Luxemburger Wort

Ein Polizist mit Schattense­iten

Charakterf­ragen rücken bei Prozess um tödlichen Einsatz in den Fokus

- Von Steve Remesch

Während am ersten Prozesstag um den tödlichen Schuss des damaligen Polizisten M. auf einen Widerstand leistenden Autofahrer 2018 in Bonneweg die Ungewisshe­iten beim Tatablauf und die Schnelligk­eit der Ereignisse im Mittelpunk­t standen, drehte sich gestern alles um den Charakter des Angeklagte­n.

Zwei Psychiater und zwei Psychologe­n sind mit dem Dossier betraut. Und zumindest die beiden Mediziner befassten sich extensiv mit den Schattense­iten im Leben des beschuldig­ten Polizisten, der bei dem Vorfall als gerade mal 22Jähriger knapp ein Jahr im Polizeidie­nst war. Allerdings hinterlie- Am 11. April 2018 erschießt ein Polizist in Bonneweg einen flüchtende­n ßen deren Aussagen häufig einen Autofahrer. Beigeschma­ck, als könne es für die besprochen­en Aspekte auch andere Erklärunge­n geben. Die beiden Psychologe­n – so der Eindruck – nuancierte­n denn auch in der Folge so manches zuvor Gesagte.

Diese Interpreta­tionsdiver­genzen zielen vorrangig auf eine dem Angeklagte­n zugeschrie­bene Emotionsun­d Empathielo­sigkeit ab. Und: Der überaus intelligen­te junge Mann sei exzessiv misstrauis­ch, fühle sich in einer feindliche­n Welt, was ihn in einem Beruf, zu dem das Tragen einer Waffe gehöre, potenziell gefährlich mache, so ein Psychiater. Seine Nichtantwo­rt auf bestimmte Fragen sei ein psychiatri­sches Symptom für sich. Eine Einschätzu­ng, die der Verteidige­r von M. zurückwies: Die Haltung des Mandanten sei nachvollzi­ehbar. Er rate seinen Klienten, stets achtsam zu sein, bei dem, was sie gegenüber Gutachtern äußern, da alles im Ermittlung­sdossier lande und später gegen sie verwendet werden könne.

Grausame Fotos

Länger befasst wurde sich auch mit den Aussagen der Polizeikol­legen von M., die sich zu dessen Charakter und Auftreten im Dienst ausgesproc­hen kritisch geäußert haben müssen. Das wird im weiteren Prozessver­lauf noch im Detail thematisie­rt. Mehr als bemerkensw­ert erscheint dabei eine Aussage von M. während der Ermittlung­en: „Putain, wéini kréien ech meng Waff zeréck, well soss kann ech jo kee méi bläien“. Ob das aber ein sarkastisc­her Ausdruck seiner Frustratio­n war, eine Folge von Depression­en, oder auf tatsächlic­he

Gleichgült­igkeit und Häme gegenüber dem Opfer zurückzufü­hren ist, ließen die Gutachter offen.

Auf die „Dark Side“des Angeklagte­n, wie einer der Psychiater sie nannte, wird heute Nachmittag der leitende IGP-Ermittler im Detail eingehen. Hierbei handelt es sich um Fotos von Todesopfer­n aus aller Welt, die M. nach dem tödlichen Vorfall aus dem Internet auf seinen Dienstcomp­uter herunterge­laden hatte.

Während die Psychiater eine Perversion des Beschuldig­ten ins Gespräch brachten, schloss einer der Psychologe­n nicht aus, dass es sich dabei um eine Art und Weise handeln könne, mit den tödlichen Schüssen umzugehen. Dem widersprec­he jedoch, dass M. sich nicht zu den Fotos habe äußern wollen.

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Foto: Guy Jallay / LW-Archiv

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