46 Tipps gegen den Optimierungswahn
Leistung und Effizienz sind für Andreas Gerk nicht alles im Leben, obwohl ihrer Meinung nach in der heutigen Zeit Erfolg mehr zählt, als Moral und Güte. In ihrem Buch „Ich bin da mal raus – Ideen gegen den Optimierungswahn“stellt sie 46 persönliche Tipps für kleine Auszeiten vor.
Das Streben, ein besserer Mensch zu werden, macht Andrea Gerk an dem Bild des durchtrainierten, organisierten, optimistischen Erfolgsmenschen fest. Ihrer Wahrnehmung nach steht die individuelle Leistung im Mittelpunkt und weniger die nicht messbaren Werte. Dieses Streben nach Produktivität macht die Autorin nicht mit und möchte nicht daran erinnert werden, mehr an sich zu arbeiten. Sie führt aus, dass die Menschen schon immer klüger, schneller und schöner werden wollten, aber heutzutage werde ständig und öffentlich darüber geredet, geschrieben oder gepostet, wie die Ordnung im Schrank und im Leben hergestellt werden könne. „Dieses Buch möchte daran erinnern, was man mit seiner begrenzten Lebenszeit alles anstellen kann, außer sich ständig mit kritischem Blick zu taxieren, Verbesserungsstrategien zu entwerfen, sie keuchend umzusetzen und doch nie zufrieden zu sein“, lautet ihr Ansatz.
Andrea Gerks Gegenentwurf umfasst 46 Tipps von „Bis mittags im Bett liegen“, „sich gruseln“, „Streiche spielen“, „Durchs eigene Zimmer reisen“bis zu „Die eigenen Fehler feiern“oder „Das Handy ignorieren“. Zu diesen subjektiven Empfehlungen erzählt sie unterhaltsam kleine Geschichten aus dem Freundes- oder Familienkreis, zitiert Dichter und Denker und stellt Illustrationen von Moni Port dazu. Der Blick auf das Naheliegende beinhaltet ein Plädoyer für das „Ich sein“und „Selbst sein“, ohne sich von anderen Meinungen unter Druck setzen zu lassen. Die kurzen Kapitel sind Ideen, der optimierten Welt zu entfliehen, wobei die Lesenden natürlich selbst entscheiden können, ob sie Zielgruppe sind und einen Kompass benötigen.
Die Anregungen der Autorin sind subjektiv, und einige Tipps wie „Aus dem Fenster schauen“oder „Umwege statt Abkürzungen“sind vorhersehbar. Die privaten Anekdoten ähneln sich und wirken dadurch an manchen Stellen ermüdend, obwohl sie die Pointen gut setzt und so für Bewegung und Szenenwechsel sorgt. Nachhaltiger sind die Ideen, die über das Bekannte und Private hinausgehen wie beispielsweise „Grundlos schlecht gelaunt zu sein“. Die Autorin reflektiert über die Unzufriedenheit, das Grübeln, um ihren Rat mit philosophischen und literarischen Ansätzen zu vertiefen. Wer keinen ihrer Tipps mag, kann einfach seine eigene Liste erstellen… ml
Andrea Gerk, Moni Port: „Ich bin da mal raus, Ideen gegen den Optimierungswahn“, Kein und Aber Verlag, 16 Euro.