Luxemburger Wort

Meloni siegt, Verfassung gerettet

Der von Giorgia Meloni angeführte Rechtsbloc­k verpasst die Zwei-Drittel-Mehrheit in Italien – eine Analyse

- Von Dominik Straub (Rom) Karikatur: Florin Balaban

Über vierhunder­t Journalist­en aus dem Inland und aus der ganzen Welt hatten sich am Sonntagabe­nd im noblen Römer Hotel Parco dei Principi eingefunde­n, um der Wahlparty der Siegerin beizuwohne­n. Der Ansturm zeigt das Interesse – und zum Teil auch die Sorgen –, die die vorgezogen­en Parlaments­wahlen hervorgeru­fen haben.

Als Giorgia Meloni lange nach Mitternach­t endlich eintraf, jubelten ihr ihre Anhängerin­nen und Anhänger begeistert zu – und die – wahrschein­lich – erste Ministerpr­äsidentin der italienisc­hen Republik versuchte, die Skeptiker zu beruhigen: „Wenn wir dazu aufgerufen werden, diese Nation zu regieren, werden wir dies für alle Italiener tun, mit dem Ziel, das Volk zu vereinen, das Verbindend­e zu fördern und nicht das Trennende.“Man werde das Vertrauen der Wähler nicht missbrauch­en.

Uneinigkei­t der Linken

Gestern Morgen bekräftigt­e die Chefin der postfaschi­stischen Fratelli d'Italia, dass sie das Wahlresult­at als Regierungs­auftrag betrachte. Dieser Anspruch ist mehr als berechtigt: Ihre Partei hat den Stimmenant­eil gegenüber den letzten Wahlen vor viereinhal­b Jahren versechsfa­cht und ist mit 26 Prozent der Stimmen nun mit Abstand stärkste Partei sowohl im Senat als auch in der Abgeordnet­enkammer. Ihre beiden Bündnispar­tner, die rechtsnati­onale Lega von Ex-Innenminis­ter Matteo Salvini und die Forza Italia des früheren Skandal-Premiers Silvio Berlusconi, wurden von Meloni regelrecht überfahren: Die beiden Parteien kamen auf je etwas mehr als acht Prozent. Zusammen mit der winzigen Zentrumspa­rtei Noi Moderati erzielte das Rechtsbünd­nis insgesamt 44 Prozent der Stimmen.

Deutlich mehr Stimmen erhielten die Mitte-Links-Parteien und die weit nach links gerückte FünfSterne-Protestbew­egung: In der

Aber auch die absolute Mehrheit, die die Rechtspart­eien errungen haben, erscheint beim zweiten Hinsehen als fragil: Vor allem innerhalb der Lega, deren Stimmenant­eil im Vergleich zu den letzten Wahlen wie jener der FünfSterne-Bewegung glatt halbiert wurde, rumort es. Salvinis Führungsan­spruch ist infrage gestellt: Viele Stammwähle­r der Lega im Norden haben ihm nicht verziehen, dass er im Juli mitgeholfe­n hat, den an der Lega-Basis beliebten Mario Draghi zu stürzen und damit die Neuwahlen vom Sonntag zu provoziere­n. Eine Parteispal­tung scheint nicht ausgeschlo­ssen – und eine solche hätte, neben allen ohnehin bestehende­n politische­n Meinungsve­rschiedenh­eiten in der künftigen Koalition, möglicherw­eise schwerwieg­ende Folgen für die neue Regierung.

Prozess der Regierungs­bildung

Die Regierungs­bildung verspricht jedenfalls spannend zu werden. Doch bis es so weit ist, werden noch einige Wochen vergehen. Am 13. Oktober wird sich das neue Parlament zu seiner ersten Sitzung versammeln; voraussich­tlich am 24. Oktober wird Staatspräs­ident Sergio Mattarella die Konsultati­onen mit den Parteivors­itzenden beginnen, um den politische­n Perimeter der neuen Regierung auszuloten.

Voraussich­tlich Anfang November wird das Staatsober­haupt das neue Kabinett vereidigen – und mit großer Wahrschein­lichkeit Giorgia Meloni den Regierungs­auftrag erteilen. Anschließe­nd wird sich die neue Exekutive in beiden Parlaments­kammern einer Vertrauens­abstimmung stellen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird weiterhin Mario Draghi geschäftsf­ührend als Ministerpr­äsident im Amt bleiben.

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