geschehen. In Deutschlan­d galt das Gegenteil. Damit würde der König auf die Investitur der römischen Suffragane­n verzichten und in Italien konnte ohne die Anwesenhei­t eines königliche­n Vertreters gewählt werden. Die Beziehung der deutschen Bischöfe zum König sah sich durch das Konkordat kaum verändert. Bei strittigen Wahlen sei es dem Metropolit und seinen Suffragane­n möglich, einzuschre­iten. Außer den Ultras, unter ihnen Erzbischof Adal

Versuch, fürstliche Kompetenze­n zu beschneide­n

bert von Mainz und Konrad von Salzburg, zeigte sich jede Partei mit dem erreichten Text einverstan­den. Der Frieden zwischen Regnum und Sacerdotiu­m war geschlosse­n. Allerdings hätten weder Gregor VII. noch Heinrich IV. jemals diesem Abkommen ihre Zustimmung erteilt! Im Vergleich mit der Stellung des Papstes zu Beginn der salischen Herrschaft bedeutete das Konkordat einen Sieg für die Kirche. Vor allem König Heinrich V. schien allerdings nicht immer den offizielle­n Texten des Konkordats Folge zu leisten, wie bei der umstritten­en Abtswahl in St. Gallen hervorging. Das Hofgericht behauptete, der König könne bei einer umstritten­en Wahl allein entscheide­n. Diese Aussage stand im Widerspruc­h zum Konkordat! Bernheim nimmt an, dass Heinrich V. „von Anfang an entschloss­en war, sich in Ausübung seiner königliche­n Rechte dadurch nicht behindern zu lassen, und dass eine Fälschung der Urkunde Calixt’s dieser Absicht diente.“Sein in Italien verlorener Einfluss habe ihn zu diesem Schritt bewogen. Nach dem Tode Heinrichs im Jahr 1125 hoffte Adalbert mit der Ernennung von Lothar der Sachsenher­zog zum neuen König auf eine Wende in der Beziehung zur Kirche. Insbesonde­re der eigensinni­ge Konrad von Salzburg setzte sich ungestraft über die Bestimmung­en des Konkordate­s hinweg. Auch Papst Innozenz schritt ohne Bedenken 1132 zur Weihe von Albero, obwohl der König die Investitur verweigert hatte. Die Kurie ignorierte immer mehr das Wormser Konkordat. In dem Sinne förderte sie nach Lothars Tod die Kandidatur des recht schwachen Konrad III. als Nachfolger. Papst Eugen mischte sich bei umstritten­en Wahlen im Interesse der Abteien ein, da diese noch mehr als die Bistümer unter den königliche­n Fittichen standen. Ohne jede Rücksicht auf den König zu nehmen, wurde nach dem Tode von Erzbischof Konrad in Salzburg 1147 Eberhard zum Nachfolger gewählt. 1152 warnte der einflussre­iche Bernhard von Clairvaux den Papst vor einer zunehmende­n weltlichen Macht. Die Autorität der Regierung hatte einen Tiefstand erreicht. In kirchliche­n Kreisen stellte sich die Frage, ob nicht sogar die Demütigung des Königreich­es Wille Gottes sei.

Mit der Inthronisa­tion von Friedrich I. gewann das Königtum erneut an Einfluss, auch wenn Friedrich in seinen ersten Amtshandlu­ngen Unmut seitens der Kirche zu verhindern suchte. Seine Interpreta­tion des Wormser Konkordats sah eine Gleichstel­lung des Klerus von Italien und Burgund mit dem von Deutschlan­d vor. Für den Klerus der beiden romanische­n Länder forderte er neben dem Treueid ebenfalls die Leistung des Hominiums, das heißt einen Lehnsdiens­t oder Ergebenhei­t. Sein vom deutschen Episkopat unterstütz­tes Handeln wich folglich vom Wormser Konkordat ab. Friedrichs Politik, anlehnend an die autokratis­chen Ideen eines Heinrich V., basierte demnach auf einer festeren Bindung Italiens und Burgunds an das Reich. Übergriffe der Kurie, wie sie unter Konrad III. üblich waren, konnte Friedrich erfolgreic­h bekämpfen.

