WM-Überraschung verpasst
Geniets bester Luxemburger bei Evenepoels Solo-Ritt – Skandal um Van der Poel
In der Nacht zum Sonntag starteten mit Kevin Geniets, Bob Jungels, Colin Heiderscheid und Luc Wirtgen gleich vier Luxemburger beim WM-Straßenrennen der Männer in Australien. Besonders Geniets hatte sich nach seinem starken fünften Platz bei der Skoda Tour Luxembourg Außenseiterchancen auf den Weltmeistertitel ausgerechnet.
Zur Goldmedaille sollte es am Ende dann aber doch nicht reichen – zu dominant trat an diesem Tag Remco Evenepoel auf. Der Belgier konnte sich rund zwei Wochen nach seinem Gesamtsieg bei der Vuelta auch den Titel im Straßenrennen der Rad-WM sichern, und das auf eine äußerst beeindruckende Art und Weise.
72 Kilometer vor dem Ziel setzte sich der 22-jährige Ausnahmefahrer mit einer größeren Gruppe von den Mitfavoriten wie Tadej Pogacar (SLO), Michael Matthews (AUS) oder Julian Alaphilippe (F) ab. Bei einer weiteren Tempoverschärfung zwei Runden vor Schluss konnte dann nur noch der Kasache Alexej Luzenko folgen, der aber 26 Kilometer vor der Zieleinfahrt gegen den Belgier auch nichts mehr ausrichten konnte.
Am Ende seines beeindruckenden Solo-Ritts hatte Evenepoel nach intensiven 266,9 km rund um Wollongong 2'11' Vorsprung auf eine größere Gruppe von Verfolgern. Die Silbermedaille sicherte sich Christophe Laporte aus Frankreich vor Lokalmatador Matthews.
Geniets kam ebenfalls mit der ersten Hauptgruppe ins Ziel und klassierte sich als bester Luxemburger auf dem 21. Platz. Für Jungels, der wie der neue Weltmeister auch die Vuelta in den Beinen hatte, reichte es mit 3'01'' Rückstand nur zu Rang 45. Während Wirtgen (11'28'') als dritter Luxemburger das Ziel als 95. erreichte, entschied sich Landesmeister Colin Heiderscheid das Rennen vorzeitig zu beenden.
Für die Radsportnation Belgien endet durch den Triumph von Evenepoel
Annemiek van Vleuten siegt trotz gebrochenem Ellbogen.
eine zehnjährige Wartezeit, die längste in der Geschichte des Landes, auf einen neuen Titelträger. Philippe Gilbert durfte sich zuletzt 2012 in Valkenburg (NL) das Regenbogentrikot überstreifen. „Ich habe relativ schnell gemerkt, dass ich stärker als Alexei bin. Ich habe dann alles gegeben“, sagte Evenepoel, der bis zur kommenden WM im August in Glasgow nun das Regenbogentrikot trägt. „Ein Traum ist wahr geworden, es ist unglaublich. Ich bin superglücklich.“
Eine Nacht mit Folgen
Für einen Aufreger der anderen Art sorgte derweil noch vor Rennbeginn Evenepoels Landsmann und Mitfavorit auf den Titel Mathieu van der Poel. Der KlassikerSpezialist stieg nach einer chaotischen und schlaflosen Nacht völlig übermüdet bereits nach rund 30 Kilometern vom Rad. „Ich wollte gestern Abend früh ins Bett gehen, aber auf dem Hotelflur waren viele Kinder, die ständig an meine Tür geklopft haben“, berichtete van der Poel: „Nach einer Weile hatte ich die Nase voll. Ich sagte ihnen auf eine nicht sehr freundliche Art und Weise, dass sie aufhören sollen. Da wurde die Polizei gerufen.“Nach Angaben der Polizei, die keinen Namen nannte, sollen zwei Teenager im Alter von 13 und 14 Jahren gestoßen worden sein. Eine der beiden soll daraufhin zu Boden gegangen sein, die andere eine kleine Schürfwunde am Ellbogen erlitten haben.
Erst um vier Uhr sei er ins Hotel zurückgekehrt, sagte van der Poel. Gegen ihn wurde Anklage wegen zweier Fälle geringer Körperverletzung erhoben. Er muss morgen vor einem Gericht in Sutherland erscheinen.
Van Vleuten im Sitzen
„Ich kann es nicht glauben. Ich warte immer noch auf jemanden, der mir sagt, dass das nicht wahr ist“, waren Annemiek van Vleutens Worte kurz nach der Zieleinfahrt des Straßenrennens der Frauen. Doch ihr zweiter WM-Titel im Straßenrennen nach 2019 war Realität.
Nur drei Tage nach ihrem schweren Sturz am Start der Mixed Staffel ging die Niederländerin mit gebrochenem Ellenbogen am Samstag an den Start. Die 39-Jährige schoss kurz vor Rennende wie aus dem Nichts an der Belgierin Lotte Kopecky und Silvia Persico aus Italien vorbei und gewann mit einer Sekunde Vorsprung die Goldmedaille. Van Vleuten begründete ihr erfolgreiches Manöver mit ihrer Blessur. „Ich konnte wegen meines Ellbogens nicht richtig sprinten. Also dachte ich, dass ich von hinten attackieren muss“, sagte sie: „Ich konnte nicht wirklich aus dem Sattel und musste das Rennen im Sitzen fahren.“
Für van Vleuten war es WM-Titel Nummer vier – 2017 und 2018 gewann sie das Regenbogentrikot im Einzelzeitfahren.
Mit Nina Berton (auf 15'51'') ging nur eine Luxemburgerin bei den Frauen an den Start. Die 21-Jährige klassiert sich auf Rang 73. Unter der Prämisse, dass von 130 Startern nur 78 das Ziel erreichten, darf dieses Resultat jedoch durchaus als Erfolg gewertet werden. ak/sid