Zurück in die Vergangenheit
Das von Giorgia Meloni angeführte Rechtsbündnis holt nach den jüngsten Hochrechnungen eine klare Mehrheit im Parlament. Damit wird Meloni wohl neue italienische Ministerpräsidentin, die erste Frau in diesem Amt. Doch was erst einmal wie ein Sieg für die Gleichberechtigung und einen Aufbruch in die Zukunft klingt, ist in Wahrheit ein Rückschritt – ein Zurück in die Vergangenheit.
Denn Meloni und ihre Fratelli d'Italia stehen für ein antiquiertes, patriarchalisches Gesellschaftsund Politikmodell, in dem Frauen lieber zu Hause bleiben und sich nur um Kind und Küche kümmern sollen. Andere Modelle des Zusammenlebens schließt die Partei aus. Mit Meloni an der Spitze wird Italien eine
Rücknahme der sozialen Errungenschaften für Frauen wie etwa dem Recht auf Abtreibung, Kürzungen bei der Sozialhilfe für die Schwächsten und eine sehr restriktive Politik gegen Einwanderung erleben.
Der Grund hierfür ist eine zweite Premiere: Der Wahlsieg der Fratelli d'Italia ist nämlich ebenfalls der erste Wahlsieg einer rechtsextremen, postfaschistischen Partei nach dem Zweiten Weltkrieg, die im Dunstkreis von Mussolini-Anhängern entstanden ist und sich von dessen faschistischem Erbe nie ganz losgesagt hat. Ein trauriger Beleg dafür, dass Italien seine Vergangenheit und Verantwortung nicht wirklich aufgearbeitet hat. Ein Aufbruch in die Zukunft sieht jedenfalls anders aus.
Summe kamen sie auf 53 Prozent. Weil sich der sozialdemokratische PD, die Fünf-Sterne-Bewegung und die neue Mitte-Formation Azione+IV aber – im Unterschied zur Rechten – nicht auf eine gemeinsame Plattform einigen konnten, hatten sie wegen des Wahlrechts, das Wahlbündnisse prämiert, das Nachsehen. Am besten schnitt der PD ab, der mit knapp 19 Prozent aber sein schlechtestes Wahlresultat seit seiner Gründung einfuhr. Die etwas vorschnell totgesagte Fünf-Sterne-Bewegung hielt sich mit 15,5 Prozent tapfer, verlor aber gegenüber den Parlamentswahlen 2018 mehr als die Hälfte ihrer Wähler. Azione+IV blieb mit 7,7 Prozent ebenfalls hinter den eigenen Erwartungen zurück.
Vorerst keine Verfassungsänderung Was im Jubel der Meloni-Anhänger und im Katzenjammer der Linken beinahe unterging: Die Rechtsallianz aus Fratelli d'Italia, Lega und Forza Italia wird im neuen Parlament zwar in beiden Kammern über die absolute Mehrheit verfügen – aber die angestrebte Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt. Das ist von großer Bedeutung, denn damit kann die neue Regierungskoalition nicht aus eigener Kraft die Verfassung ändern. Doch genau dies war das erklärte Ziel Melonis: Sie wollte ein Präsidialsystem mit einem vom Volk direkt gewählten Staatsoberhaupt einführen, bei gleichzeitiger Beschränkung der Macht des Parlamentes.
Die Väter der heutigen Verfassung von 1948 wollten – nach Krieg und Mussolini-Diktatur – genau das verhindern: Dass wieder ein Einzelner die Macht an sich reißen und das Parlament aushebeln kann. Deshalb haben sie sich für die parlamentarische Demokratie mit ihren ausgeprägten „checks and balances“entschieden. Die von Meloni angestrebte Einführung eines Präsidialsystems war im Vorfeld der Wahlen die größte Sorge der Mitte-Links-Parteien gewesen – doch die Verfassungsänderung ist nun vom Tisch.