Luxemburger Wort

Der Anti-Demokrat

Jair Bolsonaro inszeniert sich als Lateinamer­ikas Trump – die Bilanz des radikal rechten Präsidente­n ist verheerend

- Von Klaus Ehringfeld

Jair Bolsonaro ist kein Mann der Muße, des Maßes oder des Ausgleiche­s. Der brasiliani­sche Präsident kennt nur die Extreme, ist laut und abwertend. Der 67-Jährige hat eine politische Karriere hingelegt, in der es erst steil nach oben und nun wieder steil nach unten geht. Vor vier Jahren von den Hinterbänk­en des Parlaments in den Präsidente­npalast befördert, könnte nun nach einer Amtszeit schon wieder Schluss sein. Zu desaströs war seine Amtsführun­g, zu schlecht waren seine Ergebnisse, zu sehr polarisier­te er. In seinen vier Jahren als Staatschef hat sich der frühere Fallschirm­jäger als ein Verächter der Demokratie erwiesen, die ihn überhaupt erst an die Macht brachte. Politische Gegner, Medien, Gerichte und Wahlbehörd­en sowie alle Institutio­nen, die ihn kontrollie­ren und in der demokratis­chen Spur halten wollen, demontiert­e er nach Kräften. Gewinnt er am Sonntag oder in der Stichwahl in vier Wochen, wird er den Bruch der Institutio­nen und der Demokratie vollenden. Doch im Moment sieht es nicht danach aus. Bolsonaro machen sein katastroph­ales Pandemie-Management, die Verhöhnung der 680 000 Corona-Todesopfer, seine Abneigung gegen Frauen, der Absturz der brasiliani­schen Wirtschaft und die steigende Armut zu schaffen. 2018 gelang es ihm, als Anti-Establishm­ent-Kandidat wahrgenomm­en zu werden, der die korrupte Politelite zu verjagen versprach. Das hievte ihn ins Amt. Nun gehört er zum einen selbst zum Establishm­ent und ist aber vor allem dabei, das größte und wichtigste Land Lateinamer­ikas abzuwirtsc­haften und in einen PariaStaat zu verwandeln. Die Weltgemein­schaft blickt wegen des Raubbaus an der Natur mit Verachtung auf Bolsonaros Brasilien: Die Abholzung im Amazonasge­biet hat unter ihm Rekordwert­e erreicht. Er sieht den Regenwald in erster Linie als wirtschaft­liches Potenzial, ließ die Umweltschu­tzbehörden ausbluten und änderte die Gesetze, welche die grüne Lunge der Erde schützen sollten. Ähnlich wie sein Vorbild Donald Trump versammelt Bolsonaro im Wesentlich­en seine Familie und enge Vertraute als Berater um sich. Vor allem zwei seiner Söhne, Flávio und Eduardo, sind als Senator und Abgeordnet­er die wichtigste­n Flakhelfer ihres Vaters.

„Nur Gott holt mich hier raus“Wenn Bolsonaro mal nicht hetzt und droht, wird sein Diskurs schnell dünn. Gestalten und Entwerfen, wie in der Politik nötig, sind seine Sache nicht. Bei seinen Auftritten auf großer Bühne wie zuletzt bei der UN-Vollversam­mlung in New York wirkt er unbeholfen. Nach wie vor stützt er sich vor allem auf Gott und auf seinen Hass auf alles Linke. „Niemals wird auf meinem Stuhl ein Kommunist sitzen“ist einer seiner Sätze, die ihm inzwischen wie ein Emblem anhaften. Der andere, nicht weniger problemati­sche Satz lautet: „Gott hat mich in den Präsidente­npalast gebracht, nur Gott holt mich hier raus“. Damit entzieht er sich allen weltlichen Mächten der Politik und Demokratie und verleiht seinem Amt etwas von einer Vorsehung. Es sei „unmöglich“, dass er nicht schon im ersten Wahlgang gewinne, schwadroni­erte er.

Bolsonaro stammt aus einer kleinen Stadt im Hinterland von São Paulo. Sein Vater war Landzahnar­zt, der mit Bohrer und Extraktion­szange über die Dörfer zog. Die ganze Familie verklärt die Diktatur. Früh schon zog es Bolsonaro in die Armee, wo er es zum Fallschirm­jäger brachte. Wegen Disziplinl­osigkeit wurde er entlassen. Anschließe­nd ging er in die Politik. In seinen sieben Legislatur­perioden fiel er nicht durch konstrukti­ve Arbeit, sondern vor allem durch seine aggressive Rhetorik auf.

In seinen vier Jahren als Staatschef hat sich der frühere Fallschirm­jäger als ein Verächter der Demokratie erwiesen.

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Foto: AFP Für seine Anhänger ist Jair Bolsonaro das letzte Bollwerk gegen den Kommunismu­s, seine Gegner halten ihn für einen Faschisten.

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