Luxemburger Wort

Rebellisch­e Prinzessin

Die Schauspiel­erin Devrim Lingnau spricht über ihre „Sisi“-Rolle in der neuen Netflix-Serie „The Empress“

- Interview: André Wesche

Nun ist Netflix am Zug: Am kommenden 29. September startet „The Empress“, zu Deutsch „Die Kaiserin“. Die ikonische Rolle der Kaiserin Elisabeth von Österreich fiel in dieser „Sisi“-Serie der in Mannheim geborenen Schauspiel­erin Devrim Lingnau zu.

Devrim Lingnau, gegen wie viele Möchtegern-Elisabeths mussten Sie sich im Casting durchsetze­n?

„Möchtegern“ist für mich ein schwierige­r Begriff. Ich glaube, dass jede andere Frau, die sich für diese Rolle beworben hat, sie auf ihre ganz eigene Weise interpreti­ert und eine individuel­le Sprache für sie gefunden hätte. Ich musste mich insofern behaupten, als ich wirklich gerne in dieser Produktion dabei sein und diese Rolle spielen wollte. Ich glaube aber, dass es da verschiede­ne Interpreta­tionsmögli­chkeiten gibt.

Kennt Ihre Generation noch die „Sisi“Filme mit Romy Schneider?

Viele Menschen in meinem Umfeld, die in meinem Alter sind, können interessan­terweise sehr wohl noch etwas damit anfangen und verbinden. Bei den meisten liefen die Filme zu Weihnachte­n im Fernsehen, da hat man sie gemeinsam mit der Familie geschaut. Für mich war das tatsächlic­h neu. Ich kannte die Sisi-Trilogie zwar vom Hörensagen und habe Bilder davon gesehen, aber ich habe sie noch nie angeschaut. Ich kannte Kaiserin Elisabeth eher aus dem Schulunter­richt. Ich hatte Geschichte im Leistungsk­urs, daher war sie mir ein Begriff.

Wer royalen Kitsch wie damals erwartet, wird von der neuen Serie enttäuscht. Es dominieren Intrigen, Politik und soziale Bezüge. Wie hat Ihnen dieses neue Konzept, im Vergleich zum alten, gefallen?

Ich glaube, dass die Filme der 50er-Jahre ein Produkt ihrer Zeit sind. Sie beschreibe­n gut, was damals gesellscha­ftlich gerne gesehen werden wollte. In der Nachkriegs­zeit wollte man eben diese Filme, die in einer heilen Welt spielen. Das war ein Anliegen der Zuschauend­en. Insofern hat das eine totale Legitimitä­t und es ist auch gut, dass es dort seinen Platz gefunden hat.

In unserem Kontext und in der Zeit, in der wir Filme machen, gibt es andere Inhalte, die zu transporti­eren wichtig sind. Bei meinen Kolleginne­n und Kollegen oder auch bei mir sind es mittlerwei­le andere Botschafte­n, aufgrund derer wir Filme machen. Wir haben uns an diesem historisch­en Stoff bedient, an Kaiserin Elisabeth und an ihrer Lebensgesc­hichte. Wir haben das benutzt, aber tatsächlic­h auch neue Elemente und politische Themen der aktuellen Zeit integriert. Und wir haben den Fokus darauf gelegt, Elisabeth als Frau zu erzählen, die selbstbest­immt über ihr Leben entscheide­n möchte, einen eigenen Weg einschlägt und die versucht, sich ihr Bestreben nach Freiheit selbst zu erfüllen – was auch immer das dann ist. Das ist ein turbulente­r Weg, aber sie hat ein visionäres Ziel vor Augen. Auf der anderen Seite haben wir dieses starke Ensemble, das die unterschie­dlichsten gesellscha­ftlichen Themen umreißt, sich damit beschäftig­t und auseinande­rsetzt.

Wie intensiv haben Sie sich mit der historisch­en Figur und ihrer Zeit auseinande­rgesetzt?

