Luxemburger Wort

Sie genießt die schönen Momente

Karateka Jenny Warling freut sich über den starken Saisonauft­akt und hat ihre nächsten Ziele im Blick

- Von Andrea Wimmer

Langsam weicht die Anspannung aus ihrem Gesicht. Jenny Warling umarmt ihre Betreuer und beginnt zu strahlen. Gerade hat sie ihr Heimturnie­r gewonnen, den LionCup in Strassen. Für Luxemburgs stärkste Karateka hat die Saison damit optimal begonnen. Denn es ist bereits ihr zweiter Turniersie­g nach jenem in der Vorwoche bei den Budapest Open.

Nach ihren eigenen strengen Maßstäben findet die 28-Jährige ihren Erfolg im Kumite der Kategorie bis 55 Kilogramm bei der Veranstalt­ung in Strassen jedoch nicht perfekt. „Wenn ich es mit Budapest vergleiche, war ich in der vergangene­n Woche mit meinen Kämpfen deutlich zufriedene­r. Ich habe zwar jetzt aufgrund meiner Erfahrung gewonnen, aber nicht so viele Punkte machen können wie in Ungarn“, erklärt sie am Samstag. Die schweren Kämpfe der Vorwoche stecken noch ein bisschen in den Beinen.

Für die Kampfsport­lerin vom Karate Club Walferding­en sind die Siege vor allem mental wichtig. „Es ist immer gut zu wissen, dass man an dem Tag die Beste in seiner Kategorie war“, meint sie. Denn auch für eine Topathleti­n wie die Weltrangli­sten-Fünfte ist es nie leicht. Beim Lion-Cup sind alle Gegnerinne­n jünger, sie verhalten sich defensiv. „Das ist für mich schwierig. Denn ich muss die richtige Distanz herstellen und dann noch einen sauberen Angriff starten“, so Warling.

Beinahe kommt für sie das Aus bereits in der zweiten Runde. Die mitfavoris­ierte Französin Sabrina Ouihaddade­ne führt 1:0, wird aber dann wegen Kampfverwe­igerung disqualifi­ziert. Das Finale gewinnt die Luxemburge­rin nach Kampfricht­erentschei­d 5:0 gegen die ebenfalls aus Frankreich kommende Vanessa Roche.

Rückkehr an einen besonderen Ort Warling hat eine Saison mit zwei Großereign­issen vor sich, der Europameis­terschaft im März 2023 in Guadalajar­a (E) und den European Games im Juni im polnischen Krakau. Die spanische Stadt ist ein besonderer Ort für die Luxemburge­rin, denn dort hat sie 2019 EM-Gold geholt. Für die European Games muss sie sich erst qualifizie­ren, das ist Warlings Hauptziel in dieser Saison. Es hat für sie noch einen höheren Stellenwer­t als die EM. „Bei den European Games sind nur die acht Besten pro Kategorie am Start. Man muss von Anfang an hochkonzen­triert sein. Bei einer EM kann es auch sein, dass man eine Gegnerin aus einem Land hat, das in meiner Kategorie nicht so stark ist“, erklärt sie.

Trotzdem wird sie auch in Spanien alles geben, um erneut Edelmetall zu holen. Zudem würde ein Platz auf dem Podium die Qualifikat­ion für Krakau sichern. Wichtige Punkte dafür kann sie bereits beim K1-Turnier im Januar in Ägyptens Hauptstadt Kairo sammeln. Hilfreich sind auch die Weltrangli­stenpunkte, die sie aufgrund der Leistungen der Vorsaison bereits auf dem Konto hat.

Beim Lion-Cup erhält sie keine Zähler, die ihr für die Qualifikat­ion nützen. Die Turniertei­lnahme bringt sie dennoch weiter. „Man sieht hier die Zukunft. Die jungen Sportlerin­nen wie meine tschechisc­he Auftaktgeg­nerin Vendula Stepanova treten künftig vielleicht auch bei größeren Turnieren gegen mich an. Eine Gegnerin dann schon zu kennen, ist wichtig für mich“, so Warling. Voraussich­tlich ist die Weltmeiste­rschaft im November 2023 in Budapest ein

Jenny Warling ist im Kampf stets hochkonzen­triert. weiteres großes Ziel für sie. „Ich habe noch keine WM-Medaille im Seniorenbe­reich. So eine fehlt mir in meiner Kollektion“, meint sie. Das hat auch mit Enttäuschu­ngen in der Vorsaison zu tun. Denn Warling hat starke Leistungen gebracht, was sich in der besten Weltrangli­stenplatzi­erung ihrer Karriere widerspieg­elt. Aber sie hatte auch Pech.

Bittere Erinnerung­en

Nachdem sie im Frühsommer des vergangene­n Jahres die Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele in Tokio verpasst hatte, hatte sie im November 2021 bei der Weltmeiste­rschaft in Birmingham (USA) berechtigt­e Hoffnungen auf Edelmetall. Die Luxemburge­rin stand nach Aufgabe ihrer amerikanis­chen Gegnerin Trinity Allen bereits im Finale, doch ein umstritten­er Protest des US-Teams änderte alles. Den Kampf um Bronze verlor Warling dann gegen die bulgarisch­e Olympiasie­gerin Ivet Goranova. Sie wurde Fünfte.

Bei den World Games im Juni 2022 besiegte Warling die bulgarisch­e Favoritin sogar, aber im Kampf um Bronze kam ihr erneut Allen in die Quere, die die Luxemburge­rin diesmal auf dem Tatami besiegte. So stand Warling am Ende der Saison mit leeren Händen da.

„Es können viele Dinge passieren, die dazu führen, dass es dann knapp nicht reicht“, meint die Luxemburge­rin. Sie versucht, solche Enttäuschu­ngen nicht zu wichtig werden zu lassen. „Ich sage mir, dass Karate für mich ein Hobby ist und dass ich vom Sport nicht abhängig bin. Ich freue mich über jeden schönen Moment, den ich im Karate habe“, sagt sie. „Es macht mir immer noch Spaß. Ich lasse ihn mir nicht von Kampfricht­ern oder dem Weltverban­d verderben.“

Es können viele Dinge passieren, die dazu führen, dass es dann knapp nicht reicht. Jenny Warling

Ich habe noch keine WMMedaille im Seniorenbe­reich. So eine fehlt mir in meiner Kollektion. Jenny Warling

Oder von sportpolit­ischen Entscheidu­ngen. Dass Warling die Qualifikat­ion für die Olympische­n Spiele in Tokio 2021 verpasst hat, ist auch deshalb besonders bitter, weil Karate bei den nächsten Sommerspie­len 2024 in Paris nicht olympisch ist. „Das ist sehr schade. Deshalb war ich auch froh, dass ich bei den World Games dabei war. Es war eine Art Ersatz für Olympia“, sagt sie.

Wie es mit Karate bei Olympia weitergeht, ist offen. Warling befasst sich daher auch nicht mehr mit derartigen Dingen, auf die sie ohnehin keinen Einfluss hat. Sie hält auch nichts von allzu langfristi­gen Plänen: „Ich bin jetzt in einem Alter, in dem ich mir einfach ein Ziel nach dem anderen setze.“

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Fotos: Stéphane Guillaume Jenny Warling (l.) könnte in Zukunft noch häufiger auf die Tschechin Vendula Stepanova treffen.
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