Opposition: „Wer soll das bezahlen?“
Parlament debattiert über Tripartite-Abkommen
Im Anschluss an die Deklaration von Premier Xavier Bettel (DP) über den 1,1 Milliarden teuren Solidaritéitspak bezogen gestern die Vertreter der einzelnen Parteien Stellung.
Die CSV unterstützt das Abkommen, „weil wir zum Sozialmodell und zum Index stehen“, so CSV-Co-Fraktionschef Gilles Roth, der es sich nicht nehmen ließ, darauf hinzuweisen, dass seine Partei einzelne Maßnahmen schon früher gefordert hatte, etwa die Senkung der TVA auf Energieprodukten oder die Energiepreisbremse. Zwar fehle es an sozialer Selektivität. Wichtiger aber sei, in der Not schnell zu handeln.
Allerdings habe es die Regierung verpasst, in guten Zeiten Rücklagen zu bilden und die Steuertabelle an die Inflation anzupassen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres seien die Lohnsteuereinnahmen um 495 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, rechnete Roth vor. „Damit haben die Menschen die Hälfte der Kosten der Tripartite-Maßnahmen bereits vorfinanziert.“Die CSV forderte zusätzlich zu den Maßnahmen eine steuerliche Entlastung der Privathaushalte.
Nicht sozial gestaffelt
Die linke Abgeordnete Myriam Cecchetti ärgerte sich, dass die Abgeordneten kaum Zeit hatten, den Inhalt des Abkommens zu analysieren. Eine kritische und seriöse Diskussion sei so nicht möglich. Dennoch bewertete die Oppositionspolitikerin das Abkommen positiv, zumal der Index unangetastet geblieben ist. Cecchetti bemängelte allerdings, dass die Energiepreisdeckelung nicht sozial gestaffelt ist. Déi Lénk hätten es vorgezogen, den Grundverbrauch preislich zu deckeln, und für den restlichen Verbrauch einen gestaffelten Preis einzuführen. Die Maßnahmen über neue Schulden zu finanzieren, lehnen Déi Lénk ab. Stattdessen schlagen sie eine Krisensteuer auf hohen Einkommen und Betriebsgewinnen vor.
ADR-Parteipräsident Fernand Kartheiser konnte dem Abkommen
ebenfalls positive Aspekte abgewinnen, kritisierte aber, dass der Mittelstand nicht berücksichtigt werde. Auch frage sich die ADR, was die marginale Reduzierung der Mehrwertsteuer bringen solle. „Da hätten wir uns mutigere Schritte erwartet“, so Kartheiser, der zudem auf eine Anpassung der Steuertabelle pochte und sich vehement gegen das Überschreiten der Schuldenquote von 30 Prozent aussprach. Wichtig für die ADR wäre es zudem, die Sanktionspolitik gegen Russland zu beenden, die letztlich die Inflation mit getrieben hätte.
Sven Clement (Piratepartei) bemängelte, dass die Chamber erneut von den Diskussionen ausgeschlossen blieb und alles aus zweiter Hand erfahren musste. „Wieder eine Katze im Sack“, urteilte er und befürchtete, dass die Rechnung am Ende nicht aufgehe. Die Preisdeckelung bewerten die Piraten zwar als effiziente Lösung, bezweifeln aber, dass man die Bürger so vom Energiesparen überzeugen könne. Auch die soziale Selektivität fehle, stattdessen sei mit der Gießkanne vorgegangen worden. Komplett versäumt worden seien zudem Maßnahmen im Logement. „Dieses Abkommen ist wichtig, es ist aber auch ein Abkommen verpasster Chancen“, so sein Fazit. Im Endeffekt finanziere der Steuerzahler alle Maßnahmen selbst, das Geld wandere demnach von der linken in die rechte Tasche.
„Das Abkommen sichert den sozialen Frieden in diesem Land“, betonte DP-Fraktionschef Gilles Baum. Der Regierung sei es gelungen, unter den aktuell schwierigen Bedingungen ein Abkommen auszuhandeln, „das die Inflation bekämpft und die Menschen gut durch die nächsten Monate bringt“– ohne die Zukunft der kommenden Generationen aufs Spiel zu setzen. Des Weiteren sehe das Paket eine Vielzahl an Maßnahmen im Bereich der energetischen Transition vor. Die Energiekrise sei zugleich eine Chance, um die Energiewende voranzutreiben.
Ruf nach Steuerreform
Das sah die grüne Fraktionschefin Josée Lorsché ganz ähnlich. Mit seinen Maßnahmen (Erhöhung des Klimabonus, Subventionen für energetische Sanierungen und Solaranlagen usw.) lege das Abkommen den Grundstein, um die Energiewende noch schneller umzusetzen als in der Vergangenheit.
Für die Grünen ist darüber hinaus wichtig, dass die Maßnahmen schnell greifen und leicht umzusetzen sind. „Die Menschen brauchen die Unterstützung jetzt und nicht erst in ein paar Monaten“, sagte Lorsché. Den Vorwurf, es gebe keinen Anreiz zum Energiesparen, ließ sie nicht gelten. Die Energiepreise seien viel höher als noch vor einem Jahr. Zum anderen sei den Menschen die instabile Lage in Bezug auf die Energieversorgung bewusst.
Der LSAP-Fraktionsvorsitzende Yves Cruchten hob die Geschlossenheit der Gewerkschaften hervor, die gerade in schweren Zeiten wichtig sei. Auch für die LSAP sei der Index das Instrument „par excellence“, um den sozialen Frieden zu garantieren. Ausnahmen dürften nicht zur Regel werden.
Es sei an der Politik, dafür zu sorgen, dass die Bürger nicht durch den Kaufkraftverlust in die Armut getrieben werden und die Betriebe wettbewerbsfähig bleiben. „Dieses Abkommen dreht an den richtigen Schrauben, um das zu ermöglichen“, zeigte sich Cruchten überzeugt, bedauerte aber, dass gerade im Sinne einer größeren Selektivität nicht auch eine Steuerreform auf den Weg gebracht wurde. „Wenn sich die Zahlen zu den Staatsfinanzen, die die Finanzministerin diese Woche vorgestellt hat, in den nächsten Monaten bestätigen, kommt keine Regierung mehr daran vorbei, eine Steuerreform zu machen“, so Cruchten.
Die Menschen haben die Hälfte der Kosten der TripartiteMaßnahmen bereits vorfinanziert. Gilles Roth, CSV