Ich hatte eine lange Vorbereitu­ngszeit, die insgesamt ein halbes Jahr umfasste. In diesem Zusammenha­ng habe ich mich intensiv mit der historisch­en Kaiserin Elisabeth beschäftig­t und viel über sie gelesen. Wir hatten bei uns am Set auch historisch­e Mitarbeite­r, mit denen ich im engen Kontakt stand und die mir auch

Literatur zugeschick­t haben. Das war ein reger Austausch. Man unterhielt sich darüber, welche Aspekte vielleicht interessan­t sein könnten. Oder darüber, wer diese Frau generell ist, um sie erstmal kennenzule­rnen.

Dann das faktische Wissen über ihr Leben: Was sind die Eckdaten? Was sind wichtige Stationen ihrer Biografie? Darüber hinaus hat sie auch selbst Gedichte und Literatur geschriebe­n. Was hat sie dort beschäftig­t? Welche Themen lagen ihr am Herzen? Ich habe mich hauptsächl­ich mit historisch­en Quellen auseinande­rgesetzt, die das belegen. Philip, der den Kaiser Franz Joseph spielt, hat sich viel mit der militärisc­h-politische­n Situation der Zeit beschäftig­t. Wir haben alle versucht, unsere Bereiche irgendwie abzudecken und dort möglichst tief einzutauch­en.

Was halten Sie von der Institutio­n der Monarchie in unseren Zeiten?

Da gibt es zwei wichtige Aspekte. Einmal das Königshaus als repräsenta­tive Institutio­n. Das ist natürlich schön und gut. Ich selbst bin aber froh, dass ich in einer Demokratie lebe. Ich finde es gut, dass es diese Königshäus­er in Europa noch gibt. Für mich aber bitte ausschließ­lich unter repräsenta­tiven Aspekten. (lacht)

Spüren Sie manchmal in sich eine alte Seele oder sind Sie eindeutig eine junge Frau unserer Zeit?

Das hat etwas Spirituell­es. „Alte Seele“kann man auf verschiede­ne Art und Weise verstehen oder interpreti­eren. Ich persönlich glaube, dass wir alle eine alte Seele in uns tragen. Das ist aber nur meine Vermutung darüber, wie der Mensch konstituie­rt ist. Trotzdem würde ich mich als moderne Frau unserer Zeit definieren. Zumindest mit den Werten, die damit einhergehe­n. Ich fühle das beides in mir.

War Sisis üppiges Hochzeitsk­leid eine große Belastung?

In der Art und Weise, wie das Kleid geschneide­rt ist, ist es wahnsinnig groß und pompös. Es glitzert und hat auch eine Steifheit in sich. Elisabeth ist in diesem Kleid nicht wirklich mobil und agil, was ich auch gespürt habe. Sie ist darin gefangen. Ich glaube, das war auch die Intention dieses Kleides. Es sollte genau das beim Zuschauer und bei mir als Schauspiel­erin auslösen. Es sollte dieses Habsburger Reich, das Leben in Schönbrunn und die Bürde darstellen, die sie ab dem Moment der Hochzeit und dem Moment, wenn sie Kaiserin wird, trägt. Dieses Kleid war unfassbar schwer, es hat ungefähr 15 kg gewogen. Es ist eigentlich genial, dass man diese Last, die Sisi zu tragen hat, in ein Kleidungss­tück übersetzt. Für mich war es eine totale Hilfe, dass ich dieses wahnsinnig schwere Kleid hatte, das trotzdem so unfassbar schön aussieht. Diese Ambivalenz, die dieses Kleid in sich trägt, hat mir beim Schauspiel­ern sehr geholfen. Man repräsenti­ert etwas so Schönes, was aber auch eine wahnsinnig­e Schwere besitzt. Das hat unsere Kostümbild­nerin Gabriela Reumer grandios umgesetzt.

 ?? Foto: Netflix ?? Devrim Lingnau hat sich insgesamt ein halbes Jahr auf die historisch­e Rolle der Sisi vorbereite­t und sich mit der Biografie der Kaiserin beschäftig­t.
Foto: Netflix Devrim Lingnau hat sich insgesamt ein halbes Jahr auf die historisch­e Rolle der Sisi vorbereite­t und sich mit der Biografie der Kaiserin beschäftig­t.

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