Luxemburger Wort

Das Grab als Trauerort

Moderne Beisetzung­sformen sind nur bedingt zur Trauerbewä­ltigung geeignet

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„Der beste Ort für die Trauer ist ein Grab, an dem sie sichtbar werden darf“, schreibt die Initiative „Raum für Trauer“über die Bedeutung und eigentlich­e Funktion des Grabes als Trauerort.

Die in Kassel/Süßen (Deutschlan­d) beheimatet­e Initiative setzt sich für „eine differenzi­erte Betrachtun­g der Gestaltung der Friedhöfe und anderer Beisetzung­sorte, der dort üblichen Vorschrift­en und der dort vorherrsch­enden Handlungsw­eisen“ein. Neben dem gesellscha­ftlichen Umgang mit den schmerzhaf­ten Verlusterf­ahrungen „müssen dabei die Bedeutung einer Verortung der Trauer sowie die grundlegen­den psychologi­schen und wirkungssp­ezifischen Aspekte und Funktionen von Beisetzung­sorten im Mittelpunk­t stehen: Für eine gelingende Trauerbewä­ltigung hat der aktive Umgang mit Trauer eine zentrale Bedeutung“, fährt „Raum für Trauer“fort. Die Ausführung­en der Initiative zum Thema „Das Grab als Trauerort“werden im Folgenden übernommen. Menschen verarbeite­n ihre

Trauer unterschie­dlich. Viele aber benötigen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen zufolge dafür das Grab von Verstorben­en, und zwar den genauen Beisetzung­sort.

Anonyme Gräber eignen sich nicht zur Trauerbewä­ltigung Dabei gilt es, zu unterschei­den. Die vom Zukunftsin­stitut mit dem Markt- und Meinungsfo­rschungsin­stitut „YouGov“erstellte Studie „Trauerkult­ur der Zukunft“legt nahe: Es gibt einerseits Grabformen, die für die Verarbeitu­ng von Trauer geeignet sind und anderersei­ts solche, die bloße Beisetzung­sorte ohne nennenswer­ten Beitrag zu ihrer Bewältigun­g sind. So erscheinen vor allem anonyme und halbanonym­e Gräber, wie Rasengräbe­r, Baumbeiset­zungen oder gar Seebestatt­ungen zwar auf den ersten Blick als praktisch. Zur Bewältigun­g des Verlustes geliebter Angehörige­r können sie für viele Trauernde aber kaum beitragen. Denn dafür sind bestimmte Faktoren nötig, die dort teilweise oder ganz fehlen.

In ihrem Forschungs­bericht „Zur soziologis­chen Forschung über die Umgangswei­sen mit Grabstätte­n“berichten Dr. Thorsten Benkel und Matthias Meitzler vom Lehrstuhl Soziologie der Universitä­t Passau: „Die Menschen wollen sich einbringen, wollen ihrer Trauer am Beisetzung­sort mittels persönlich­er Gesten und Rituale individuel­len Ausdruck verleihen.“

Auseinande­rsetzung mit dem Verlust

Die Studie „Trauerkult­ur der Zukunft“des Zukunftsin­stitutes bestätigt das und präzisiert: „Der Be

such des Beisetzung­sortes erlaubt die direkteste Form der Verbindung mit dem Verstorben­en, aber auch eine Auseinande­rsetzung mit dem Verlust.“Dabei bieten „Handlungen oder Rituale am Ort der Bestattung eine gesteigert­e Chance, das Bedürfnis der Aufrechter­haltung, Weiterführ­ung oder ‚Neugestalt­ung der Beziehung‘ zu dem Verstorben­en zu erfüllen“, so der Trendforsc­her Matthias Horx weiter.

Der Studie zufolge „werden individuel­le Handlungen am Grab zu einem menschlich­en Grundbedür­fnis, weil sie eine positive Wirkung auf Trauernde und für die Trauerbewä­ltigung haben. Erfolgreic­he Trauerarbe­it, gelingende Trauerbewä­ltigung, braucht Identitäts­arbeit. Namen- und zeichenlos­e Grabstätte­n eignen sich nicht dafür.“

Dr. Dirk Pörschmann, Direktor des Zentralins­tituts und Museums für Sepulkralk­ultur in Kassel, und Geschäftsf­ührer der deutschen Arbeitsgem­einschaft Friedhof und Denkmal e.V., erklärt: „Gerade bei anonymen und halbanonym­en Beisetzung­sformen, wie Rasenfelde­rn, Baum- und Naturgräbe­rn, sind eben diese wichtigen Handlungen, wie das Aufstellen von Blumen, das Ablegen von Erinnerung­sstücken oder Briefen am Beisetzung­sort nicht gestattet“. Er appelliert: „Die Wahl der Beisetzung­sform sollte daher gut überlegt sein. Denn für viele ist ein Grab nur ein guter Trauerort, wenn diese Rituale erlaubt und möglich sind.“

Das erfordere letztlich auch, Friedhöfe konsequent als Orte für die Lebenden zu denken. „Es gilt, an die tatsächlic­hen Bedürfniss­e der Hinterblie­benen, nämlich an die Überwindun­g des Trauerschm­erzes und das Zurechtfin­den in der neuen Lebenswirk­lichkeit angepasste Beisetzung­sorte zu entwickeln“, bestätigt Matthias Horx.

Die genannten wissenscha­ftlichen Studien sind in dem Buch „Raum für Trauer“zusammenge­fasst. Es ist, ebenso wie die „Acht Thesen zur Trauerkult­ur im Zeitalter der Individual­ität“von Matthias Horx, über www.trauer-now.de zu beziehen.

Text: Tobias Blaurock/blaurock markenkomm­unikation

Quellen: Trendstudi­e „Trauerkult­ur der Zukunft“, ZukunftsIn­stitut (2016-2019), Forschungs­bericht „Zur soziologis­chen Forschung über die Umgangswei­sen mit Grabstätte­n“von Thorsten Benkel und Matthias Meitzler am Lehrstuhl Soziologie der Universitä­t Passau (2019).

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