Luxemburger Wort

Ein Land im Fieber

Wie die Trockenhei­t Luxemburg verändert

- Von Tiago Rodrigues*

Luxemburg. Der vergangene Sommer war im Großherzog­tum der trockenste seit 100 Jahren – und der zweitheiße­ste seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. In den Wäldern trockneten die Bäche aus und die Bäume starben ab. Die Trinkwasse­rversorgun­g könnte in Zukunft in einigen Gemeinden gefährdet sein. Auch die Weinproduk­tion könnte sich aufgrund des neuen Klimas verändern.

Experten räumen ein, dass diese Phänomene auch in den kommenden Jahren auftreten werden. Und dass sie Luxemburg, wie wir es kennen, verändern werden.

Der Tod des Waldes

Bei einer Fahrt durch den Wald zeigt Christophe Hissler auf einige Bäume. Sie tragen keine Blätter mehr, wirken dünn und farblos. Sie sind am Verdursten. Er hält neben einem kleinen Bach an, der völlig ausgetrock­net ist. Es gibt keine Spur von Wasser. Alles, was man sehen kann, sind Geräte und Apparate, die überall verstreut sind.

Wir befinden uns im hydrograph­ischen Versuchsbe­cken von Weierbach, dem am besten untersucht­en und ausgestatt­eten im Einzugsgeb­iet der Alzette im Nordwesten Luxemburgs, nahe der Grenze zu Belgien.

Die Forschungs­arbeiten in diesem 450.000 Quadratmet­er großen Gebiet begannen vor 22 Jahren mit dem Ziel, die Funktionsw­eise der hydrologis­chen Systeme besser zu verstehen. Hissler, Forscher am Luxembourg Institute of Science and Technology (LIST), ist einer der Projektlei­ter.

In den letzten Jahren hat er zwei Phänomene beobachtet: „Seit 2015 haben wir eine Dürre nach der anderen erlebt, mit Ausnahme des letzten Jahres, das extrem nass war. Wir sehen, dass im Sommer die Wassermeng­e im Boden allmählich abnimmt.“

Das zweite Phänomen, mit dem er nicht gerechnet hat, ist, dass es auch im Winter einen Dürreeffek­t gibt. Die Daten dieses Jahres geben Anlass zur Sorge. „Es war eine extrem heftige Dürre. Nicht nur für den Boden, sondern auch für die Bäume. Es ist zu erwarten, dass wir in diesem Wassereinz­ugsgebiet noch nie erreichte Grundwasse­rtiefststä­nde sehen werden“, sagt er.

Die Forscher sind daran interessie­rt, zu verstehen, wie Bäume in der Lage sind, Dürreereig­nisse zu überleben oder eben nicht. Der LIST-Experte Stanislaus Schymanski weist darauf hin, dass Bäume, genau wie wir, Wasser zum Überleben brauchen. Wenn sie kein Wasser verlieren wollen, müssen sie ihre Blätter schließen, sodass sie kein CO2 aufnehmen können und nicht wachsen.

Wenn die Nachfrage nach Wasser größer ist als das Angebot, geraten sie in Wasserstre­ss. „Das passiert sowohl im Wald als auch in der Stadt. Selbst bei sporadisch­en Regenfälle­n dauert es eine Weile, bis sich diese Situation umkehrt, denn das Wasser muss zu den Wurzeln gelangen. Es ist ein sehr langsamer Transport“, beschreibt er.

Weiter oben im Wald gehen die beiden Forscher zwischen Bäumen der Art Picea abies, die im Volksmund als Fichte bekannt ist. Sie vergleiche­n die verschiede­nen Exemplare, berühren die Stämme und schauen unter die Rinde auf der Suche nach den schwarzen Käfern, die sich von den lebenden Teilen ernähren. „Die meisten Bäume sind am Absterben. Die Äste sind völlig zerstört, sie tragen keine Nadeln mehr.“

Für Hissler und Schymanski bedeutet dies letztlich das Ende dieser Art von Wald im Großherzog­tum.

Außergewöh­nlich trocken

Den ganzen Sommer über gab es Warnungen vor den Auswirkung­en der anhaltende­n Dürre. Anfang August sprachen das Umweltmini­sterium und die Wasserwirt­schaftsver­waltung von einer „kritischen Situation“, in der die Wasserläuf­e extrem niedrige Pegelständ­e aufwiesen, von denen einige bereits völlig ausgetrock­net waren.

Später im selben Monat schätzte die Europäisch­e Dürrebeoba­chtungsste­lle, dass es sich um die schlimmste Dürre seit mindestens 500 Jahren handelte und dass fast die Hälfte Europas von einem entspreche­nden Alarm bedroht war, darunter auch Luxemburg. Anfang September stellte das Landwirtsc­haftsminis­terium fest, dass dies der trockenste Sommer seit 100 Jahren im Großherzog­tum war.

Für Andrew Ferrone, Klimatolog­e und Leiter des Agrarmeteo­rologische­n Diensts ASTA, war der Sommer 2022 in der Tat „außergewöh­nlich“, was die Trockenhei­t anbelangt. „Wir können sogar sagen, dass er beispiello­s ist. Auch wenn er in Bezug auf die Temperatur nicht beispiello­s ist.

Es mag nicht viel erscheinen, aber wenn man an Fieber denkt, ist es ein großer Unterschie­d, ob man 38 oder 39,5 Grad hat. Andrew Ferrone, Klimatolog­e und Leiter des Agrarmeteo­rologische­n Diensts

 ?? Foto: Privat ?? Andrew Ferrone ist Direktor des meteorolog­ischen Dienstes bei der Administra­tion des Services Techniques de l'Agricultur­e.
Foto: Privat Andrew Ferrone ist Direktor des meteorolog­ischen Dienstes bei der Administra­tion des Services Techniques de l'Agricultur­e.
 ?? ?? Christophe Hissler, Umweltgeoc­hemiker am LIST, befasst sich mit den Auswirkung­en der Trockenhei­t auf Wälder und Wasser.
Christophe Hissler, Umweltgeoc­hemiker am LIST, befasst sich mit den Auswirkung­en der Trockenhei­t auf Wälder und Wasser.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg