Luxemburger Wort

Euphorie ist fehl am Platz

- Von Nadia Di Pillo

Giorgia Meloni wird voraussich­tlich die erste Regierungs­chefin des ersten rechten Bündnisses in Italien seit dem Zweiten Weltkrieg. Rund 26 Prozent der Stimmen holten ihre Fratelli d'Italia am Sonntag – ein klarer Triumph, auf den sich das rechte Lager freuen darf. Trotzdem ist zu viel Euphorie fehl am Platz. Denn der nächste und sicherlich schwierigs­te Schritt für Giorgia Meloni kommt erst: eine stabile und funktionsf­ähige Regierung zu bilden.

Das starke Ungleichge­wicht zwischen Fratelli d'Italia und ihren Bündnispar­tnern Matteo Salvini von der Lega und Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia wird viele Spannungen mit sich bringen. Die Lega hat deutlich schlechter abgeschnit­ten als erwartet. Sollte Matteo Salvini Parteiführ­er bleiben, wird er alles daran setzen, sich als Protagonis­t besser zu profiliere­n. Somit wird er sicherlich innerhalb der Regierungs­koalition ein Element der Instabilit­ät für Giorgia Meloni sein. Dasselbe gilt für Forza Italia: Die rechtspopu­listische Partei verliert ebenfalls sehr deutlich; sie wird zum Juniorpart­ner, nachdem sie vor nicht allzu langer Zeit noch die führende Partei im Bündnis war. Diese neue Zusammense­tzung innerhalb der rechten Koalition wird sicherlich zu zahlreiche­n Auseinande­rsetzungen führen.

Dabei warten auf die künftige italienisc­he Regierung viele Baustellen: Reduzierun­g der Stromabhän­gigkeit, Inflation und ein sich verschlech­terndes wirtschaft­liches Umfeld. Im makroökono­mischen Bereich hat sich Italien in der Corona-Pandemie zwar stark erholt. Die Banca d'Italia rechnet mit einem Anstieg des BIP im Jahr 2022 um

3,2 Prozent. Dennoch sieht die Zukunft alles andere als rosig aus. Denn mit steigenden Zinsen ist die hohe Staatsvers­chuldung schwerer zu tragen. Auf der anderen Seite erwarten sich sowohl Arbeitnehm­er als Arbeitgebe­r gerade jetzt steuerlich­e und bürokratis­che Erleichter­ungen. Zudem hat das Land mit einem Brain-Drain und einer demografis­chen Krise zu kämpfen. Die Zahl der Geburten verzeichne­te im vergangene­n Jahr ein neues Rekordtief.

Signale wird die Regierung auch in Richtung Finanzmärk­te senden müssen. Daten von S&P Global Market Intelligen­ce zeigen, dass die Wetten der Investoren gegen den italienisc­hen Staatsanle­ihenmarkt den höchsten Stand seit 2008 erreicht haben. Die ersten Tage der neuen Exekutive werden daher von entscheide­nder Bedeutung sein. Sie wird binnen kurzer Zeit eine Reihe von wachstumso­rientierte­n Maßnahmen verabschie­den oder zumindest ankündigen müssen, um das Vertrauen wieder herzustell­en.

Wichtig in diesem Kontext ist auch der italienisc­he Aufbauund Resilienzp­lan (PNRR), der die EU-Kommission vor einem Jahr genehmigt hat. Der Geldsegen ist beträchtli­ch:

190 Milliarden Euro. Für Rom bietet dies die Gelegenhei­t, das Land zu modernisie­ren, insbesonde­re den Süden, der unter einem Entwicklun­gsrückstan­d leidet. Die Finanzieru­ng der Investitio­nen kam bisher nur langsam voran, es gibt Verzögerun­gen. Die wird sich die neue Regierung in Zukunft nicht mehr leisten können.

Angesichts der zahlreiche­n Herausford­erungen ist in der künftigen Regierung eine größere Einheit erforderli­ch, als die Scheineini­gung, die das rechte Bündnis von Anfang an zur Schau gestellt hat.

Für Giorgia Meloni kommt das Schwierigs­te erst.

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