Edward Snowden, der neue Russe
Auf den NSA-Whistleblower wartet in den USA eine Anklage wegen Verletzung des Spionagegesetzes
Vor neun Jahren landete Snowden auf der Flucht vor den US-Behörden auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Eigentlich wollte der in Hawaii gestartete Whistleblower Asyl in Südamerika beantragen. Dank des umgehend für ungültig erklärten US-Reisepasses strandete er aber in Hongkong, bevor er nach Russland weiterreiste. Dort fand Snowden nach 40 Tagen im Transitbereich eine Bleibe, die ihn vor dem Zugriff der US-Justiz schützt.
In einem Interview für ein israelisches Publikum stellte er seinen Asylort einmal als nebensächlich dar. „Ich muss meinen Kopf in der Nacht auf einem Kopfkissen in Moskau niederlegen, aber ich bin im Internet und jeder anderen Stadt der Welt zu Hause.“Das war ein Jahr, nachdem er 2017 Lindsay Mills geheiratet hatte, die mit ihm und zwei gemeinsamen Söhnen in der russischen Hauptstadt lebt.
Seit diesem Montag ist Snowden nun russischer Staatsbürger. „Nach zwei Jahren des Wartens und fast zehn Jahren im Exil, macht ein wenig Stabilität einen Unterschied
für meine Familie“, zeigte sich der 39-Jährige dankbar für den von Präsident Wladimir Putin gewährten Status. Er bete für die Wahrung der Privatsphäre seiner Familie, „und für uns alle“.
Trotz der strengen Gesetze in Russland durfte Snowden seine amerikanische Staatsbürgerschaft behalten und ist jetzt Doppelstaatsbürger. Bei der Beantragung vor zwei Jahren hatte der Whistleblower erklärt, er freue sich auf den Tag, an dem er in die USA zurückkehren könne.
Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, erklärte zu der Nachricht aus Moskau, der Weg zurück in die Heimat stünde ihm jederzeit offen. „Herr Snowden sollte in die Vereinigten Staaten zurückkehren und sich der Justiz stellen.“
Dort erwartet ihn eine Anklage wegen Geheimnisverrats aus seiner Zeit als Mitarbeiter für den elektronischen Abhördienst NSA. Snowden hatte unter anderen Dokumente über die Existenz verschiedener Überwachungsprogramme an die „Washington Post“und den „Guardian“weitergegeben, die offenlegten, wie die NSA Informationen über amerikanische Staatsbürger sammelte. 2020 stellte ein Bundesgericht in dem Fall „United States vs. Moalin“fest, dass diese Programme illegal waren und vermutlich auch gegen die Verfassung verstießen.
Während Bürgerrechtler ihn für diese Enthüllungen als Helden feierten, halten ihn nationale Sicherheitsexperten wie der ehemalige CIA-Direktor James Clapper für einen Verräter. Sie werfen ihm vor, fahrlässig und unnötig Methoden der Auslandsaufklärung publik gemacht zu haben. „Das hatte nichts mit Inlandsüberwachung zu tun.“In der NSA-Affäre kam es zu Verwerfungen mit Alliierten in Europa.
In einer Dokumentation des Regisseurs Oliver Stone lobt Putin seinen amerikanischen Gast als ehrwürdigen Mann. „Er ist kein Verräter.“
Nicht für Geheimdienst tätig
Die geteilte Meinung über Snowden spiegelt sich in seinem weiteren Lebensweg wider. Der Exilant führt aus der Ferne die gemeinnützige Freedom of the Press Foundation in San Francisco, während er in Moskau sein Geld als Mitarbeiter einer nicht näher bekannten IT-Firma verdient. Snowden bestreitet vehement den Verdacht, mit oder für die russischen Geheimdienste zu arbeiten.
Clapper kommentierte die Verleihung der Staatsbürgerschaft für Snowden durch Putin mit Häme. „Was für eine tolle Zeit, russischer Staatsbürger zu werden“, meint er unter Hinweis auf die Teilmobilisierung in Russland. Snowdens Anwalt Anatoly Kucherena sagt, es bestünde keine Gefahr für seinen Mandanten an die Front gerufen zu werden, da er kein Reservist sei. Er erwarte vielmehr, dass nun auch Ehefrau Lindsay die doppelte Staatsbürgerschaft gewährt bekomme.