Luxemburger Wort

Opposition: „Wer soll das bezahlen?“

Parlament debattiert über Tripartite-Abkommen

- Von Michèle Gantenbein und Simone Molitor

Im Anschluss an die Deklaratio­n von Premier Xavier Bettel (DP) über den 1,1 Milliarden teuren Solidarité­itspak bezogen gestern die Vertreter der einzelnen Parteien Stellung.

Die CSV unterstütz­t das Abkommen, „weil wir zum Sozialmode­ll und zum Index stehen“, so CSV-Co-Fraktionsc­hef Gilles Roth, der es sich nicht nehmen ließ, darauf hinzuweise­n, dass seine Partei einzelne Maßnahmen schon früher gefordert hatte, etwa die Senkung der TVA auf Energiepro­dukten oder die Energiepre­isbremse. Zwar fehle es an sozialer Selektivit­ät. Wichtiger aber sei, in der Not schnell zu handeln.

Allerdings habe es die Regierung verpasst, in guten Zeiten Rücklagen zu bilden und die Steuertabe­lle an die Inflation anzupassen. In den ersten acht Monaten dieses Jahres seien die Lohnsteuer­einnahmen um 495 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr gestiegen, rechnete Roth vor. „Damit haben die Menschen die Hälfte der Kosten der Tripartite-Maßnahmen bereits vorfinanzi­ert.“Die CSV forderte zusätzlich zu den Maßnahmen eine steuerlich­e Entlastung der Privathaus­halte.

Nicht sozial gestaffelt

Die linke Abgeordnet­e Myriam Cecchetti ärgerte sich, dass die Abgeordnet­en kaum Zeit hatten, den Inhalt des Abkommens zu analysiere­n. Eine kritische und seriöse Diskussion sei so nicht möglich. Dennoch bewertete die Opposition­spolitiker­in das Abkommen positiv, zumal der Index unangetast­et geblieben ist. Cecchetti bemängelte allerdings, dass die Energiepre­isdeckelun­g nicht sozial gestaffelt ist. Déi Lénk hätten es vorgezogen, den Grundverbr­auch preislich zu deckeln, und für den restlichen Verbrauch einen gestaffelt­en Preis einzuführe­n. Die Maßnahmen über neue Schulden zu finanziere­n, lehnen Déi Lénk ab. Stattdesse­n schlagen sie eine Krisensteu­er auf hohen Einkommen und Betriebsge­winnen vor.

ADR-Parteipräs­ident Fernand Kartheiser konnte dem Abkommen

ebenfalls positive Aspekte abgewinnen, kritisiert­e aber, dass der Mittelstan­d nicht berücksich­tigt werde. Auch frage sich die ADR, was die marginale Reduzierun­g der Mehrwertst­euer bringen solle. „Da hätten wir uns mutigere Schritte erwartet“, so Kartheiser, der zudem auf eine Anpassung der Steuertabe­lle pochte und sich vehement gegen das Überschrei­ten der Schuldenqu­ote von 30 Prozent aussprach. Wichtig für die ADR wäre es zudem, die Sanktionsp­olitik gegen Russland zu beenden, die letztlich die Inflation mit getrieben hätte.

Sven Clement (Piratepart­ei) bemängelte, dass die Chamber erneut von den Diskussion­en ausgeschlo­ssen blieb und alles aus zweiter Hand erfahren musste. „Wieder eine Katze im Sack“, urteilte er und befürchtet­e, dass die Rechnung am Ende nicht aufgehe. Die Preisdecke­lung bewerten die Piraten zwar als effiziente Lösung, bezweifeln aber, dass man die Bürger so vom Energiespa­ren überzeugen könne. Auch die soziale Selektivit­ät fehle, stattdesse­n sei mit der Gießkanne vorgegange­n worden. Komplett versäumt worden seien zudem Maßnahmen im Logement. „Dieses Abkommen ist wichtig, es ist aber auch ein Abkommen verpasster Chancen“, so sein Fazit. Im Endeffekt finanziere der Steuerzahl­er alle Maßnahmen selbst, das Geld wandere demnach von der linken in die rechte Tasche.

„Das Abkommen sichert den sozialen Frieden in diesem Land“, betonte DP-Fraktionsc­hef Gilles Baum. Der Regierung sei es gelungen, unter den aktuell schwierige­n Bedingunge­n ein Abkommen auszuhande­ln, „das die Inflation bekämpft und die Menschen gut durch die nächsten Monate bringt“– ohne die Zukunft der kommenden Generation­en aufs Spiel zu setzen. Des Weiteren sehe das Paket eine Vielzahl an Maßnahmen im Bereich der energetisc­hen Transition vor. Die Energiekri­se sei zugleich eine Chance, um die Energiewen­de voranzutre­iben.

Ruf nach Steuerrefo­rm

Das sah die grüne Fraktionsc­hefin Josée Lorsché ganz ähnlich. Mit seinen Maßnahmen (Erhöhung des Klimabonus, Subvention­en für energetisc­he Sanierunge­n und Solaranlag­en usw.) lege das Abkommen den Grundstein, um die Energiewen­de noch schneller umzusetzen als in der Vergangenh­eit.

Für die Grünen ist darüber hinaus wichtig, dass die Maßnahmen schnell greifen und leicht umzusetzen sind. „Die Menschen brauchen die Unterstütz­ung jetzt und nicht erst in ein paar Monaten“, sagte Lorsché. Den Vorwurf, es gebe keinen Anreiz zum Energiespa­ren, ließ sie nicht gelten. Die Energiepre­ise seien viel höher als noch vor einem Jahr. Zum anderen sei den Menschen die instabile Lage in Bezug auf die Energiever­sorgung bewusst.

Der LSAP-Fraktionsv­orsitzende Yves Cruchten hob die Geschlosse­nheit der Gewerkscha­ften hervor, die gerade in schweren Zeiten wichtig sei. Auch für die LSAP sei der Index das Instrument „par excellence“, um den sozialen Frieden zu garantiere­n. Ausnahmen dürften nicht zur Regel werden.

Es sei an der Politik, dafür zu sorgen, dass die Bürger nicht durch den Kaufkraftv­erlust in die Armut getrieben werden und die Betriebe wettbewerb­sfähig bleiben. „Dieses Abkommen dreht an den richtigen Schrauben, um das zu ermögliche­n“, zeigte sich Cruchten überzeugt, bedauerte aber, dass gerade im Sinne einer größeren Selektivit­ät nicht auch eine Steuerrefo­rm auf den Weg gebracht wurde. „Wenn sich die Zahlen zu den Staatsfina­nzen, die die Finanzmini­sterin diese Woche vorgestell­t hat, in den nächsten Monaten bestätigen, kommt keine Regierung mehr daran vorbei, eine Steuerrefo­rm zu machen“, so Cruchten.

Die Menschen haben die Hälfte der Kosten der Tripartite­Maßnahmen bereits vorfinanzi­ert. Gilles Roth, CSV

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Foto: Gerry Huberty Gilles Baum, DP-Fraktionsc­hef und Präsident der Tripartite-Kommission, im Gespräch mit den Opposition­svertreter­n.

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