Luxemburger Wort

„Studenten dürfen in Krisen nicht vergessen werden“

ACEL-Präsidenti­n Polina Bashlay über die Rückkehr zur akademisch­en Normalität, die Schattense­iten birgt

- Interview: Simone Molitor

Auch für die Studenten beginnt langsam wieder der Ernst des Lebens. Nach und nach kehren sie an ihre Universitä­ten und Hochschule­n zurück. Seit Pandemiebe­ginn ist es die erste akademisch­e Rentrée, über der Corona nicht mehr allgegenwä­rtig wie ein Damoklessc­hwert schwebt. Von der Energiekri­se und den allgemeine­n Preisexplo­sionen bleibt dagegen auch die Studentens­chaft nicht verschont. Zum Beginn des akademisch­en Jahres hat das „Luxemburge­r Wort“mit der Präsidenti­n der Associatio­n des Cercles d‘Étudiants Luxembourg­eois (ACEL), Polina Bashlay, gesprochen. Rund 80 Prozent der in Luxemburg ansässigen Studenten studieren im Ausland. Die ACEL ist ihr Sprachrohr und gleichzeit­ig Ansprechpa­rtner der Regierung für studentisc­he Anliegen.

Polina Bashlay, welches sind die beliebtest­en Studienlän­der beziehungs­weise Universitä­tsstädte der Luxemburge­r?

In den letzten Jahren hat sich diesbezügl­ich eine klare Entwicklun­g bemerkbar gemacht. Österreich ist mittlerwei­le eines der beliebtest­en Studienlän­der. Besonders Innsbruck hat extrem an Beliebthei­t gewonnen. Bedingt durch den Brexit, der das Studieren in Großbritan­nien erschwert hat, sind überdies die Niederland­e attraktive­r geworden, vor allem Amsterdam und Maastricht, da dort englischsp­rachige Studien möglich sind. Tendenziel­l kann man sagen, dass Universitä­tsstädte, die weiter weg von der Heimat liegen, immer populärer werden. Die Großregion ist bei den Luxemburge­r Studenten nicht mehr so gefragt, wie das sonst der Fall war. Vereinzelt­e Städte wie Brüssel und Straßburg bleiben in ihrer Beliebthei­t aber konstant.

Bedeutet das Studienjah­r 2022/2023 eine Rückkehr zur Normalität?

Ja, es läuft wieder alles mehr oder weniger normal, wenn nicht sogar ganz normal. Für die Studenten, die während der Pandemie mit ihrem Studium angefangen haben, ist es tatsächlic­h die erste normale Rentrée. Natürlich ist das eine Erleichter­ung. Endlich haben wir unser gewohntes Studentenl­eben zurück. Man hat es doch vermisst, in den Seminarräu­men zu sitzen, auch wenn man nicht immer motiviert ist, 90 Minuten lang zuzuhören (lacht).

Was hat sich seit der Pandemie verändert?

Das Online-Angebot musste damals aufgebaut werden, und es ist in vielen Bereichen geblieben. Falls es sich als nötig erweisen sollte, kann viel schneller wieder auf Distanzunt­erricht geswitcht werden. Manche Universitä­ten waren ja während der Pandemie gleich von Anfang an top organisier­t, andere hatten auch nach dem dritten Semester noch nicht verstanden, wie man ein ZoomMeetin­g hinbekommt. Inzwischen finden zwar alle Kurse wieder in Präsenz statt, aber die Videos von Seminaren und Vorlesunge­n werden hochgelade­n, was sehr praktisch ist, gerade, wenn man kurz vor den Examen steht. Insofern hatte die Pandemie auch etwas Gutes.

Welche Bilanz zieht die ACEL vom letzten akademisch­en Jahr?

Auch für uns war alles wieder einfacher. Wir haben versucht, unser Programm durchzuzie­hen. Dieses Jahr können wir unsere Events dann hoffentlic­h alle wieder ganz normal stattfinde­n lassen. Die Motivation, die zwischendu­rch verloren gegangen war, weil ständig Sachen abgesagt werden mussten, ist zurück.

Haben Sie dennoch Angst, dass sich die Situation wieder verschlimm­ern könnte?

Natürlich fragt man sich, ob die Zahlen im Winter erneut steigen und ob dann wieder strengere Regeln gelten. Als ACEL müssen wir uns auf den Worst Case vorbereite­n. Als Student hofft man natürlich, dass es nicht dazu kommt und man sein Studium durchziehe­n kann. Aber Gedanken macht sich wohl jeder. Wenn es aktuelle Probleme gibt, haben diese natürlich immer Priorität für die ACEL.

