Lauter Leichen
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Weil Spitznamen in gewissen Kreisen obligatorisch sind und Hubba Bubba eine bekannte Kaugummimarke ist, kam irgendwer auf die Idee, aus Boban „Bubba“zu machen. Ein anderer hat dann noch das „Clooney“drangehängt – vermutlich Boban selbst. Deswegen ist der serbische Mafiakurier als Bubba Clooney bekannt.
Als Mafiakurier verdient man kein großes Vermögen, doch immerhin genug für einen Jaguar EType Baujahr 73 mit 268 PS. Hart vom Munde abgespart, versteht sich, denn auch die Mafia hat nichts zu verschenken. Aber seine Verlobte Dobrinka ist blond, groß und langbeinig, trägt Körbchengröße E und verdient ihr Geld als Chefsekretärin, da kann einer wie Bubba Clooney nicht mit einem Hyundai um die Ecke kommen. Warum eine wie Dobrinka sich einen wie Bubba Clooney aussucht, ist mir nicht klar, aber sei’s drum, Peter ist schließlich auch ein Griff ins Klo gewesen.
Mein unterbelichteter Cousin Michael wollte mir helfen, das rechne ich ihm hoch an. Was ich ihm nicht durchgehen lasse, ist, dass er sich für den Autotausch ausgerechnet Bubba Clooney ausgesucht hat. Auch wenn Michaels Absicht romantischer Natur war, denn als Lieblingsautoschieber der serbischen Mafia wusste er, dass Bubba Clooney seinen heiß geliebten Jaguar Dobrinka zur Hochzeit schenken würde, und Michael spekulierte darauf, bald einen Auftrag zur Beschaffung eines adäquaten Ersatzes zu bekommen.
Nun ist Dobrinka erstens keine Autonärrin und hat zweitens auch ihr eigenes Auto, aber sie weiß, dass der Jaguar Bubbas ganzer Stolz ist, deswegen hat sie mehrfach darauf gedrungen, ihn auch einmal fahren zu dürfen. Was Bubba ablehnte. Denn Dobrinka ist zwar eine tolle Frau, aber eben doch eine Frau. Und die können nicht mit Autos umgehen.
Als Bubba Dobrinka den Heiratsantrag machte, nahm sie ihn nur unter der Bedingung an, ebenfalls mit dem Jaguar fahren zu dürfen. Als Ehefrau würde sie Konkurrenz nicht dulden. Bubba heulte fast, gab schließlich aber nach. Bislang hatten nur zwei Personen das Heiligtum bewegen dürfen: Bubba selbst und sein Vater, und der auch nur die zwölf Meter von der Straße zur Garage, als Bubba sich den Fuß verstaucht hatte.
Es passierte also Folgendes, als Bubba Clooney morgens in seinen Jaguar stieg, um schnell noch das Geld für die sechsstöckige Hochzeitstorte zu verdienen: Beherzt und mit Vorfreude auf die bevorstehende Fahrt in seinem Wunderauto öffnete er das Garagentor, schritt forsch zur Fahrertür, schob seinen Schlüssel in das Schloss, lauschte auf das herrliche „Klick“, betätigte den Türgriff …
„Äh!“, rief er aus und ließ den Griff wieder los. „Was zur Hölle …?“Bubba hob die Hand und betrachtete sie wie die Hinterlassenschaf eines Dobermanns. Dann beäugte er das Wunderauto und tippte den blauen Lack vorsichtig mit einer Fingerspitze an. Lindenblütenstaub.
Er schaute hoch ans Garagendach, erblickte aber nur Beton. Mist, da hatte er wohl beim Parken nicht aufgepasst. Er musste unbedingt noch in die Waschanlage fahren. Aber nicht jetzt. Jetzt hatte er dafür keine Zeit. Seufzend ergab er sich also in sein Schicksal, den Jaguar in diesem jämmerlichen Zustand nach Düsseldorf zu fahren, stieg ein, fuhr das Auto aus der Garage, röhrte auf die Straße, aber irgendwas war noch anders als sonst. Was war es nur? Bubba dachte intensiv nach …
Die Fußmatten. Was war mit „Dobrinka forever“passiert? Und dem Herz? Seine Mutter hatte beides mit viel Mühe in die Matten genäht. Bubba schüttelte irritiert den Kopf, schaltete den Motor ab, stieg wieder aus und zog die Matte heraus.
Nichts. Kein goldenes Herz. Keine goldene Dobrinka. Bubba schob seinen Oberkörper ins Auto, stützte sich mit den Händen auf dem Sitz ab und suchte auf dem Boden nach den verschwundenen Stickereien. Hätte ja sein können, dass sich der Faden über Nacht gelöst hatte … und dann irgendwie in voller Länge auf dem Boden … oder so …
Auch nicht.
Bubba umrundete das Auto, öffnete die Beifahrertür und prüfte auch die zweite Fußmatte. Da wurde er fündig: Die goldene Stickerei hatte sich in einen grünen Fleck verwandelt. Richtig grün. Grasgrün. (Acrylfarbe. Aber das wusste Bubba nicht.)
Bubba schnupperte an dem Fleck. Dann wischte er mit einem Finger darüber – nichts. Trocken. Es folgte also die Zungenspitze zur Probenahme. Wieder nichts. Geschmacklos. Bubba Clooney war ratlos. Er öffnete den Kofferraum, inspizierte ihn, sah nichts Ungewöhnliches …
STOPP!
Bubba schob seinen Kopf ganz tief in den Kofferraum. Dort hinten, in der Ecke, da glitzerte doch was … unter der Plastikplane, die er immer dabeihatte, man konnte ja nie wissen, was man so transportieren musste für den Chef … Eine Pistole. Nicht seine eigene, um präzise zu sein. Er hatte eine solide Uzi: Drauf alten, Abzug durchziehen, weiter drauf alten. Das Ding in seinem Kofferraum war allerdings eine Selbstladepistole, Heckler & Koch P 30. Da muss man treffen können – und Bubba war kein guter Schütze.
Okay, dachte Bubba. Ich hab jetzt echt keine Zeit für den Scheiß. Ich muss los, die Ware abholen und nach Düsseldorf bringen. Einen Aktenkoffer. Bubba hatte keine Ahnung, was drin war, und wollte es auch nicht wissen. Er blickte auf die Uhr, biss die Zähne zusammen und tuckerte los. Nachdem er die ersten Hundert Meter gefahren war, war klar, dass sein Jaguar über Nacht nicht nur das Stickwerk, sondern auch die hochgetunte Motorisierung eingebüßt hatte: Bubba gab Gas, und es passierte – nichts. Na ja, zumindest nicht so viel, wie mit guten 350 PS passieren sollte. Der Jaguar schoss zwar nach vorn, aber eben nicht wie ein muskelbepackter Jaguar, sondern wie ein überfressener Löwe.
Bubba mag Löwen nicht. Er hielt an und inspizierte den Motor.