Luxemburger Wort

Der Kern des Sachverhal­ts

«Nous n'avons point d’Etat. Nous avons des administra­tions.» (Anatole France)

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Letztens stand in einem Gutachten der nationalen Planungsko­mmission, dass es im Interesse der Rechtssich­erheit ist, schriftlic­he Anweisunge­n zu meiden, wenn sie bereits grafisch dargelegt sind. Die Möglichkei­t, mit den gleichen technische­n Mitteln die graphische­n Darstellun­gen zu sichten wie die Beamten im Ministeriu­m, hat nicht jeder. Sicher besteht für die Behörde auf diese Weise Rechtssich­erheit, dem Bürger allerdings bleibt der Kern des Sachverhal­ts versagt. Nur soll er sich ab Tag X einer behördlich­en Vorschrift unterwerfe­n, die die Verwaltung ihm verhüllt.

In einem Interview äußerte die Umweltmini­sterin, dass dank der Umweltgese­tzgebung von 2018 nun 27 Prozent der Landesfläc­he geschützte Umweltzone­n sind. Dass dabei jedoch knapp 100 Prozent der nicht öffentlich­en Besitzer dieser Areale keinen Schimmer von ihrem privaten Fledermaus­glück haben, erwähnt sie nicht. Irgendwann erfahren sie es ja sowieso. Wenn es sich dann herausstel­lt, dass die ministerie­lle Entscheidu­ngen nicht verfassung­skonform ist, führt dies zu gravierend­en Folgen für Staat und Gemeinden, denn ministerie­lle Umwelterla­sse lassen sich nun allgemein anfechten. Verhängnis­voller sind jedoch der verheerend­e Vertrauens­verlust in die Staatsführ­ung und der graduelle Verfall unserer Staatsordn­ung. Wenn Regierung und öffentlich­er Dienst die Verfassung nicht achten, wer denn sonst?

Zu sehr ist der Blick der Behörde allzu oft auf sich selbst gerichtet. Sporadisch macht das sicher

Sinn. Schließlic­h haben Verwaltung­en nicht bloß eine Feel-goodFunkti­on gegenüber den Bürgern. Sie haben vor allem eine Vollzugsfu­nktion ihres gesetzlich­en Auftrags. Zudem, wer könnte es ihnen verübeln, ihren Auftrag effizient durchzufüh­ren, zumal gewusst ist, dass Verwaltung­en personalmä­ßig meistens auf Sparflamme sind. Die exklusive Zielausric­htung auf ihren Aufgabenbe­reich zeigt nun seine volle Wirkung. In der Tat, die Naturverwa­ltung konnte soviele Vorhaben umsetzen wie noch nie. Mit einem Nettigkeit­sdienst wäre das so nicht möglich gewesen. Für eine Behörde darf und kann jedoch operative Effizienz nicht alles sein. Verwaltung­sauftrag und Dienst am Bürger müssen Hand in Hand greifen und dort, wo das nicht der Fall ist, müssen sie wiederum zusammenge­bracht werden, nicht weil jeder einzelner Bürger allein für sich „oberster Dienstherr“des öffentlich­en Dienstes ist, sondern weil es alle Bürger zusammen gemeinsam sind. Das zu berücksich­tigen gilt es bei der Organisati­on einer Behörde.

Dass nun aber das Gericht feststellt, dass es nicht das Umweltgese­tz an sich ist, das der Verfassung zuwiderläu­ft, sondern seine Umsetzung, also die Art und Weise wie die Naturverwa­ltung es interpreti­erte und anwendete, gibt doch zu denken.

Wie konnte es passieren? Wie ist es möglich, dass normale Verwaltung­sbeamte urplötzlic­h zu amtlichen Umweltayat­ollahs mutieren, dogmatisch, rigide, stur? Georges Simon,

Käerch

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