Rebellische Prinzessin
Die Schauspielerin Devrim Lingnau spricht über ihre „Sisi“-Rolle in der neuen Netflix-Serie „The Empress“
Nun ist Netflix am Zug: Am kommenden 29. September startet „The Empress“, zu Deutsch „Die Kaiserin“. Die ikonische Rolle der Kaiserin Elisabeth von Österreich fiel in dieser „Sisi“-Serie der in Mannheim geborenen Schauspielerin Devrim Lingnau zu.
Devrim Lingnau, gegen wie viele Möchtegern-Elisabeths mussten Sie sich im Casting durchsetzen?
„Möchtegern“ist für mich ein schwieriger Begriff. Ich glaube, dass jede andere Frau, die sich für diese Rolle beworben hat, sie auf ihre ganz eigene Weise interpretiert und eine individuelle Sprache für sie gefunden hätte. Ich musste mich insofern behaupten, als ich wirklich gerne in dieser Produktion dabei sein und diese Rolle spielen wollte. Ich glaube aber, dass es da verschiedene Interpretationsmöglichkeiten gibt.
Kennt Ihre Generation noch die „Sisi“Filme mit Romy Schneider?
Viele Menschen in meinem Umfeld, die in meinem Alter sind, können interessanterweise sehr wohl noch etwas damit anfangen und verbinden. Bei den meisten liefen die Filme zu Weihnachten im Fernsehen, da hat man sie gemeinsam mit der Familie geschaut. Für mich war das tatsächlich neu. Ich kannte die Sisi-Trilogie zwar vom Hörensagen und habe Bilder davon gesehen, aber ich habe sie noch nie angeschaut. Ich kannte Kaiserin Elisabeth eher aus dem Schulunterricht. Ich hatte Geschichte im Leistungskurs, daher war sie mir ein Begriff.
Wer royalen Kitsch wie damals erwartet, wird von der neuen Serie enttäuscht. Es dominieren Intrigen, Politik und soziale Bezüge. Wie hat Ihnen dieses neue Konzept, im Vergleich zum alten, gefallen?
Ich glaube, dass die Filme der 50er-Jahre ein Produkt ihrer Zeit sind. Sie beschreiben gut, was damals gesellschaftlich gerne gesehen werden wollte. In der Nachkriegszeit wollte man eben diese Filme, die in einer heilen Welt spielen. Das war ein Anliegen der Zuschauenden. Insofern hat das eine totale Legitimität und es ist auch gut, dass es dort seinen Platz gefunden hat.
In unserem Kontext und in der Zeit, in der wir Filme machen, gibt es andere Inhalte, die zu transportieren wichtig sind. Bei meinen Kolleginnen und Kollegen oder auch bei mir sind es mittlerweile andere Botschaften, aufgrund derer wir Filme machen. Wir haben uns an diesem historischen Stoff bedient, an Kaiserin Elisabeth und an ihrer Lebensgeschichte. Wir haben das benutzt, aber tatsächlich auch neue Elemente und politische Themen der aktuellen Zeit integriert. Und wir haben den Fokus darauf gelegt, Elisabeth als Frau zu erzählen, die selbstbestimmt über ihr Leben entscheiden möchte, einen eigenen Weg einschlägt und die versucht, sich ihr Bestreben nach Freiheit selbst zu erfüllen – was auch immer das dann ist. Das ist ein turbulenter Weg, aber sie hat ein visionäres Ziel vor Augen. Auf der anderen Seite haben wir dieses starke Ensemble, das die unterschiedlichsten gesellschaftlichen Themen umreißt, sich damit beschäftigt und auseinandersetzt.
Wie intensiv haben Sie sich mit der historischen Figur und ihrer Zeit auseinandergesetzt?
Ich hatte eine lange Vorbereitungszeit, die insgesamt ein halbes Jahr umfasste. In diesem Zusammenhang habe ich mich intensiv mit der historischen Kaiserin Elisabeth beschäftigt und viel über sie gelesen. Wir hatten bei uns am Set auch historische Mitarbeiter, mit denen ich im engen Kontakt stand und die mir auch
Literatur zugeschickt haben. Das war ein reger Austausch. Man unterhielt sich darüber, welche Aspekte vielleicht interessant sein könnten. Oder darüber, wer diese Frau generell ist, um sie erstmal kennenzulernen.
Dann das faktische Wissen über ihr Leben: Was sind die Eckdaten? Was sind wichtige Stationen ihrer Biografie? Darüber hinaus hat sie auch selbst Gedichte und Literatur geschrieben. Was hat sie dort beschäftigt? Welche Themen lagen ihr am Herzen? Ich habe mich hauptsächlich mit historischen Quellen auseinandergesetzt, die das belegen. Philip, der den Kaiser Franz Joseph spielt, hat sich viel mit der militärisch-politischen Situation der Zeit beschäftigt. Wir haben alle versucht, unsere Bereiche irgendwie abzudecken und dort möglichst tief einzutauchen.
Was halten Sie von der Institution der Monarchie in unseren Zeiten?
Da gibt es zwei wichtige Aspekte. Einmal das Königshaus als repräsentative Institution. Das ist natürlich schön und gut. Ich selbst bin aber froh, dass ich in einer Demokratie lebe. Ich finde es gut, dass es diese Königshäuser in Europa noch gibt. Für mich aber bitte ausschließlich unter repräsentativen Aspekten. (lacht)
Spüren Sie manchmal in sich eine alte Seele oder sind Sie eindeutig eine junge Frau unserer Zeit?
Das hat etwas Spirituelles. „Alte Seele“kann man auf verschiedene Art und Weise verstehen oder interpretieren. Ich persönlich glaube, dass wir alle eine alte Seele in uns tragen. Das ist aber nur meine Vermutung darüber, wie der Mensch konstituiert ist. Trotzdem würde ich mich als moderne Frau unserer Zeit definieren. Zumindest mit den Werten, die damit einhergehen. Ich fühle das beides in mir.
War Sisis üppiges Hochzeitskleid eine große Belastung?
In der Art und Weise, wie das Kleid geschneidert ist, ist es wahnsinnig groß und pompös. Es glitzert und hat auch eine Steifheit in sich. Elisabeth ist in diesem Kleid nicht wirklich mobil und agil, was ich auch gespürt habe. Sie ist darin gefangen. Ich glaube, das war auch die Intention dieses Kleides. Es sollte genau das beim Zuschauer und bei mir als Schauspielerin auslösen. Es sollte dieses Habsburger Reich, das Leben in Schönbrunn und die Bürde darstellen, die sie ab dem Moment der Hochzeit und dem Moment, wenn sie Kaiserin wird, trägt. Dieses Kleid war unfassbar schwer, es hat ungefähr 15 kg gewogen. Es ist eigentlich genial, dass man diese Last, die Sisi zu tragen hat, in ein Kleidungsstück übersetzt. Für mich war es eine totale Hilfe, dass ich dieses wahnsinnig schwere Kleid hatte, das trotzdem so unfassbar schön aussieht. Diese Ambivalenz, die dieses Kleid in sich trägt, hat mir beim Schauspielern sehr geholfen. Man repräsentiert etwas so Schönes, was aber auch eine wahnsinnige Schwere besitzt. Das hat unsere Kostümbildnerin Gabriela Reumer grandios umgesetzt.