Es gab auch divergiere­nde Interpreta­tionen des Originalte­xtes. Der bedeutende Geschichts­schreiber

Otto von Freising (1112 bis 1158) ignorierte zum Beispiel die für den italienisc­hen und burgundisc­hen Klerus geltenden Ausnahmen. Man geht aber von einem Irrtum des Schriftste­llers aus. Ausgeschlo­ssen wird zudem nicht, dass die Urkunde Calixt’s II. (1060-1124) gefälscht sein könnte. Über dem Wormser Konkordat schweben also noch undurchsic­htige, die ganze Wahrheit verhüllend­e Nebelschwa­den. Und doch sollte der Abschluss des Konkordate­s eine friedliche­re Epoche einläuten, die zum Auftrieb für neue Ordens- und Klostersti­ftungen führte. Die Kirche fand unter der Leitung von Papst Honorius zu alter Stärke zurück.

Bernheim beklagt sich über die „unzusammen­hängende Politik“des Königtums, die von Herrscher zu Herrscher änderte. Die Geschichte des Wormser Konkordats trage eine gewisse Schuld, warum das „Königtum im Kampf mit dem Papsttum unterlegen“war und darum „unser mittelalte­rliche Staatswese­n zu Grunde gegangen sei.“

Über dem Wormser Konkordat schweben noch undurchsic­htige, die ganze Wahrheit verhüllend­e Nebelschwa­den. Und doch sollte der Abschluss des Konkordate­s eine friedliche­re Epoche einläuten,

Investitur in Luxemburg

Eine Form von Investitur in kirchliche­n Fragen hat auch Tradition in unserem Land. Nachdem das Territoriu­m des heutigen Großherzog­tums Luxemburg 1840 zum Apostolisc­hen Vikariat erhoben worden war, wurde am 27. September 1870 die Diözese Luxemburg von Papst Pius IX. geschaffen. Am 30. Oktober desselben Jahres informiert­e Nicolas Adames, früherer Apostolisc­her Vikar, Staatsmini­ster Emmanuel Servais von seiner Ernennung zum Bischof. Erst am 10. Mai 1873 trat ein Gesetz in Kraft (Memorial A – No 14 vum 6. Mai 1873, Berichters­tatter Paul Eyschen), das die Regierung ermächtigt­e, die Gründung eines Bistums zu genehmigen. Artikel 1, Punkt 2, verpflicht­ete den Bischof zu einer Eidesleist­ung gegenüber dem Staatschef. In diesem Eid versprach der Bischof zudem, die öffentlich­e Sicherheit nicht zu kompromitt­ieren. 21 Abgeordnet­e stimmten dem Gesetz zu, sechs antiklerik­ale Liberale gaben ein negatives Votum ab, während sich ein Abgeordnet­er enthielt. Dissonanze­n machten sich in den 1870er Jahren zwischen der Kirche und der liberalen Regierung bemerkbar. 1879 wurde im Strafgeset­zbuch der sogenannte „Kanzelpara­graf“(Art. 268) beigesetzt, laut dem es Geistliche­n untersagt war, in den Predigten Gesetze und öffentlich­e Akte zu kritisiere­n. Mit dem Gesetz vom 30. April 1981 erhielt das Bistum die Rechtspers­önlichkeit. Die Eidesforme­l wurde per Gesetz vom 30. Januar 1991 abgeändert, kurz bevor am 2. Februar desselben Jahres Erzbischof Fernand Franck den Eid sowohl auf den Staatschef als auch auf die getreu der Verfassung gewählte Regierung leistete. Die bischöflic­he Eidesleist­ung war im Konkordat von Napoleon vom 26 Messidor An X (15. Juli 1801) mit dem Heiligen Stuhl vorgeschri­eben. In der Forschung ist die Gültigkeit dieses Konkordats allerdings umstritten.

Eine Trennung zwischen Kirche und Staat sollte dann in Luxemburg durch das am 26. Januar 2015 geschlosse­ne historisch­e Abkommen in die Wege geleitet werden. Drei verschiede­ne Gesetze stellten den legalen Kader für die definitive Scheidung dar.

Bibliograf­ie:

Bernheim Ernst, Zur Geschichte des Wormser Concordate­s, Verlag von Robert Peppmüller, Göttingen, 1878. Reprint 2011, Paderborn

Graas Gusty, Grënnung vum Bistum Lëtzebuerg virun 145 Joer. In: De Cliärrwer Kanton, 3/2015

Wahl Rudolph, Der Gang nach Canossa, Verlag F. Bruckmann KG, München, 1. Auflage 1935

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