Kleiner Stein mit großer Bedeutung
In Consthum wurde ein vor 406 Millionen Jahren ausgestorbener Seeskorpion gefunden
Consthum. Vor rund 406 Millionen Jahren zogen die Letzten von ihnen ihre Bahnen durch das Flussdeltasystem des Old Red Kontinents. 406 Millionen Jahre – demnach lange, bevor je ein Dinosaurier einen Fuß vor den nächsten setzte, geschweige denn Menschen um Feuer in der Höhle saßen.
Vor drei Wochen wurden die Überreste eines ausgestorbenen Seeskorpions in einem Steinbruch in der Nähe von Consthum ausgegraben. Nun macht sich eine internationale Mannschaft um Ben Thuy, Kurator der paläontologischen Abteilung des Musée national d'histoire naturelle, und Lea Numberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin, ans Werk, weitere Spuren der Vergangenheit ans Tageslicht zu fördern.
Mit Lupe und Fingerspitzengefühl
Wo sonst die großen Geschütze zum Steinabbau aufgefahren werden, sitzen nun Forschende aus Luxemburg, Deutschland und Belgien, gewappnet mit Hammer, Lupen,
Pinzetten und Pinseln. Was Laien als gewöhnlichen Stein abtun würden, ist für die Paläontologen eine Möglichkeit, den Beginn des Lebens auf der Erde zu verstehen.
Neben dem Seeskorpion, im Fachjargon Adelophthalmus sievertsi genannt, stieß man auch auf Fossilien primitiver Pflanzen sowie Spinnentiere und Muscheln. Sie stammen aus der Zeit, als Pflanzen und Tiere zum ersten Mal vom Wasser an Land gingen.
Koloss der Urmeere
Der Seeskorpion gilt als Raubtier der Urmeere und lebte in der Periode des Devon, vor rund 406 Millionen Jahren. Mit acht Beinen ausgestattet, einem Schwimmfächer und Scheren, mit denen er seine Beute erlegte, teilt er mit den heutigen Skorpionen nur noch den Namen. Ähnlichkeiten gibt es eher weniger. Mit einer Länge von bis zu 2,50 Metern wütete der Eurypterid durch Süßwassergebiete. Überraschenderweise jagten damals Arthropoden Wirbeltiere und nicht umgekehrt.
Am Ende des Perms, vor 252 Millionen Jahren, wurden die Seeskorpione Opfer des größten Massensterbens, das bislang bekannt ist. Rund 96 Prozent aller Arten im Meer und drei Viertel aller Arten an Land starben innerhalb von 60 000 Jahren aus.
Luxemburg, eine kondensierte Fundgrube
Bereits in der Vergangenheit machten diverse Funde in Luxemburg
Schlagzeilen. Diese seien allerdings nicht vergleichbar mit jenem, der nun in Consthum gemacht wurde. Es ist das erste Mal, dass in Luxemburg ein derart alter Zeitzeuge gefunden wurde. Natürlich seien alle Funde wichtig, so die Forscher, doch dieser sei von beachtlichem wissenschaftlichem Wert für weiteres Verständnis. Weitere Untersuchungen und Analysen von Experten und Expertinnen sollen Aufschluss geben.
Das heutige Gebiet von Luxemburg war vor rund 400 Millionen
Jahren Teil von Avalonia, einem Unterkontinent, der vom nördlichen Rand des Urkontinents Gondwana abbrach. 2007 waren auch in der Eifel, bei Prüm, die Überreste eines Seeskorpions gefunden worden. Durch ein Deltasystem von 400 Kilometern waren die Gebiete miteinander verbunden. Die Präsenz von Wasser erklärt auch den Fund von Muscheln und anderen Meeresbewohnern. Wie Ben Thuy erklärt, schafft ein Flussdelta Material, baut es aber auch wieder ab. Deswegen sei es teilweise schwierig, eine ge
Nur weil es klein ist, heißt es nicht, dass es nichts Besonderes sein kann. Lea Numberger, wissenschaftliche Mitarbeiterin im MNHN
naue zeitliche schaffen.
Wie auch in Consthum war an der damaligen Ausgrabung der deutsche Forscher Markus Poschmann beteiligt. Insgesamt sucht ein neunköpfiges Team nach Spuren der Vergangenheit, darunter auch sogenannte Bürgerwissenschaftler. Auch Anthonie Hellemond, Präsident der Palaeontologica belgica, ist bei den Grabungen anwesend.
Einordnung
Bücherregal mit der Geschichte der Erde
zu
Der Steinbruch in Consthum birgt primär Quarzit, einen sehr harten Stein, der zu Straßensteinen oder Ziersteinen weiterverarbeitet wird. Durch die günstige vertikale Ablagerung lassen sich die einzelnen Gesteinsschichten wie Bücher aus einem Regal nehmen und lesen. Der Übersicht halber wurden die verschiedenen Schichten nummeriert, um gezielt jenes Milieu zu identifizieren, das die meisten Fossilien aufweist.
Auch spielt Geologie eine wesentliche Rolle bei der Paläontologie. Farbe und Beschaffenheit des Gesteins lassen so auf den Inhalt schließen. Dunkle Färbungen beispielsweise deuten darauf hin, dass organisches Material vorhanden ist.
Der rezente Fund begeistert nicht unbedingt von der Größe her, dafür umso mehr durch sein Alter. Neun Zentimeter misst der Seeskorpion, der in Consthum gefunden wurde. Ein weiteres, weniger intakt erhaltenes Exemplar konnte am Mittwoch geborgen werden. Die Grabungen im Steinbruch sollen noch bis Freitag andauern. Immer präsent ist dabei die Hoffnung auf einen weiteren bedeutsamen Fund. Und diese teilen alle Beteiligten vor Ort. Genauso wie die Begeisterung für die Entwicklung der Erde.