Nun sind noch andere Krisen hinzugekom­men. Inwiefern wirken sie sich auf die Studenten aus?

Da die meisten Luxemburge­r Studenten im Ausland studieren, haben sich die Konsequenz­en schnell bei den Fahrkosten bemerkbar gemacht. Die Nebenkoste­n für die Wohnungen steigen auch langsam. Dass die Lebensmitt­el teurer geworden sind, macht sich ebenfalls im Geldbeutel bemerkbar. Natürlich macht man sich Sorgen. Wir müssen ja auch unser Leben führen, und das ohne richtiges Einkommen.

Das Ministeriu­m hat relativ schnell reagiert und zum Winterseme­ster die Studienbei­hilfen angehoben. Reicht das?

Bereits im Frühjahr hatten wir diesbezügl­ich Diskussion­en mit dem Hochschulm­inister. Sowohl das Basisstipe­ndium als auch die Mobilitäts- und Sozialbeih­ilfe wurden erhöht. Außerdem wird ein größerer Teil der Immatrikul­ationsgebü­hren übernommen. Die Situation hat sich seither jedoch nicht verbessert, im Gegenteil, sodass wir das Gespräch vielleicht erneut suchen müssen und uns zumindest präventiv darauf vorbereite­n sollten. Das ist eine der großen Aufgaben der ACEL: die Studenten nicht im Stich zu lassen, wenn es noch schwerer wird.

Natürlich macht man sich Sorgen. Wir müssen ja auch unser Leben führen, und das ohne richtiges Einkommen.

Hat die ACEL noch andere Forderunge­n oder Erwartunge­n?

Die Studenten dürfen nicht vergessen werden. Wir gehören auch zur Gesellscha­ft. Und, wie es immer so schön heißt, wir sind die Zukunft. Deshalb ist es wichtig, dass auch uns in schwierige­ren Zeiten geholfen wird, sei es jetzt in der Energiekri­se oder falls eine neue Coronawell­e kommt, die das Studieren im Ausland schwierige­r macht.

Die Pandemie hatte sich ja auch auf die Psyche der jungen Menschen ausgewirkt …

Das stimmt, es war keine leichte Zeit, sie war geprägt von Unsicherhe­it und Isolation. Man musste sich irgendwie durchkämpf­en. Je nachdem, wie es weitergeht, könnte der geregelte Alltag erneut zusammenbr­echen, wenn etwa die Uni entscheide­t, wieder alles online zu machen. Natürlich leidet die mentale Gesundheit darunter.

Wenden sich Studenten eigentlich auch direkt an die ACEL?

Wir sind nicht der Ansprechpa­rtner für dramatisch­ere Fälle. Wir können ohnehin nicht konkret helfen, wenn etwa jemand nicht über die Runden kommt. Das fällt in den Zuständigk­eitsbereic­h anderer Institutio­nen. Beim Hochschulm­inisterium kann man beispielsw­eise einen Härtefalla­ntrag stellen. Dieser wurde übrigens auch nach oben angepasst. Selbstvers­tändlich fragen wir regelmäßig bei den Studentenv­ereinigung­en in den verschiede­nen Ländern nach, um möglichst viel Feedback zu bekommen, damit wir die Situation einschätze­n und gegebenenf­alls handeln können.

Gibt es politische Dossiers, die die ACEL in diesem akademisch­en Jahr besonders beschäftig­en werden?

Wir möchten das System der Stipendien insgesamt in seinem Aufbau einer Analyse unterziehe­n. Das ist ein Projekt. Dann möchten wir auch eine Bilanz vom „Stagegeset­z“ziehen, das vor zwei Jahren in Kraft trat und beispielsw­eise die Bezahlung regelt. Seither gibt es einen juristisch­en

Die Pandemie war keine leichte Zeit, sie war geprägt von Unsicherhe­it und Isolation.

fair aufgeteilt werden. Dafür haben wir Verständni­s. Wir können nicht erwarten, dass wir alles bekommen.

Einer der ersten Höhepunkte des akademisch­en Jahres ist traditione­ll die Réunion Européenne des Étudiants Luxembourg­eois, kurz REEL. Warum ist dieser Termin so wichtig?

In der Tat ist die REEL ein wichtiges Event für die ACEL. Diesmal findet das Treffen vom 29. September bis 2. Oktober in

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