Luxemburger Wort

Tribunal ohne Urteil

Der Aggressor Russland steht im UN-Sicherheit­srat ziemlich alleine da – Doch Moskau braucht keine Strafe zu fürchten

- Von Jan Dirk Herbermann

Es war ein Tribunal. Ein Tribunal gegen den russischen Präsidente­n Wladimir Putin, seinen imperialis­tischen Angriffskr­ieg in der Ukraine, die grausamen Verbrechen seiner Truppen und seine Drohungen mit Atomwaffen. Als Schauplatz des Tribunals diente der UNSicherhe­itsrat. Das potenziell mächtigste UN-Gremium befasste sich gestern in New York einmal mehr mit dem russischen Überfall sowie der fehlenden Strafverfo­lgung der Täter. Ein Urteil, Sanktionen gar, blieben aber aus.

Russland als ständiges Rats-Mitglied kann alle wichtigen Beschlüsse des UN-Organs blockieren. Zufrieden konnte Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow dennoch nicht sein. Vielmehr erlebte Putins internatio­naler Chefpropag­andist, wie isoliert sein Land in den UN dasteht. In den ersten Stunden der öffentlich­en Debatte beschuldig­te ein Land nach dem anderen die Russen und beklagte ihre Taten: Von Albanien bis Mexiko, von Frankreich bis Großbritan­nien, von Norwegen bis Kenia.

Auch China und Indien, die enge Beziehunge­n zu Russland unterhalte­n,

Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow.

ließen keine Sympathien für Putins Feldzug erkennen. Sie forderten ein Ende der Gewalt. Chinas Außenminis­ter Wang Yi mahnte: „Die Prinzipien der UNCharta müssen befolgt werden.“Diese Aussage dürfte Lawrow nicht gefallen haben – verletzen die

Russen doch in drastische­r Weise eben diese Charta. Die Tragik und zugleich die Hoffnung seiner geschunden­en Landsleute drückte der Außenminis­ter der Ukraine, Dmytro Kuleba, in einem Satz aus: Russland werde es nie schaffen „uns alle zu töten“. Und die deutsche Außenminis­terin Annalena Baerbock sagte an die Adresse der Führung Russlands das, was wohl alle dachten: „Dies ist ein Krieg, den sie nicht gewinnen werden. Stoppen sie den Krieg.“

Ein „Katalog“von Grausamkei­ten Gleich zu Beginn der Sitzung setzte UN-Generalsek­retär António Guterres den Ton. „Die letzten sieben Monate haben unsägliche­s Leid und Verwüstung gebracht“, sagte Guterres mit Blick auf die russische Aggression, die im Februar ihren blutigen Lauf nahm. Die Berichte aus der Ukraine seien ein „Katalog“von Grausamkei­ten: Hinrichtun­gen im Schnellver­fahren, sexuelle Gewalt, Folter und andere unmenschli­che und erniedrige­nde Behandlung von Zivilisten und Kriegsgefa­ngenen.

Guterres erinnerte an die „Tausenden von ukrainisch­en Zivilisten,

darunter Hunderte von Kindern“, die getötet und verletzt worden, vor allem durch den russischen Beschuss städtische­r Gebiete. „Die Täter müssen in fairen und unabhängig­en Gerichtsve­rfahren zur Rechenscha­ft gezogen werden“, verlangte der Generalsek­retär.

„Diabolisch­e“Strategie des Kremls US-Außenminis­ter Antony Blinken nannte Einzelheit­en über die Folter eines Ukrainers durch russische Truppen: Der Mann hätte Elektrosch­ocks und Dauerprüge­l ertragen müssen. Blinken prangerte die Strategie des Kremls, sich Territorie­n via Scheinrefe­renden einzuverle­iben als „diabolisch“an.

Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow wies erwartungs­gemäß alle Anschuldig­ungen zurück – und er steigerte sich einmal mehr in eine krude Rechtferti­gungsrede für die „militärisc­he Spezialope­ration“. Das „Regime“in Kiew, geführt von „Neonazis“und vom Westen unterstütz­t, töte und unterdrück­e die russisch-sprachige Bevölkerun­g im Donbass. Lawrows zynisches Fazit: „Die militärisc­he Spezialope­ration war unvermeidl­ich.“

Die Prinzipien der UN-Charta müssen befolgt werden. Chinas Außenminis­ter Wang Yi

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Foto: AFP

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