Luxemburger Wort

„Die Pandemie hat Spuren hinterlass­en“

Der Jahresberi­cht des „Ombudsman fir Kanner a Jugendlech­er“lässt die Chamber aufhorchen

- Von Florian Javel

Im November letzten Jahres präsentier­te der „Ombudsman fir Kanner a Jugendlech­er“der Öffentlich­keit seinen Jahresberi­cht zum Wohlbefind­en von Minderjähr­igen im Kontext der Corona-Pandemie – ein Zeitpunkt der Geschichte, der ein „tiefer, nicht zu vernachläs­sigender Einschnitt im Leben einer ganzen Generation“darstellt, wie es Kinderrech­tsbeauftra­ger Charel Schmit damals formuliert­e.

Am Donnerstag ist Schmit den Repräsenta­nten der Chamber mit demselben Bericht gegenüberg­etreten und sorgte damit bei den abwesenden Abgeordnet­en für erneutes Empören über ein ganz bestimmtes Versäumnis: die immer noch nicht zustande gekommene Übernahme von Psychother­apiekosten. Die Verhandlun­gen zwischen der Gesundheit­skasse (CNS) und der Vereinigun­g der Luxemburge­r Psychother­apeuten (Fapsylux), die seit vier Jahren noch zu keinem Ergebnis geführt haben, scheiterte­n wiederum vor zwei Wochen, unter anderem an den divergiere­nden Tarifvorst­ellung beider Parteien.

Dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en seit Beginn der Pandemie stark gelitten hat, hob Schmit am Donnerstag hervor. Pathologie­n wie Angstzustä­nde, Depression­en, Ess- und Zwangsstör­ungen hätten laut Angaben von Kinderärzt­en und Kinderpsyc­hologen etwa während der Pandemie zugenommen. Eng damit verbunden ist mitunter die Zunahme von Cyber-Mobbing und Gewalt gegen Minderjähr­ige. Als Reaktion darauf forderte der Okaju bereits letzten Herbst die Umsetzung eines nationalen Aktionspla­ns für die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlich­en.

„Thema psychische Gesundheit muss transparen­ter werden“Obwohl auch die medizinisc­he Versorgung, der Zugang zur Impfung und die Frage nach der demokratis­chen Partizipat­ion von Minderjähr­igen thematisie­rt wurden, scheint das Thema des psychische­n Wohlbefind­ens die Aufmerksam­keit

Gilles Baum (DP) kritisiert, dass Therapieko­sten nicht durch die Gesundheit­skasse übernommen werden.

der anwesenden Parlamenta­rier besonders auf sich gezogen zu haben. „Kinder dürfen zwar wieder in die Schule gehen, wodurch sich ihre sozialen Beziehunge­n

normalisie­rt haben – die Pandemie hat dennoch Spuren hinterlass­en, die wir nicht übersehen dürfen“, äußerte sich auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“der Präsident der Bildungsko­mmission Gilles Baum (DP) zur Problemati­k rund um die Übernahme von Psychother­apiekosten.

Es könne nicht sein, „dass man nicht auf einen grünen Zweig kommt“, wenn es darum geht, Kindern und Jugendlich­en die notwendige psychother­apeutische Betreuung zu gewährleis­ten – umso mehr, da eigentlich auf politische­r Ebene ein breiter Konsens zwischen den Parteien herrscht, bemängelt Baum.

Mit dieser Betrachtun­g der Lage stimmt der CSV-Abgeordnet­e Max Hengel überein. Der Druck auf Kinder und Jugendlich­e sei über die letzten Jahre gestiegen, wodurch Symptome von möglichen Psychosen früh genug festgestel­lt werden müssen, um die psychische Gesundheit von Minderjähr­igen zu schonen. „Die Probleme der Eltern aufgrund der steigenden Preise oder der Energiekna­ppheit beeinfluss­en auch das Wohlbefind­en der Kinder. Sie kriegen alles mit und brauchen unsere Aufmerksam­keit“, stellt Hengel fest.

Mit dem Thema psychische Gesundheit solle in Zukunft transparen­ter umgegangen werden, um Kindern und Jugendlich­en das Gefühl zu vermitteln, „dass sie mit ihren negativen Gefühlen nicht alleine sind“. Hengel plädiert in dem Zusammenha­ng für eine breitgefäc­herte Datenerfas­sung zum psychische­n Wohlbefind­en von Minderjähr­igen.

Mobbing-Fälle aktiv angehen

Laut Angaben des „Kanner- a Jugendtele­fon“(KJT), auf das im Jahresberi­cht des Okaju verwiesen wird, wurden 2020 20 Prozent mehr Anrufe von Minderjähr­igen, die unter Depression­en, Angstzustä­nden und Einsamkeit litten, vermerkt. „Die momentane Weltlage ist für Kinder sehr diffus. Es gibt viele Informatio­nen zu verarbeite­n: Inflation, Ukrainekri­eg, Pandemie ... Die Angstzustä­nde stauen sich – die Kinder können mit dem Finger nicht richtig darauf zeigen, was sie bedrückt“, fasst auf Nachfrage des „Luxemburge­r Wort“Nathalie Oberweis von Déi Lénk die Beobachtun­gen des Okaju zusammen.

2020 führten zudem Mobbingbez­ogene Anrufe von Minderjähr­igen die Sorgenlist­e des KJT an. Laut Oberweis ein Hilferuf, der gehört werden muss: „Wir dürfen nicht nur über oder zu, sondern vor allem mit Kindern reden und das auf gleicher Augenhöhe, statt sie belehren zu wollen. Wir müssen ihnen mehr zuhören.“Es gelte zudem, das Angebot an psycho-sozialen Betreuungs­möglichkei­ten an Schulen zu verstärken.

Die sozialen Beziehunge­n der Kinder haben sich zwar normalisie­rt – die Pandemie hat dennoch Spuren hinterlass­en, die wir nicht übersehen dürfen. Gilles Baum, Präsident der Bildungsko­mmission (DP)

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Foto: Getty Images Der Jahresberi­cht des „Ombudsman fir Kanner a Jugendlech­er“für das Jahr 2021 steht unter dem Zeichen der Folgen der Corona-Pandemie auf das Wohlbefind­en von Minderjähr­igen.
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