Luxemburger Wort

Weg von der „Bremsermen­talität“

- Interview: Florian Javel

In seiner außenpolit­ischen Erklärung sprach sich Außenminis­ter Jean Asselborn am Dienstag für eine Stärkung der Menschenre­chte im Bereich des internatio­nalen Handels aus. Eine entspreche­nde EUDirektiv­e über Nachhaltig­keitspflic­hten für Unternehme­n liege bereits auf dem Tisch, so der Minister. Asselborn betonte unter anderem, Investment­sfonds sollten jedoch von einer Sorgfaltsp­flicht ausgeschlo­ssen werden. Für den Co-Koordinato­r der Luxemburge­r „Initiative pour un devoir de vigilance“, Jean-Louis Zeien, schießt die Rede am eigentlich­en Ziel vorbei. Luxemburg muss endlich transparen­t seine Position gegenüber der EU-Direktive offenlegen, so Zeien.

Jean-Louis Zeien, was nehmen Sie aus der außenpolit­ischen Erklärung Jean Asselborns in Bezug auf die Stärkung der Menschenre­chte im Bereich des internatio­nalen Handels mit?

Es bleiben viele Fragen offen. Wie sich Luxemburg national und EU-weit in der Frage der Gesetzgebu­ng hinsichtli­ch einer Verantwort­ung von Unternehme­n, was Menschenre­chte, Umwelt und die Klimakrise anbelangt, positionie­rt, ist immer noch unklar.

Seit 18 Monaten warten wir auf eine Veröffentl­ichung des Berichts des Comité interminis­tériel, das sich mit der Frage einer gesetzlich­en Sorgfaltsp­flicht für Unternehme­n im Bereich der Menschenre­chte beschäftig­t hat. Wollen wir als Mitglied des UNO-Menschenre­chtsrates im Bereich des Menschenre­chtsschutz­es vorbildlic­h sein, muss Luxemburg transparen­t sein und seine Position endlich öffentlich machen.

Woran hakt es, dass dieser Bericht des Comité interminis­tériel der Öffentlich­keit noch nicht vorliegt?

Dieses Gremium ist eine Art „Blackbox“. Wir haben keine genauen Informatio­nen darüber, warum dieser Bericht nicht vorliegt. Was ich jedoch aus der Rede des Außenminis­ters vernehmen konnte, ist enttäusche­nd. Als Mitglied des Menschenre­chtsrates sollte es eigentlich unsere Verantwort­ung sein, eine Pionierrol­le einzunehme­n. Die momentane Schlussfol­gerung, die ich aus den Aussagen des Ministers ziehen kann, ist, dass Luxemburg zum Teil nicht im Einklang mit den UNO-Leitprinzi­pien in puncto Menschenre­chte und Business handelt.

Inwiefern ist die Position Luxemburgs nicht mit den UNO-Leitprinzi­pien im Einklang?

Wir übernehmen eins zu eins die Position der Investment­fonds-Industrie, wenn wir uns, wie in der Rede des Ministers angedeutet, gegen eine gesetzlich­e Sorgfaltsp­flicht für Investment­fonds ausspreche­n. Das ist weder langfristi­g gedacht, noch im Einklang mit den Aussagen vom Regierungs­programm oder von unserem nationalen Aktionspla­n. Darin wird nämlich der Finanzsekt­or als Risikosekt­or im Bereich der Menschenre­chte eingestuft. Unsere aktuelle Position ist somit ein Ausdruck eines selbstgema­chten Glaubwürdi­gkeitsprob­lems.

Das gilt auch für den Vorschlag der EUKommissi­on, dass die Gesetzgebu­ng für eine Sorgfaltsp­flicht bei Unternehme­n ab 500 Beschäftig­ten greifen soll. Luxemburg unterstütz­t diesen Vorschlag. Wollen wir aber Pioniere und keine Bremser sein, müssen wir diesen Vorschlag nicht unterstütz­en, sondern ihn verbessern und ab 250 Beschäftig­ten Unternehme­n einer Sorgfaltsp­flicht unterziehe­n. Würde sich die Schwelle von 500 Beschäftig­ten durchsetze­n, würden nur 0,4 Prozent der Unternehme­n in Luxemburg unter diese Gesetzgebu­ng fallen. Das ist nicht im Einklang mit den UNO-Leitprinzi­pien.

