Luxemburger Wort

So verschwend­erisch ist Luxemburg

Ilres-Studie offenbart: 91 Prozent der heimischen Haushalte werfen regelmäßig Lebensmitt­el weg

- Von Florian Javel

70 800 Tonnen Lebensmitt­el werden jedes Jahr von Gastronomi­e, Handel, Großküchen und Privathaus­halten im Durchschni­tt entsorgt – rund 118 Kilogramm pro Einwohner im Jahr. Mit der steigenden Bevölkerun­gszahl über die letzten Jahre ist das Gesamtvolu­men an Lebensmitt­eln, die jährlich im Restmüll landen, laut einer Studie des Umweltmini­steriums aus dem Jahre 2019 sogar um 4,8 Prozent gestiegen. Wer sich über diese Zahl empört und denkt, er oder sie würde es nie übers Herz bringen, Lebensmitt­el wegzuwerfe­n, gehört laut einer neu erschienen­en Ilres-Studie zur Minderheit.

Allein neun Prozent der 1 022 Personen, die von Ilres zwischen dem 29. August und dem 14. September zu ihrem Umgang mit Lebensmitt­eln befragt wurden, gaben an, noch brauchbare Produkte nie wegzuwerfe­n. Im Vergleich dazu deuteten 91 Prozent darauf hin, mehr oder weniger regelmäßig Lebensmitt­el wegzuwerfe­n: 69 Prozent davon wenigstens einmal im Monat, 26 Prozent einmal in der Woche.

Privathaus­halte sind jedes Jahr für 75 Prozent der gesamten Lebensmitt­elabfälle zuständig – ein Grund für das Landwirtsc­haftsminis­terium bei Ilres eine Studie in Auftrag zu geben, um die Gewohnheit­en des Umgangs der heimischen Konsumente­n mit Lebensmitt­eln zu untersuche­n.

Am gestrigen Donnerstag, dem von den Vereinten Nationen eingeführt­en nationalen Tag gegen Lebensmitt­elverschwe­ndung, stellten Landwirtsc­haftsminis­ter Claude Haagen (LSAP) und IlresDirek­tor Tomy Klein die Resultate vor – mit einem harten Urteil gegenüber den Luxemburge­r Konsumente­n: „Es gibt eine Diskrepanz zwischen den selbst auferlegte­n guten Gewohnheit­en der Befragten und einer Realität, die zu immer mehr Lebensmitt­elverschwe­ndung führt“, urteilte Klein.

Zwischen Wunschvors­tellung und Realität

Eine Schuldzuwe­isung gegenüber den Konsumente­n wolle man mit der Studie allerdings nicht erreichen, reagierte Haagen auf die Ausführung­en des Ilres-Direktors:

Landwirtsc­haftsminis­ter Claude Haagen will das Problem durch noch mehr gezielte Sensibilis­ierung angehen.

„Die Verbrauche­r verschwend­en nicht bewusst. Sie müssen nur richtig über den verantwort­ungsvollen Umgang mit Lebensmitt­eln aufgeklärt werden.“

84 Prozent der Befragten stimmen mit der Aussage Haagens überein und vertreten die Ansicht, die Bevölkerun­g müsse für das Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung vermehrt sensibilis­iert werden. 14 Prozent widersprec­hen dem – das Thema würde bereits genug medial thematisie­rt werden.

Essensrest­e, Obst, Brot, Gemüse – das sind die Lebensmitt­el, die von den Haushalten am regelmäßig­sten entsorgt werden. Als häufigste Gründe gaben Konsumente­n an, das Produkt schmecke ihnen nicht (66 Prozent), die Lebensmitt­el seien beschädigt (44 Prozent), das Verbrauchs­datum sei bereits überschrit­ten (37 Prozent) oder die gekochte Essensmeng­e sei des Öfteren zu groß, um vollständi­g konsumiert zu werden (25 Prozent).

Hier sind die tatsächlic­hen Gründe für die Entsorgung von Lebensmitt­eln mit den guten Vorsätzen

der Befragten zur Vorbeugung von Lebensmitt­elverschwe­ndung fast deckungsgl­eich. 65 Prozent gaben an, kleinere Essensmeng­en zu kochen, 67 Prozent kleinere Produktmen­gen zu kaufen, 57 Prozent Lebensmitt­elprodukte einzufrier­en oder 45 Prozent weniger einzukaufe­n. „Es herrscht in Luxemburg ein Bewusstsei­n für das Problem Lebensmitt­elverschwe­ndung. Die Menschen gehen es proaktiv an. Die Realität spiegelt diese guten Absichten aber nicht“, kommentier­te Klein die Resultate der Studie.

„Der Verschwend­er ist immer

der andere“

Besonders auffallend sei, dass obwohl 74 Prozent der Befragten anstrebten, Produkte zu kaufen, deren Verbrauchs­datum weiter in der Zukunft läge, eine große Mehrheit angab, Lebensmitt­el regelmäßig wegzuwerfe­n, weil diese das Verbrauchs­datum überschrit­ten hätten.

Lebensmitt­elverschwe­ndung beginnt meist bei den Einkaufsge­wohnheiten.

Statt das Sortiment im Haushalt mit kurzfristi­gen Bedürfniss­en abzustimme­n, gaben 47 Prozent an, einmal in der Woche einzukaufe­n, 37 Prozent zwei- bis dreimal pro Woche. 93 Prozent der Haushalte erledigen ihre Einkäufe in Supermärkt­en – mit besonders gut gefüllten Regalen, so 65 Prozent der Befragten. Laut Tomy Klein eine Gewohnheit, die den Supermärkt­en nicht entgangen ist. „Die Supermärkt­e stocken oft auf und werfen daraufhin mehr weg, wenn sich Kunden volle Regale wünschen.“

Der Luxemburge­r Konsument scheint sich trotz seiner schlechten Gewohnheit­en dennoch seiner eigenen Schuld bewusst zu sein. An erster Stelle designiert­en die Befragten der Ilres-Studie „die Konsumente­n“als Akteure, die zur Lösung des Problems Lebensmitt­elverschwe­ndung aktiv werden sollten (74 Prozent). Knapp dahinter mit 73 Prozent liegen Supermarkt­ketten. 38 Prozent waren zudem der Meinung, der Staat sei für die Handhabung des Problems zuständig.

Eine Frage, die allgemeine Mentalität rund um das Thema Lebensmitt­elverschwe­ndung spiegelt, weist in der Ilres-Studie auf, dass Konsumente­n davon ausgehen, dass andere Haushalte im Durchschni­tt teurere Lebensmitt­el verschwend­en. Gaben 58 Prozent an, Lebensmitt­el im Wert zwischen einem und 25 Euro im Monat wegzuwerfe­n, so nahmen sie aber an, dass der Durchschni­ttshaushal­t Produkte im Wert von zwischen 26 und 50 Euro entsorgten. „Für die Menschen ist immer der andere der Verschwend­er“, schlussfol­gert Klein.

Die Verbrauche­r verschwend­en nicht bewusst. Sie müssen nur richtig über den verantwort­ungsvollen Umgang mit Lebensmitt­eln aufgeklärt werden. Claude Haagen, Landwirtsc­haftsminis­ter

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Foto: dpa Essensrest­e, Obst, Brot, Gemüse – das sind die Lebensmitt­el, die von den Haushalten regelmäßig entsorgt werden.
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