Meloni siegt, Verfassung gerettet
Der von Giorgia Meloni angeführte Rechtsblock verpasst die Zwei-Drittel-Mehrheit in Italien – eine Analyse
Über vierhundert Journalisten aus dem Inland und aus der ganzen Welt hatten sich am Sonntagabend im noblen Römer Hotel Parco dei Principi eingefunden, um der Wahlparty der Siegerin beizuwohnen. Der Ansturm zeigt das Interesse – und zum Teil auch die Sorgen –, die die vorgezogenen Parlamentswahlen hervorgerufen haben.
Als Giorgia Meloni lange nach Mitternacht endlich eintraf, jubelten ihr ihre Anhängerinnen und Anhänger begeistert zu – und die – wahrscheinlich – erste Ministerpräsidentin der italienischen Republik versuchte, die Skeptiker zu beruhigen: „Wenn wir dazu aufgerufen werden, diese Nation zu regieren, werden wir dies für alle Italiener tun, mit dem Ziel, das Volk zu vereinen, das Verbindende zu fördern und nicht das Trennende.“Man werde das Vertrauen der Wähler nicht missbrauchen.
Uneinigkeit der Linken
Gestern Morgen bekräftigte die Chefin der postfaschistischen Fratelli d'Italia, dass sie das Wahlresultat als Regierungsauftrag betrachte. Dieser Anspruch ist mehr als berechtigt: Ihre Partei hat den Stimmenanteil gegenüber den letzten Wahlen vor viereinhalb Jahren versechsfacht und ist mit 26 Prozent der Stimmen nun mit Abstand stärkste Partei sowohl im Senat als auch in der Abgeordnetenkammer. Ihre beiden Bündnispartner, die rechtsnationale Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und die Forza Italia des früheren Skandal-Premiers Silvio Berlusconi, wurden von Meloni regelrecht überfahren: Die beiden Parteien kamen auf je etwas mehr als acht Prozent. Zusammen mit der winzigen Zentrumspartei Noi Moderati erzielte das Rechtsbündnis insgesamt 44 Prozent der Stimmen.
Deutlich mehr Stimmen erhielten die Mitte-Links-Parteien und die weit nach links gerückte FünfSterne-Protestbewegung: In der
Aber auch die absolute Mehrheit, die die Rechtsparteien errungen haben, erscheint beim zweiten Hinsehen als fragil: Vor allem innerhalb der Lega, deren Stimmenanteil im Vergleich zu den letzten Wahlen wie jener der FünfSterne-Bewegung glatt halbiert wurde, rumort es. Salvinis Führungsanspruch ist infrage gestellt: Viele Stammwähler der Lega im Norden haben ihm nicht verziehen, dass er im Juli mitgeholfen hat, den an der Lega-Basis beliebten Mario Draghi zu stürzen und damit die Neuwahlen vom Sonntag zu provozieren. Eine Parteispaltung scheint nicht ausgeschlossen – und eine solche hätte, neben allen ohnehin bestehenden politischen Meinungsverschiedenheiten in der künftigen Koalition, möglicherweise schwerwiegende Folgen für die neue Regierung.
Prozess der Regierungsbildung
Die Regierungsbildung verspricht jedenfalls spannend zu werden. Doch bis es so weit ist, werden noch einige Wochen vergehen. Am 13. Oktober wird sich das neue Parlament zu seiner ersten Sitzung versammeln; voraussichtlich am 24. Oktober wird Staatspräsident Sergio Mattarella die Konsultationen mit den Parteivorsitzenden beginnen, um den politischen Perimeter der neuen Regierung auszuloten.
Voraussichtlich Anfang November wird das Staatsoberhaupt das neue Kabinett vereidigen – und mit großer Wahrscheinlichkeit Giorgia Meloni den Regierungsauftrag erteilen. Anschließend wird sich die neue Exekutive in beiden Parlamentskammern einer Vertrauensabstimmung stellen. Bis zu diesem Zeitpunkt wird weiterhin Mario Draghi geschäftsführend als Ministerpräsident im Amt bleiben.