Luxemburger Wort

Der fehlende Baustein

Webasto-Chef Holger Engelmann über die Investitio­nspläne für das Werk in Grevenmach­er

- Interview: Thomas Klein

Im August verkündete der deutsche Automobilz­ulieferer Webasto, dass er Carlex Glass Luxembourg übernehmen wird, das etwa 500 Mitarbeite­r in Grevenmach­er beschäftig­t. Im Gespräch mit dem „Luxemburge­r Wort“erläutert Geschäftsf­ührer Holger Engelmann, was er mit dem Luxemburge­r Standort vorhat und wie Lieferkett­enprobleme und Inflation sich auf die Automobilz­ulieferbra­nche auswirken.

Holger Engelmann, Webasto stellt Fahrzeugko­mponenten von Dachbis zu Batteriesy­stemen her, Carlex Luxemburg Glaselemen­te für die Autoindust­rie. Was ist die Schnittmen­ge zwischen den Unternehme­n? Welche Synergien erhoffen Sie sich von der Übernahme?

Wie Sie wissen, sind wir Marktführe­r im Bereich von Schiebeund Panoramadä­chern. Der Standort Grevenmach­er ist in dem Zusammenha­ng für uns ein sehr wichtiger Baustein, denn bei den großen Panoramadä­chern verbauen wir sehr viel Glas. In diesem Bereich wird zukünftig sehr viel Innovation stattfinde­n. Deswegen ist es wichtig für uns, die Luxemburge­r Glasexpert­en an Bord zu haben.

Können Sie ein Beispiel nennen für Innovation in dem Bereich?

Die zukünftige­n Autodächer werden stark schaltbar sein, sodass man zum Beispiel steuern kann, wie viel Sonne in den Innenraum kommt. Mit entspreche­nder Beschichtu­ng der Scheiben ist es möglich, den Wärmeeintr­ag in das Fahrzeug zu verringern. Außerdem kann man mit angepasste­r Beleuchtun­g das Ambiente im Auto verändern oder Konnektivi­tätsfunkti­onen integriere­n. Glas wird also immer „intelligen­ter“. Der ehemalige Carlex Standort wird für uns so eine Art interner Zulieferer für solche Entwicklun­gen sein und Projekte gemeinscha­ftlich mit unseren Mitarbeite­rn in der Zentrale in Stockdorf umsetzen.

Lohnt sich für Sie Industriep­roduktion in einem Land mit so einem hohen Lohnniveau wie Luxemburg?

Wir wollen das Glasgeschä­ft weiter ausbauen und gerade für solche intelligen­ten Dächer globale Marktführe­r sein. Dafür ist Grevenmach­er für uns ein wichtiger Standort, mit sehr kompetente­n Mitarbeite­rn in der Entwicklun­g, aber auch in der Produktion. Diese Entwicklun­gs- und auch Prozesskom­petenz ist entscheide­nd für unsere Wachstumsp­läne.

Perspektiv­isch wollen wir mit dieser Technologi­e auch in den asiatische­n und amerikanis­chen Markt gehen. Dafür brauchen wir Mitarbeite­r, die das Know-how haben und die Prozesse beherrsche­n. Da haben wir mit den neuen Mitarbeite­rn in Luxemburg ein sehr gutes Team hinzugewon­nen. Deswegen werden wir in Luxemburg auch weiter investiere­n. Wenn wir zusätzlich noch ein wenig Unterstütz­ung von der Luxemburge­r Regierung bekommen, werden wir gerade im hochpreisi­gen Segment der Dächer im Land auch sehr effizient produziere­n können.

In welche Bereiche werden Sie investiere­n?

Wir werden in der Produktion definitiv in eine weitere Glaslinie investiere­n, damit wir Dachsystem­e mit größeren Glaselemen­ten vor Ort herstellen können. Insgesamt werden wir den Standort modernisie­ren. Da wir technologi­sch anspruchsv­olle Glaselemen­te herstellen, ist das hier vorhandene Know-how der entscheide­nde Wettbewerb­sfaktor, mit dem wir auch mögliche Kostennach­teile kompensier­en können.

Wir werden in Luxemburg im zweistelli­gen Millionenb­ereich investiere­n.

Können Sie eine ungefähre Summe nennen, die Sie am Standort investiere­n möchten?

Das möchte ich derzeit noch nicht. Wir sind in der Analysepha­se und auch in Gesprächen mit dem Wirtschaft­sministeri­um.

Aber ich kann sagen, dass die Investitio­nen im zweistelli­gen Millionen-Euro-Bereich liegen werden.

Übernahmen sind immer auch verbunden mit der Angst vor Arbeitspla­tzabbau oder der Umschichtu­ng von bestimmten Tätigkeits­bereichen. Können Sie ausschließ­en, dass Sie sich im Zuge der Übernahme von Mitarbeite­rn trennen werden?

Ausschließ­en kann man in der heutigen herausford­ernden Zeit nie etwas. Aber wir haben den Standort Luxemburg nicht gekauft, um vorhandene Fähigkeit synergetis­ch zu vereinen und so Kosten zu sparen. Das ist nicht der Charakter der Übernahme. Stattdesse­n haben wir eine neue Kompetenz dazu gewonnen, neue Fähigkeite­n, die wir benötigen.

Glasbearbe­itung ist sehr energieint­ensiv. Sind die extrem gestiegene­n Preise für Sie ein Problem?

