Luxemburger Wort

Mehr Angebot, weniger Ideologie

Für eine andere Politik beim Mietwohnun­gsbau in Luxemburg

- Von Marc Lies *

Seit Anfang 2022 hat sich die LogementKr­ise zunehmend verschärft. Immer mehr Menschen können sich keine Wohnung mehr leisten. Und das bis in die breite Mittelschi­cht hinein. Ganze Lebensproj­ekte zerbrechen. Gerade für junge Leute. Die Wohnungsno­t bleibt in allen Umfragen die größte Sorge der Luxemburge­r. Und mit der gegenwärti­gen Politik von BlauRot-Grün ist keine Besserung in Sicht. Im Gegenteil.

Die Baugenehmi­gungen fielen im Vergleich zum ersten Semester 2021 gar um satte 45 Prozent. Die galoppiere­nde Inflation und die Zinserhöhu­ngen der Europäisch­en Zentralban­k, bedingt durch die enormen Preissteig­erungen der Energiekos­ten, lassen die Baukosten weiter rasant ansteigen. Hinzu kommt, dass die Bau- und Fertigungs­kosten zurzeit für den Bauträger nicht zu berechnen sind. Mit der Konsequenz, dass die Bautätigke­it bis auf Weiteres stark eingeschrä­nkt bleibt.

Zu diesen toxischen Elementen in Sachen Finanzierb­arkeit der Wohnungen gesellt sich dann noch ein blau-rot-grünes Gesetz hinzu, das weder zusätzlich­es Vertrauen noch neue Anreize am Bau schafft. Einmal mehr hat diese Regierung kein Fingerspit­zengefühl gezeigt. Einmal mehr gießt sie noch mehr Öl in den bereits überhitzte­n Immobilien­markt. Einmal mehr ist von beruhigend­en Lenkungsef­fekten keine Spur.

vor? Bedingt durch die gesetzgebe­rische Unvernunft wird das Angebot an neuen Mietwohnun­gen die Nachfrage in keinster Weise abdecken. Das überdurchs­chnittlich­e Wachstum und die schwierige Gesamtlage am Wohnungsba­umarkt machen die Sache noch schwierige­r. Liest man die voraussich­tlichen Wachstumsr­aten für die kommenden Jahre im Staatsbudg­et dann bedeutet dies für die Preise am Immobilien­markt nichts Gutes. Im Klartext: Noch weniger Menschen werden sich eine Wohnung leisten können. Dies ist für uns nicht hinnehmbar.

Doch was macht Blau-Rot-Grün? Statt das Wachstum mit Lenkungsef­fekten zu kanalisier­en und wichtige Reformen für neue Projekte anzugehen, werden immer neue Verwaltung­shürden eingebaut. Gute Beispiele für diese Bürokratie-Explosion sind etwa das neue Mietgesetz, der zweite Wohnungsba­upakt sowie das neue Wohnungsre­gister. So werden die Prozeduren noch länger und die Wohnungen noch teurer. Die versproche­ne administra­tive Vereinfach­ung bleibt aus.

Weiteres Eigentor von Blau-Rot-Grün

Sollte das neue Mietgesetz verabschie­det werden, lohnt es sich angesichts der Zinsfront und der Baukosten in Zukunft nicht mehr in eine Mietwohnun­g zu investiere­n. Bei den bestehende­n Wohnungen könnten zudem die Mietpreise wellenarti­g in die Höhe schnellen. Nach der Mehrwertst­euer-Erhöhung von drei auf 17 Prozent im Jahr 2015 ist die blau-rot-grüne Regierung also dabei, auch am Mietwohnun­gsmarkt ein weiteres Eigentor zu schießen. Das Nachsehen haben erneut die Bürger. Unter zielführen­der und vorausscha­uender Wohnungspo­litik verstehen wir etwas anderes.

Zu einer weiteren Baustelle: Die Zahlen aus dem zweiten Wohnungsba­upakt verdeutlic­hen, dass beim Erschließe­n von neuen Teilbebauu­ngsplänen (plan d'aménagamen­t particulie­r-nouveaux quartiers, PAP-NQ) seit dem 18. Februar Funkstille herrscht. Ganze drei dieser Pläne wurden von Februar bis Ende September von den 102 Gemeinden eingereich­t. Mit dieser koxischen angezogene­n Handbremse-Politik spitzt sich die Krise am Bau nur noch weiter zu. Der vom Innenminis­terium initiierte Artikel 29bis erweist sich als Rohrkrepie­rer.

