„Niemanden am Bahnsteig zurücklassen“
Syprolux wird 100 Jahre alt und hat ein paar Geburtstagswünsche
Wer täglich mit Bahn und Bus zu tun hat, der darf zur Feier des Tages auch mal ein anderes Fortbewegungsmittel benutzen. Mit einer Moselfahrt an Bord der „Marie-Astrid“feiert der Syprolux heute Abend seinen 100. Geburtstag.
Wie es sich für ein „Geburtstagskind“gehört, hat Mylène Bianchy auch ein paar Wünsche parat zum 100. Wiegenfest der Eisenbahnergewerkschaft: „Der Syprolux soll weiter eine starke Stimme in der Bahn- und Transportlandschaft bleiben, er soll seine Unabhängigkeit wahren und weiter im Interesse der Beschäftigten wirken und deren Besitzstände verteidigen“, so die Syprolux-Präsidentin.
Für sie steht denn auch außer Zweifel, dass die Gewerkschaft weiter eine Daseinsberechtigung hat: „Eine Gewerkschaft ist der Garant, dass der Mensch in einem Unternehmen nicht verloren geht und eine Stimme behält.“Damit dies im alltäglichen Betrieb gelingt, müssen nach Dafürhalten der Syprolux-Chefin zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Die Arbeitnehmervertretung müsse sowohl nahe an den Arbeitnehmern dran sein als auch einen guten Draht zur Betriebsleitung haben. Und sie müsse verlässliche Informationsund Kommunikationsflüsse im Interesse der Beschäftigten gewährleisten.
Die größte Herausforderung
Als konkretes Beispiel führt Mylène Bianchy die Pandemie an. Da habe sich der Syprolux von Beginn an um eine rasche Sensibilisierung der Belegschaft bemüht und der Bahnleitung konkrete Vorschläge unterbreitet, wie die Angestellten bestmöglich vor dem Virus
geschützt werden können. Dass diese Rolle nicht immer populär sei, habe sich in jenen Wochen gezeigt, als die Impfdebatte hohe Wellen geschlagen habe, blickt Bianchy zurück: „Wir verteidigten die Impfung als Teil der Lösung, was die eine oder andere Reaktion unter der Gürtellinie zur Folge hatte.“
Als größte Herausforderung für heute und morgen erachtet die Gewerkschafterin die Digitalisierung und skizziert diese Herausforderung mit einem Bild aus der Eisenbahnwelt: „Beim digitalen Wandel müssen wir dafür sorgen, dass niemand am Bahnsteig zurückbleibt.“Dabei denkt sie beispielsweise an ältere Mitarbeiter, deren Erfahrung und Know-how nicht verloren gehen dürfe und denen Brücken in die digitale Welt gebaut werden sollten. Aber auch an völlig veränderte Berufsprofile infolge einer unaufhaltsamen technologischen Entwicklung beim Material: „Die Zeit des klassischen Mechanikers ist vorbei.“
Neben der Corona-Krise war die Einführung des kostenlosen öffentlichen Transports ab März 2020 das einschneidende Ereignis der jüngeren Vergangenheit. Weiterhin bestehe die Herausforderung auch hier darin, mit angepassten beruflichen Profilen und auch mit gesetzlichen Anpassungen – beispielsweise bei den Befugnissen der Zugbegleiter – angemessene Antworten zu finden, weist Mylène Bianchy darauf hin, dass es sich um einen laufenden Prozess handele. Was für die Syprolux-Vorsitzende nicht infrage kommt, ist, dass irgendwann unbegleitete Züge fahren: „Das ist ein No-Go.“
Wichtig ist ihr, dass der Service-Aspekt weiter großgeschrieben wird, unter anderem durch die Einrichtung sogenannter „espaces d’accueil“an den „pôles d‘échange“: „Da müssen wir präsent sein und den Kunden den bestmöglichen Service anbieten.“
Eine Gewerkschaft ist der Garant, dass der Mensch in einem Unternehmen nicht verloren geht. Mylène Bianchy, Syprolux-Präsidentin
Die Sicherheit und eine Idee
Ein Anliegen, für das sich der Syprolux seit Jahren starkmacht, ist die Sicherheit des Bahnpersonals. Mit Blick auf teils brutale Übergriffe – Beispiel Bahnhof Oetringen im März 2019 – pocht die Gewerkschaft weiterhin auf ihre Idee einer Polizeieinheit für den öffentlichen Transport. Mylène Bianchy räumt allerdings ein, dass sich der Dialog mit dem jetzigen Polizeiminister Henri Kox (Déi Gréng) schwieriger gestalte, als mit dessen Vorgänger François Bausch (Déi Gréng). Auch wenn die Politik derzeit andere Prioritäten setze, bleibt Bianchy überzeugt von ihrem Ansatz: „Wir glauben an die Idee.“