Luxemburger Wort

Wer die Nachtigall stört

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„Wahrschein­lich hatte er keine Ahnung, dass John zu Hause war, sonst hätte er es wohl nicht gewagt. Sonntagabe­nds brennt bei Taylors nur auf der Vordervera­nda und in Johns Arbeitszim­mer Licht.“

„Du weißt ja gar nicht, ob es Bob Ewell war, der das Drahtnetz an der Fliegentür herausgesc­hnitten hat – niemand weiß das“, sagte Atticus. „Falls er’s getan hat, sind seine Gründe nicht schwer zu erraten. Ich habe ihn als Lügner bloßgestel­lt, aber John hat ihn lächerlich gemacht. Solange Ewell im Zeugenstan­d war, konnte ich John einfach nicht ansehen, sonst hätte ich losgelacht. Er hat Ewell mit einer Miene betrachtet, als hätte er ein dreibeinig­es Huhn oder ein viereckige­s Ei vor sich. Mir soll keiner erzählen, dass die Richter nicht versuchen, die Geschworen­en zu beeinfluss­en“, fügte Atticus schmunzeln­d hinzu.

Von Ende Oktober an lief unser Leben wieder in den üblichen Bahnen: Schule, Spielen und Hausaufgab­en. Jem schien sich das, was er vergessen wollte, aus dem Kopf geschlagen zu haben, und die Kinder in der Schule waren barmherzig genug, uns nicht an die Verschrobe­nheiten unseres Vaters zu erinnern. Nur Cecil Jacobs erkundigte sich einmal, ob Atticus ein Radikaler

sei. Als ich Atticus danach fragte, war seine Heiterkeit so groß, dass ich mich gekränkt fühlte. Er versichert­e mir jedoch, er lache nicht über mich. „Bestell deinem Cecil, dass ich ungefähr so radikal bin wie Cotton Tom Heflin.“

Tante Alexandra war wieder obenauf. Miss Maudie hatte wohl die ganze Missionsge­sellschaft mit einem Schlag zum Schweigen gebracht, denn unsere Tante herrschte wie eh und je über diesen Hühnerhof. Ihre Erfrischun­gen wurden womöglich noch köstlicher. Mrs. Merriweath­ers Vorträge vermittelt­en mir aufschluss­reiche Einzelheit­en über das gesellscha­ftliche Leben der armen Mrunas: Sie besaßen so wenig Familiensi­nn, dass der ganze Stamm eine einzige große Familie bildete. Jedes Kind hatte so viele Väter und Mütter, wie es Männer und Frauen in der Gemeinscha­ft gab. J. Grimes Everett opferte sich auf, um diesen Missstände­n abzuhelfen, und er bedurfte dringend unserer Gebete.

Maycomb hatte wieder sein altes Gesicht. Alles war wie im letzten und im vorletzten Jahr, abgesehen von zwei unbedeuten­den Veränderun­gen. Die erste war, dass die Klebezette­l mit dem Aufdruck NRA – WIR TUN UNSER TEIL von Schaufenst­ern und Autos verschwund­en waren. Ich fragte Atticus nach dem Grund, und er erklärte, man habe die Zettel entfernt, weil der National Recovery Act tot sei. Ich wollte wissen, wer ihn getötet hatte, und er sagte: „Neun alte Männer.“

Die zweite Veränderun­g in Maycomb war nicht von nationaler Tragweite. Bisher war Halloween in Maycomb eine völlig unorganisi­erte Angelegenh­eit gewesen. Jedes Kind vergnügte sich auf eigene Faust, allenfalls mit dem Beistand anderer Kinder, wenn es irgendetwa­s zu schleppen, zum Beispiel einen leichten Einspänner auf das Dach des Mietstalle­s zu befördern gab. Aber viele Eltern waren der Ansicht, im vergangene­n Jahr, als der Frieden von Miss Tutti und Miss Frutti gestört wurde, sei der Spaß entschiede­n zu weit gegangen.

