Federers Imperium
Die Tennis-Ikone hört zwar nach dem Laver-Cup auf, doch der Schweizer ist längst auch abseits des Platzes ein Gigant
In einer Zeit, als Roger Federer noch keinen Gedanken an einen Rücktritt verschwendete, gab Tony Godsick seinem berühmten Chef ein großes Versprechen: „Du warst ein ziemlich erfolgreicher Tennisspieler“, sagte Godsick damals mit augenzwinkerndem Understatement, „aber du wirst ein noch viel erfolgreicherer Mann sein, wenn du mit dem Tennisspielen aufgehört hast“.
Godsick ist kein Sprücheklopfer, kein lauter Marktschreier, sonst wäre er nicht das, was er ist: Der Mann an Federers Seite, sein Manager und Partner. Der Mann, der Federers Geschäftsimperium mitaufgebaut hat. Der Mann, der alle Zahlen und Bilanzen des Maestros kennt. „Jetzt werden wir alle erst einmal wehmütig sein, weil Rogers Zeit auf den Centre Courts als Profi zu Ende geht“, sagt Godsick, „aber die Zukunft wird strahlend sein für ihn, keine Frage“.
Du wirst ein noch viel erfolgreicherer Mann sein, wenn du mit dem Tennisspielen aufgehört hast. Tony Godsick
Wenn Federer an diesem Wochenende – von heute bis Sonntag – seinen Abschied vom Tennis nimmt, tut er es bei einem Wettbewerb, der auch für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seines sportlichen und geschäftlichen Lebens steht. Godsick und Federer initiierten einst maßgeblich den Laver-Cup, einen Kontinentalwettbewerb zwischen Europa und dem Rest der Welt – angelehnt an den Ryder-Cup im Golf. Anfangs wurde das Event belächelt und kritisiert, als überflüssige Addition zu einem ohnehin schon proppevollen Terminkalender.
Doch weil die größten Stars der Branche wie auch Rafael Nadal, Novak Djokovic oder Andy Murray den Tenniskampf schnell ernst und ernster nahmen, gewann der Laver-Cup an Bedeutung. Über mangelnde Zuschauernachfrage konnten sich die Macher, Federer einschließlich, sowieso nie beklagen, auch jetzt in London ist die O2-Arena zuverlässig ausverkauft.
Weiterhin in wichtigen Rollen
Federer, der Publikumsmagnet vergangener Laver-Cup-Jahre und Zentralfigur der 2022er-Auflage, wird auch in Zukunft eine gewichtige Rolle spielen bei dem Fight zwischen Europa und den Herausforderern von überall her. Er könnte Björn Borg als Kapitän des Teams beerben, er könnte Schaumatches am Rande des Events spielen. Als Mitveranstalter der Agentur Team8, die Godsick und Federer gehört, wird er aber in jedem Fall Sponsoren und ihre Gäste umschmeicheln – auch als Salonlöwe machte Federer immer eine exquisite Figur. Zwei seiner persönlichen Geldgeber sind schon jetzt massiv beim Laver-Cup engagiert: Uhrenfabrikant Rolex und Automobilhersteller Mercedes.
Godsicks selbstbewusste Prognose zu Federers Zukunft als CEO der Firma Federer erhielt bereits im Jahr 2020 Nahrung: Im ersten Jahr der Pandemie spielte der 41jährige Schweizer kaum Tennis, schon damals plagten ihn die Knieverletzung und ihre Folgen. Aber als später das Wirtschaftsmagazin „Forbes“seine Schätzungen zu den Einkünften der Giganten im Profisport veröffentlichte, stand Federer keineswegs an der Seitenlinie – sondern mit etwa 106 Millionen
US-Dollar auf Platz eins. Auch im nächsten corona-geplagten Jahr 2021 landete der Maestro mit runden 96 Millionen US-Dollar wieder in der Spitzengruppe – erneut dank seiner langfristigen Kontrakte mit Edelpartnern rund um den Globus.
Godsick, der Freund und Geschäftspartner von Federer, berichtete stets gern von Gesprächen mit Agenten anderer Stars. Sie hätten ihm oft erzählt, wie viele Deals sie großmütig abgelehnt hätten: „Aber ich glaube, sie hätten Schwierigkeiten gehabt, das beschwören zu müssen.“Er habe aber tatsächlich „bestimmt zwei Dutzend“richtig attraktive Angebote abgelehnt, „weil sie nicht zu Roger passten, weil sie ihm selbst nicht passten“. Den meisten Sponsoren blieb Federer während seiner ganzen Karriere verbunden – und nun auch über das Tennisleben auf der Tour hinaus.
Seinen größten kommerziellen Deal landete Federer indes, als er von Nike zum japanischen Ausrüster Uniqlo wechselte – die Vertragssumme für zehn Jahre betrug etwa 300 Millionen US-Dollar.
Der vierte Sport-Milliardär
Inzwischen ist Federer auch selbst Investor geworden, im letzten Jahr beteiligte er sich dem Vernehmen nach mit 50 Millionen US-Dollar an der eidgenössischen Sportschuhmarke On, die mittlerweile auch einen einigermaßen erfolgreichen Börsengang hinter sich gebracht hat.
Geld steckte Federer auch in die Firma NotCo, einen Hersteller pflanzlicher Lebensmittel, der auch finanzielle Unterstützung von Amazon-Gründer Jeff Bezos und Formel-1-Champion Lewis Hamilton erhielt. Federer dürfte zudem weiter erfolgreich Kapital aus seinem Namen schlagen, aus der Marke Roger Federer und dem Logo RF, das weltweit als Wiedererkennungs-Symbol gilt. Manche Marketing-Experten glauben, Federer könne zum vierten SportlerMilliardär werden, nach Michael Jordan, LeBron James und Tiger Woods.
Ein Projekt allerdings liegt Federer besonders am Herzen, ein Projekt, das schon vor knapp 20 Jahren begann – als er selbst gerade das erste Mal Wimbledon gewonnen hatte und 23 Jahre alt war: die Roger Federer Foundation. Gemeinsam mit seiner aus Südafrika stammenden Mutter entwickelte der junge Federer damals die Idee, Kinder auf dem Kontinent zu unterstützen, Schulen zu bauen, die Infrastruktur zu verbessern. „Roger war auch von Andre Agassi und seinen sozialen Aktivitäten inspiriert“, sagt Manager Godsick. „Es ist großartig, wie sehr er sich da engagiert und überall beim Geldsammeln einbringt.“
Federer hat selbst schon länger angekündigt, in den Jahren nach seiner Tenniskarriere noch viel mehr Engagement und Zeit in die Stiftungsarbeit zu stecken. „Ich weiß, wie wichtig diese Arbeit ist. Deshalb werde ich da nicht nachlassen – im Gegenteil“, sagt Federer. Er wird noch öfters nach Afrika reisen, aber er wird es wie bisher ohne große Öffentlichkeit tun, als verschwiegener Helfer, der Publicity scheut. „Es geht um die Sache dort – und nicht um mich“, sagt Federer.