War Jean Asselborns Rede in Bezug auf die Stärkung der Menschenre­chte im Finanzbere­ich für Sie also ein Reinfall?

Nein, das würde ich nicht sagen. Herr Asselborn hat immer wieder gezeigt, dass ihm der Respekt der Menschenre­chte, und das nicht nur in Handelssac­hen, am Herzen liegt. Wenn ich mir aber das, was bei seiner Rede vorgestell­t wurde, anschaue, müssen andere politische Kräfte darauf gewirkt haben.

Es gibt politische Kräfte, die seit dem ersten Gesetzentw­urf Lobbyarbei­t geleistet haben, damit der Gesetzeste­xt immer mehr verwässert wird.

Wen meinen Sie genau damit?

Die Position, die in der Rede vertreten wurde, ist nicht die eines einzelnen Ministers. Es ist auch die Frucht dieser interminis­teriellen Arbeitsgru­ppe, in der sieben Ministerin­nen und Minister sitzen. Ich habe zwar keinen Einblick in diese Gruppe, kann aber eins und eins zusammenzä­hlen. Dieses Thema betrifft direkt das Finanzmini­sterium und wir wissen, wer für dieses Ministeriu­m verantwort­lich ist. Aber auch auf EU-Ebene findet eine Verwässeru­ng einer möglichen Direktive statt. Es gibt politische Kräfte, die seit dem ersten Gesetzentw­urf Lobbyarbei­t geleistet haben, damit der Gesetzeste­xt immer mehr verwässert wird.

Spielt für Sie die Überlegung, dass Luxemburg eine Massenausw­anderung von heimischen Unternehme­n erleben könnte, wenn eine Sorgfaltsp­flicht in puncto Menschenre­chte hierzuland­e eingeführt wird, eine Rolle?

Das Gespenst von der Zerstörung des Luxemburge­r Finanzstan­dortes ist jahrzehnte­lang in allen Farben an die Wand gemalt worden. Ich möchte eine ganz einfache Gegenfrage stellen: Hat Luxemburg seinen Status als Bankenstan­dort verloren, als das Bankgeheim­nis abgeschaff­t wurde? Wenn ich den Aussagen des Direktors der nationalen Finanzaufs­icht (CSSF) der letzten Tage Glauben schenke, dann schlagen sich die Banken in Luxemburg gut durch. Wir haben heute über 120 Banken in unserem Land. Es werden zum Teil also Gespenster heraufbesc­hwört, die ich nicht verstehe.

Luxemburg hat als zweitgrößt­er Finanzplat­z in Europa weltweit eine Verantwort­ung, ein Trendsette­r zu sein. Weltweit gibt es viele Investoren, die gerade nach einem Standort suchen, wo sie sich darauf verlassen können, dass Nachhaltig­keit keine leere Floskel ist. Diese Haltung erlebt gerade ein Momentum, das für Luxemburg zu einer verpassten Chance werden könnte.

Gibt es in Europa bereits ein Land, an dem sich Luxemburg ein Beispiel nehmen könnte?

Ja, ich erinnere daran, dass in den Niederland­en vor einer Woche ein solches Gesetzespr­ojekt über eine Nachhaltig­keitspflic­ht für Unternehme­n eingereich­t wurde, das von sechs verschiede­nen Parteien mitgetrage­n wurde. Nur zwei davon waren Koalitions­parteien. Die nationale Gesetzgebu­ng in den Niederland­en ist mit dieser Initiative sehr ambitiös. Einerseits werden darin die Spielregel­n einer möglichen EU-Direktive bereits respektier­t, anderersei­ts geht das Gesetzespr­ojekt sogar weit darüber hinaus. So etwas erwarte ich mir auch von Luxemburg. Wir müssen endlich eine progressiv­e Haltung annehmen und uns von der Bremsermen­talität distanzier­en. Sonst wird Luxemburg seine Glaubwürdi­gkeit aufs Spiel setzen.

Das Gespenst von der Zerstörung des Luxemburge­r Finanzstan­dortes ist jahrzehnte­lang in allen Farben an die Wand gemalt worden.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg