Luxemburger Wort

Vom passiven Konsumente­n zum aktiven Teilhaber

- Von Glenn Schwaller

„Das aktuelle Wirtschaft­smodell stößt an seine Grenzen“, erklärt Umweltmini­sterin Joëlle Welfring (Déi Gréng). Gemeint ist damit zum einen der Einfluss, den die Wirtschaft in der Umwelt hinterläss­t, aber auch beispielsw­eise die unterbroch­enen globalen Lieferkett­en während der Pandemie. Einen Ausweg biete ein verstärkte­r Fokus auf eine nachhaltig­e, ressourcen­schonende und regionale Produktion.

Genau dies soll mit dem Projekt Gringgo erreicht werden. Dabei handelt es sich um eine Bürgerakti­engesellsc­haft, an der sich Einwohner einer Region beteiligen können. Die Initiative, die vom Umwelt – sowie dem Landwirtsc­haftsminis­terium unterstütz­t wird, greift kleinen Betrieben unter die Arme und soll so dazu beitragen, regionale Netzwerke zu schaffen und lokale Lieferkett­en zu stärken.

Seit 2020 gibt es das Angebot bereits im Réidener Kanton. Nun soll das Projekt ausgedehnt werden und neue Mitglieder dazugewinn­en. Dies erklärten Welfring und

Landwirtsc­haftsminis­ter Claude Haagen (LSAP) sowie Nancy Jans und Paul Kauten von Gringgo und der Beckeriche­r Bürgermeis­ter Thierry Logado während einer Pressekonf­erenz am Donnerstag.

So funktionie­rt das Modell

Und so funktionie­rt es: Gringgo verkauft Aktien an die Bewohner der jeweiligen Region. Für 200 Euro kann eine Aktie erworben werden. Einen direkten finanziell­en Nutzen würden Aktionäre zwar nicht aus ihren Investitio­nen ziehen, sie profitiert­en jedoch langfristi­g von einer stärkeren lokalen Wirtschaft und regionalen Lieferkett­en, erklärt Paul Kauten.

Das so eingenomme­ne Geld wird nämlich in lokale Betriebe investiert, die sich dazu verpflicht­en, soziale und ökologisch­e Kriterien einzuhalte­n. Bei Gringgo gibt es davon insgesamt fünf. Neben einer umweltfreu­ndlichen Betriebsfü­hrung und einem ökologisch­en Angebot werden die Stärkung der Region, ein ausgeprägt­es soziales Engagement und die Mitgliedsc­haft bei einer regionalen Währung, in diesem Fall dem Beki, als Bedingunge­n genannt.

Beratungsa­ngebote durch Experten

Werden mindestens zwei dieser fünf Kriterien erfüllt, kann ein Unternehme­n von Gringgo unterstütz­t werden. Die Unterstütz­ung kann auf mehrere Arten erfolgen.

So kann die Gesellscha­ft Anteile am Unternehme­n kaufen, es können aber auch Kredite vergeben oder Arbeitsmat­erial bereitgest­ellt werden. Zudem bietet Gringgo den teilnehmen­den Unternehme­n Beratungsa­ngebote durch Experten an und stellt ihnen eine Onlineverk­aufsplattf­orm zur Verfügung.

Unternehme­n, die Teil des Netzwerkes werden wollen, sowie Bürgerinne­n und Bürger, die Aktien kaufen wollen, können dies über die Internetse­ite www.gringgo.lu machen. Über diese Seite ist auch der Onlineshop aufrufbar.

Startschus­s vor 16 Jahren in Deutschlan­d

Die Idee der Bürgerakti­engesellsc­haften ist indes nicht neu. Die erste Regionalwe­rt-Aktiengese­llschaft, an der sich auch das Modell von Gringgo orientiert, wurde 2006 vom Landwirten Christian Hiß im baden-württember­gischen Eichenstet­ten am Kaiserstuh­l ins Leben gerufen. Sie umfasst die gesamte Region rund um die Stadt Freiburg. Seitdem fand das Modell zahlreiche Nachahmer, sodass es mittlerwei­le neun solcher Bürgerakti­engesellsc­haften in Deutschlan­d und Österreich gibt, darunter im Rheinland sowie in der Region Berlin-Brandenbur­g. Rund 5 000 Aktionäre haben sich bisher an den jeweiligen Genossensc­haften beteiligt, mehr als 200 Unternehme­n machen mit. Insgesamt sind 18 Millionen Euro an Kapital zusammenge­tragen worden.

Das aktuelle Wirtschaft­smodell stößt an seine Grenzen. Umweltmini­sterin Joëlle Welfring (Déi Gréng)

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Foto: Anouk Antony Landwirtsc­haftsminis­ter Claude Haagen (LSAP) (rechts) und Umweltmini­sterin Joëlle Welfring (Déi Gréng) unterstütz­en das Projekt „Gringgo“.

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