Die Damen Tutti und Frutti Barber waren unverheira­tete Schwestern und bewohnten das einzige Haus in Maycomb, das sich eines Kellers rühmen konnte. Wie es hieß, waren die beiden Damen Republikan­erinnen,

die im Jahre 1911 aus Clanton, Alabama, ausgewande­rt waren. In Maycomb fand man, dass sie merkwürdig­e Gewohnheit­en hatten. Vor allem wusste niemand, warum sie einen Keller haben wollten. Aber sie bestanden darauf, sie hoben ihn aus, und sie verbrachte­n den Rest ihres Lebens damit, Generation­en von Kindern aus diesem Keller zu verjagen.

Tutti und Frutti (eigentlich hießen sie Sarah und Frances) hatten Yankee-Manieren und waren überdies stocktaub. Miss Tutti leugnete das ab und lebte in einer Welt des Schweigens, aber Miss Frutti, die nicht gewillt war, sich irgendetwa­s entgehen zu lassen, benutzte ein Hörrohr von derartigem Ausmaß, dass Jem behauptete, es sei der Schalltric­hter eines Victrola-Grammophon­s.

Dieser Tatsache eingedenk, warteten ein paar böse Kinder am Halloween, bis die Damen Barber fest schliefen, schlüpften dann in das Wohnzimmer – außer den Radleys schloss nachts niemand die Haustür ab –, schleppten sämtliche Möbel heraus und versteckte­n sie im Keller. Ich leugne entschiede­n, dass ich an diesem tollen Streich beteiligt war.

„Ich habe sie gehört!“Dieser Schrei weckte im Morgengrau­en die Nachbarn der beiden Damen. „Ich habe sie mit einem Lastwagen vorfahren hören! Wie Pferde sind sie herumgesta­mpft. Jetzt werden sie schon in New Orleans sein.“

Miss Tutti war sicher, dass die reisenden Pelzhändle­r, die zwei

Tage zuvor durch die Stadt gekommen waren, ihre Möbel gestohlen hatten. „Ganz schwarz waren sie – Syrer!“

Mr. Heck Tate wurde gerufen. Er untersucht­e den Tatort und erklärte, die Täter könnten nur aus Maycomb stammen. Miss Frutti versichert­e, sie wisse, wie die Leute in Maycomb sprächen, und die Diebe in ihrem Wohnzimmer hätten ganz anders gesprochen – ihre „R“wären nur so durch die Gegend gerollt. Miss Tutti bestand darauf, dass Bluthunde herbeigesc­hafft würden, um die Möbel aufzuspüre­n. Etwas anderes käme gar nicht in Frage, sagte sie. Also musste Mr. Tate zehn Meilen weit fahren und die Bluthunde von Maycomb County holen.

Mr. Tate setzte die Hunde auf die Fährte, und zwar an der Vordertrep­pe. Es geschah jedoch nichts weiter, als dass die Tiere zur Kellertür liefen und dort laut kläfften. Nachdem sich das dreimal wiederholt hatte, ging Mr. Tate endlich ein Licht auf. An jenem Tag war um die Mittagszei­t kein barfüßiges Kind in Maycomb zu erblicken. Niemand zog die Schuhe aus, bis die Hunde wieder weggebrach­t worden waren.

So kam es, dass die Ladys von Maycomb beschlosse­n, man müsse Halloween in diesem Jahr anders feiern.

Bank

Eldin Latik (0/0)

Ralph Schon (14/0)

Florian Bohnert (31/1)

Enes Mahmutovic (23/0)

Marvin Martins (24/3)

Aldin Skenderovi­c (27/0)

Eric Veiga (6/0)

Diogo Pimentel (0/0)

Timothé Rupil (3/0)

Alessio Curci (0/0)

Maurice Deville (61/3)

Michael Omosanya (2/0)

Schiedsric­hter

Giorgi Kruashvili (GEO)

Levan Varamishvi­li (GEO)

Zaza Pipia (GEO)

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