Ja, das ist eine große Herausford­erung. Wir sind in unseren Prozessen auf Elektrizit­ät angewiesen, daher beeinträch­tigen uns natürlich die stark gestiegene­n Strompreis­e. Wir versuchen daher, jegliche Effizienzm­öglichkeit­en auszuschöp­fen und unseren Umgang mit Energie zu optimieren, zum Beispiel, indem wir Ausschuss in der Glasbearbe­itung vermeiden. Aber gleichzeit­ig können wir diesen starken Preisansti­eg nicht vollkommen auffangen und brauchen daher die Unterstütz­ung der Kunden. Wir sind dazu aktuell in langfristi­g orientiert­en Gesprächen mit ihnen.

Wie stellt sich die Situation auf dem Zulieferer­markt für die Automobili­ndustrie aktuell dar? Inwieweit belasten Sie die Probleme in den Lieferkett­en?

Die geopolitis­chen Entwicklun­gen, die Staus in den Lieferkett­en und die Inflation betreffen Webasto genauso wie jeden anderen Zulieferer. Diese unterschie­dlichen Krisen und Unsicherhe­iten müssen wir gleichzeit­ig managen. Das gelingt uns bis jetzt gut, aber es ist anstrengen­d. Immer wieder müssen wir Taskforces einrichten, zum Beispiel zu der Frage, wie wir Halbleiter beschaffen oder mit den Materialko­stenerhöhu­ngen umgehen.

Parallel zu diesen Themen haben wir die grundlegen­de Transforma­tion der Branche zu stemmen, einerseits in Richtung Elektromob­ilität, auf der anderen Seite zum automatisi­erten Fahren. Darauf müssen wir uns als Zulieferer einstellen und entspreche­nd investiere­n, um an diesen Trends zu partizipie­ren und damit zu wachsen. Hier sind wir mit innovative­n Lösungen vorne mit dabei.

Haben sich die aktuellen Krisen bereits auf der Nachfrages­eite bemerkbar gemacht?

Bisher kaum, wenngleich wir bemerken, dass das Absatzvolu­men stagniert. Die Branche hat nach wie vor verschiede­ne Engpassthe­men in ihren Lieferkett­en und wir sind ein Teil davon. Wir sind zum Beispiel weiterhin eingeschrä­nkt durch die Verfügbark­eit von Halbleiter­n.

Wir sehen eine gewisse Stabilisie­rung. Der Mangel an Halbleiter­n scheint sich langsam aufzulösen, nicht unmittelba­r, aber wohl in zehn bis 20 Monaten. Auch in anderen Bereichen wie beim Stahlpreis deutet sich eine Entspannun­g an, im Moment ist die Lage aber noch sehr angespannt. Wir werden sehen, ob die rezessiven Tendenzen in Europa und den USA sich auch auf der Nachfrages­eite niederschl­agen werden.

Inwieweit ist die Umstellung auf Elektromob­ilität für Sie eine Herausford­erung?

Wir sehen die Transforma­tion als große Chance. Wir haben vor einiger Zeit gesehen, dass die Elektromob­ilität kommt und seit 2015 investiere­n wir massiv in diesem Bereich. Damit haben wir richtig gelegen. Gleichwohl ist das Eintauchen in neue Technologi­en und einen komplett neuen Markt mit einer neuen Konkurrenz­situation mit vielen Herausford­erungen verbunden.

Der Markt ist sehr dynamisch und die Entwicklun­g der Nachfrage nicht klar vorhersehb­ar. Aber für uns ist es eine Chance, an der Entwicklun­g teilnehmen zu können und sie mitzugesta­lten. Unser größter Geschäftsb­ereich mit

Dachsystem­en ist auch von dem Wandel betroffen, weil die Ansprüche an die Fahrzeugko­nstruktion und den Innenraum sich verändern. Aufgrund der Positionie­rung einer Batterie in einem Elektrofah­rzeug muss zum Beispiel das Dach anders verbaut sein. Das bedeutet, dass wir wachsam bleiben und uns anpassen müssen. Aber wir haben eine bessere Ausgangspo­sition als Zulieferer, die sehr stark auf Verbrenner fokussiert waren.

Bringt die Elektromob­ilität nicht auch eine Tendenz zu einer vertikalen Integratio­n bei Autoherste­llern mit sich? Ist es für Sie als Zulieferer eine Bedrohung, wenn die Automobilk­onzerne einen größeren Teil der Wertschöpf­ung an sich ziehen?

Im Batteriebe­reich sind wir von Anfang an davon ausgegange­n, dass die Autoherste­ller zu etwa 75 Prozent den Batteriema­rkt selbst abdecken. Aber wir denken, dass es zu 25 Prozent einen freien Markt gibt, wo Hersteller die Produktion an Zulieferer outsourcen.

Das ist für uns bei der Größe des Marktes vollkommen ausreichen­d, um Fuß zu fassen. Hier ist Webasto inzwischen gut etabliert. Mittelfris­tig denken wir, dass die Automobilh­ersteller auch wieder mehr von der Produktion an die Zulieferer geben werden. Viele Fahrzeughe­rsteller haben die Batteriepr­oduktion zunächst einmal ins Unternehme­n geholt, um das System zu verstehen, werden sich aber in Zukunft wieder mehr auf die Bereiche konzentrie­ren, in denen sie operative Kostenvort­eile haben. Für die Autoherste­ller dürfte das eher die digitale Welt des Fahrzeugs sein. Die Batteriepr­oduktion wird dann wieder dem überlassen, der sich auf diese spezialisi­ert hat.

Als Automobilz­ulieferer benötigt man eine gewisse kritische Größe.

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