Sie genießt die schönen Momente
Karateka Jenny Warling freut sich über den starken Saisonauftakt und hat ihre nächsten Ziele im Blick
Langsam weicht die Anspannung aus ihrem Gesicht. Jenny Warling umarmt ihre Betreuer und beginnt zu strahlen. Gerade hat sie ihr Heimturnier gewonnen, den LionCup in Strassen. Für Luxemburgs stärkste Karateka hat die Saison damit optimal begonnen. Denn es ist bereits ihr zweiter Turniersieg nach jenem in der Vorwoche bei den Budapest Open.
Nach ihren eigenen strengen Maßstäben findet die 28-Jährige ihren Erfolg im Kumite der Kategorie bis 55 Kilogramm bei der Veranstaltung in Strassen jedoch nicht perfekt. „Wenn ich es mit Budapest vergleiche, war ich in der vergangenen Woche mit meinen Kämpfen deutlich zufriedener. Ich habe zwar jetzt aufgrund meiner Erfahrung gewonnen, aber nicht so viele Punkte machen können wie in Ungarn“, erklärt sie am Samstag. Die schweren Kämpfe der Vorwoche stecken noch ein bisschen in den Beinen.
Für die Kampfsportlerin vom Karate Club Walferdingen sind die Siege vor allem mental wichtig. „Es ist immer gut zu wissen, dass man an dem Tag die Beste in seiner Kategorie war“, meint sie. Denn auch für eine Topathletin wie die Weltranglisten-Fünfte ist es nie leicht. Beim Lion-Cup sind alle Gegnerinnen jünger, sie verhalten sich defensiv. „Das ist für mich schwierig. Denn ich muss die richtige Distanz herstellen und dann noch einen sauberen Angriff starten“, so Warling.
Beinahe kommt für sie das Aus bereits in der zweiten Runde. Die mitfavorisierte Französin Sabrina Ouihaddadene führt 1:0, wird aber dann wegen Kampfverweigerung disqualifiziert. Das Finale gewinnt die Luxemburgerin nach Kampfrichterentscheid 5:0 gegen die ebenfalls aus Frankreich kommende Vanessa Roche.
Rückkehr an einen besonderen Ort Warling hat eine Saison mit zwei Großereignissen vor sich, der Europameisterschaft im März 2023 in Guadalajara (E) und den European Games im Juni im polnischen Krakau. Die spanische Stadt ist ein besonderer Ort für die Luxemburgerin, denn dort hat sie 2019 EM-Gold geholt. Für die European Games muss sie sich erst qualifizieren, das ist Warlings Hauptziel in dieser Saison. Es hat für sie noch einen höheren Stellenwert als die EM. „Bei den European Games sind nur die acht Besten pro Kategorie am Start. Man muss von Anfang an hochkonzentriert sein. Bei einer EM kann es auch sein, dass man eine Gegnerin aus einem Land hat, das in meiner Kategorie nicht so stark ist“, erklärt sie.
Trotzdem wird sie auch in Spanien alles geben, um erneut Edelmetall zu holen. Zudem würde ein Platz auf dem Podium die Qualifikation für Krakau sichern. Wichtige Punkte dafür kann sie bereits beim K1-Turnier im Januar in Ägyptens Hauptstadt Kairo sammeln. Hilfreich sind auch die Weltranglistenpunkte, die sie aufgrund der Leistungen der Vorsaison bereits auf dem Konto hat.
Beim Lion-Cup erhält sie keine Zähler, die ihr für die Qualifikation nützen. Die Turnierteilnahme bringt sie dennoch weiter. „Man sieht hier die Zukunft. Die jungen Sportlerinnen wie meine tschechische Auftaktgegnerin Vendula Stepanova treten künftig vielleicht auch bei größeren Turnieren gegen mich an. Eine Gegnerin dann schon zu kennen, ist wichtig für mich“, so Warling. Voraussichtlich ist die Weltmeisterschaft im November 2023 in Budapest ein
Jenny Warling ist im Kampf stets hochkonzentriert. weiteres großes Ziel für sie. „Ich habe noch keine WM-Medaille im Seniorenbereich. So eine fehlt mir in meiner Kollektion“, meint sie. Das hat auch mit Enttäuschungen in der Vorsaison zu tun. Denn Warling hat starke Leistungen gebracht, was sich in der besten Weltranglistenplatzierung ihrer Karriere widerspiegelt. Aber sie hatte auch Pech.
Bittere Erinnerungen
Nachdem sie im Frühsommer des vergangenen Jahres die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio verpasst hatte, hatte sie im November 2021 bei der Weltmeisterschaft in Birmingham (USA) berechtigte Hoffnungen auf Edelmetall. Die Luxemburgerin stand nach Aufgabe ihrer amerikanischen Gegnerin Trinity Allen bereits im Finale, doch ein umstrittener Protest des US-Teams änderte alles. Den Kampf um Bronze verlor Warling dann gegen die bulgarische Olympiasiegerin Ivet Goranova. Sie wurde Fünfte.
Bei den World Games im Juni 2022 besiegte Warling die bulgarische Favoritin sogar, aber im Kampf um Bronze kam ihr erneut Allen in die Quere, die die Luxemburgerin diesmal auf dem Tatami besiegte. So stand Warling am Ende der Saison mit leeren Händen da.
„Es können viele Dinge passieren, die dazu führen, dass es dann knapp nicht reicht“, meint die Luxemburgerin. Sie versucht, solche Enttäuschungen nicht zu wichtig werden zu lassen. „Ich sage mir, dass Karate für mich ein Hobby ist und dass ich vom Sport nicht abhängig bin. Ich freue mich über jeden schönen Moment, den ich im Karate habe“, sagt sie. „Es macht mir immer noch Spaß. Ich lasse ihn mir nicht von Kampfrichtern oder dem Weltverband verderben.“
Es können viele Dinge passieren, die dazu führen, dass es dann knapp nicht reicht. Jenny Warling
Ich habe noch keine WMMedaille im Seniorenbereich. So eine fehlt mir in meiner Kollektion. Jenny Warling
Oder von sportpolitischen Entscheidungen. Dass Warling die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio 2021 verpasst hat, ist auch deshalb besonders bitter, weil Karate bei den nächsten Sommerspielen 2024 in Paris nicht olympisch ist. „Das ist sehr schade. Deshalb war ich auch froh, dass ich bei den World Games dabei war. Es war eine Art Ersatz für Olympia“, sagt sie.
Wie es mit Karate bei Olympia weitergeht, ist offen. Warling befasst sich daher auch nicht mehr mit derartigen Dingen, auf die sie ohnehin keinen Einfluss hat. Sie hält auch nichts von allzu langfristigen Plänen: „Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich mir einfach ein Ziel nach dem anderen setze.“