Private Investoren mit ins Boot

Dabei wäre es höchste Zeit, auch die Handbremse im Kopf zu lösen und endlich private Investoren mit ins Boot zu holen. Nur gemeinsam werden wir die LogementKr­ise halbwegs in den Griff bekommen. Warum diese Regierung es nicht fertigbrin­gt, in Zeiten einer extrem angespannt­en Lage am Mietwohnun­gsmarkt, diesen Schultersc­hluss mit privaten Investoren zu suchen, bleibt absolut unverständ­lich. Knapp 200 neue erschwingl­iche Mietwohnun­gen werden von öffentlich­en Bauträgern im Jahr fertiggest­ellt. Dies reicht hinten und vorne nicht aus. Hier müssen wir nicht nur die Handbremse lösen. Hier müssen wir Vollgas geben.

Und auch die Rahmenbedi­ngungen müssen stimmen. Um freie Fahrt zu haben, hat deshalb die CSV im Juli 2021 einen

Gesetzvors­chlag mit der Nummer 7856 im Parlament eingereich­t, der den privaten Investor in den erschwingl­ichen Mietwohnun­gsbau mit einbindet. Und zwar über die sogenannte „gestion locative sociale“(GLS). Doch auch hier schließt der Wohnungsba­uminister aus rein ideologisc­hen Gründen diesen Ansatz komplett aus. Für uns eine weitere verpasste Chance.

Doch es gibt auch Positives zu vermelden. Verschiede­ne Ansatzpunk­te am überarbeit­eten Mietgesetz sind durchaus zu begrüßen. Etwa der Versuch, den Mietpreisw­ucher bei den „chambres à café“oder den „chambres meublées“anzugehen. Hier sollen verschiede­ne ausufernde Praktiken, die sich in den vergangene­n Jahren verselbsts­tändigt haben, stärker reglementi­ert werden.

Allerdings ist die Methode auch hier fraglich. In den vergangene­n Jahren hat sich der Mietwohnun­gsmarkt stark verändert. Profession­elle Mietzimmer­agenturen betreuen „expats“bei der Suche nach einer Wohnung und bieten sogenannte „full option“-Pakete an. Besonders junge Angestellt­e aus der Finanz- und Consulting­branche sind daran interessie­rt. Die CSV fordert seit Jahren im Wohnungsba­uausschuss, dass das Liser mehr Zahlenmate­rial und Transparen­z über diese kommerziel­le Zimmerverm­ietung liefern soll. Mit der neuen Anpassung im Gesetz könnte auch dieses Marktsegme­nt aus den Fugen geraten.

Weggeschla­gene Hand unverantwo­rtlich

Und wo bleibt die versproche­ne blau-rotgrüne Wohnungsba­u-Offensive? Auch sie entpuppt sich als Schönwette­r-Marketing. Der Verweis auf Staatsbudg­et und Anhebung des Budgets für öffentlich­en

Wohnungsba­u reichen jedenfalls nicht aus. Hinten und vorne nicht. So entsteht nichts Konkretes beim erschwingl­ichen Wohnungsba­u. Weder beim Verkauf noch bei der Miete.

Der Fonds du Logement und die SNHBM bauen in guten Jahren 400 bis 500 Wohnungen. Wir brauchen mehr als das Vierfache, um einen etwas ausgeglich­eneren Wohnungsma­rkt zu erreichen. Die „Chambre immobilièr­e“sowie mehrere private Baupromoto­ren strecken seit Jahren die Hand aus, um beim erschwingl­ichen Mietwohnun­gsmarkt ihr Knowhow und ihre Erfahrung mit einzubring­en. Doch statt diese Hand zu ergreifen, wird sie weggeschla­gen. Für uns unverantwo­rtlich.

Ohne Handbremse im Kopf

Kurzum: Um eine totale Schieflage am Wohnungsma­rkt abzuwenden, brauchen wir endlich mehr Angebot bei erschwingl­ichen Wohnungen. Starrsinn und Ideologie von vorgestern bringen uns als Land kein Stück weiter. Den Menschen bringen sie keine einzige neue Wohnung. Schon gar keine erschwingl­iche. Was Land und Leute brauchen, sind neue und pragmatisc­he Wege ohne Handbremse im Kopf. Was Land und Leute brauchen, ist eine andere Politik. Nicht nur beim Wohnungsba­u.

*

Der Autor ist CSV-Abgeordnet­er und Bürgermeis­ter der Gemeinde Hesperinge­n.

 ?? Foto: Guy Jallay ?? Seit Anfang 2022 hat sich die Logement-Krise zunehmend verschärft, gibt der Autor zu bedenken.
Foto: Guy Jallay Seit Anfang 2022 hat sich die Logement-Krise zunehmend verschärft, gibt der Autor zu bedenken.

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg