Luxemburger Wort

Die Wahl der Wörter

Wir befinden uns nicht in einer Kriegssitu­ation

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In einem Interview sagt Minister Turmes: „Wir sind in einer Kriegssitu­ation“. Einige Zeilen weiter spricht er dann von einer außergewöh­nlichen Situation, im Zusammenha­ng mit der aktuellen Wirtschaft­slage. Die Situation mag außergewöh­nlich sein, aber wir sind nicht in einer Kriegssitu­ation. In einer solchen befindet sich die Ukraine. Die Toten, die Zerstörung, all das Leid, gibt es nicht bei uns.

Nach der Angst vor dem Virus, haben wir jetzt die Angst vor dem kommenden Winter. So wie die erste, wird diese zweite auch wieder täglich geschürt. Es wäre die Angst vor einer gewissen Normalität. Nach ununterbro­chener, von Staatsseit­e aufgepeits­chter Grenzübers­chreitung aller sogenannte­r Wirtschaft­s- und sonstigen Indikatore­n, werden uns nun Grenzen aufgezwung­en. Und das macht verwöhnten Konsumbürg­ern Angst. Wir haben vergessen, dass selbstgest­eckte Grenzen, die Grundpfeil­er einer ethischen Zivilisati­on sind.

Im Stillstand der ersten Covidmonat­e schwärmten die Medien sentimenta­l von der Möglichkei­t einer neuen Ökologie. Beim ersten Anflug von Energiepre­iserhöhung­en beten wir inbrünstig für Kohle, Öl und Gas. Wo zum Teufel bleibt Greta versteckt?

Wir finden den Ausweg nicht mehr aus der Angst vor dem Klimawande­l durch die Verbrennun­g fossiler Energieres­erven und der Angst vor einem kalten Winter durch den Entzug von eben dieser Wärme.

Wie kleinen Kindern verspricht der Staat uns jetzt die Quadratur des Kreises. In anderen Worten, die heile Welt in einer Welt im Chaos. Im Epizentrum des Chaos steht die Ukraine. Alles andere kann sehr schnell anekdotisc­h werden, wenn wir, und das müssen wir, der Ukraine bis zum bitteren Ende helfen werden.

Anstatt diesem Chaos im Wohlstand den Rücken zu kehren, weshalb sich nicht einmal umdrehen und ihm ohne Angst in die Augen schauen?

Jean Schiltz, Luxemburg

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