Deutsch-französische Charmeoffensive
Rege Reisediplomatie soll die beiden Nachbarländer wieder näher zusammenbringen. Die Irritationen der vergangenen Wochen sind nicht überwunden
Es waren Bilder, die Harmonie demonstrieren sollten. Die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock besuchte diese Woche mit ihrer französischen Kollegin Catherine Colonna eine deutsch-französische Schulklasse in Paris. Die beiden Frauen applaudierten den Jugendlichen, die sichtlich zufrieden vor ihnen standen. „Die deutsch-französische Freundschaft ist ein Riesenschatz“, schrieb Baerbock hinterher im Kurznachrichtendienst Twitter. Alles gut also im Verhältnis zwischen den beiden Nachbarländern?
Nach der Absage des gemeinsamen Ministerrates im Oktober bemühten sich diese Woche gleich drei deutsche Regierungsmitglieder, in Paris ein Signal der Zusammenarbeit zu setzen. Neben Baerbock kam auch Wirtschaftsminister Robert Habeck in die französische Hauptstadt. Für Donnerstag wurde Finanzminister Christian Lindner erwartet und am Freitag sollte die französische Regierungschefin Elisabeth Borne nach Berlin reisen. So viel Austausch gab es schon lange nicht mehr. Sogar der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire, der im September noch eine Art „Reset“der Beziehungen zwischen beiden Ländern gefordert hatte, blickt nun wieder optimistischer in die Zukunft. „Wir haben uns entschieden, den deutsch-französischen Beziehungen neuen Schwung zu verleihen“, sagte der hervorragende Deutschlandkenner bei einer Pressekonferenz mit Habeck. Vergessen schien die Kritik von Emmanuel Macron, der Deutschland vorgeworfen hatte, sich zu isolieren.
Die Wogen glätten
In der Sache bleiben allerdings Meinungsverschiedenheiten. Zum Beispiel beim EUGaspreisdeckel, den Frankreich zusammen mit anderen Staaten fordert, Deutschland aber ablehnt. Das Thema soll auf den Tisch kommen, wenn Borne am Freitag Bundeskanzler Olaf Scholz trifft. „Das ist weiter eine Option, die Frankreich voranbringen will“, heißt es in französischen Regierungskreisen. Die Premierministerin sollte bereits im September einen Besuch in Berlin machen, musste die Reise dann aber absagen, weil der Bundeskanzler positiv auf Covid getestet worden war. Scholz kam seinerseits Ende Oktober nach Paris, um nach der Absage des deutsch-französischen Ministerrates in einem dreistündigen Gespräch mit Macron die Wogen zu glätten.
Schon damals deutete sich eine Annäherung bei einem besonders schwierigen Thema an: dem gemeinsamen Kampfflugzeug FCAS. Nachdem das 2017 vereinbarte Projekt jahrelang kaum vorankam, soll nun die nächste Phase der Projektplanung beginnen. Eine industrielle Einigung sei erzielt, gab das Verteidigungsministerium in Berlin vergangene Woche bekannt. In der französischen Regierung war von einer „wichtigen Etappe“die Rede, die das Engagement beider Seiten bestätige. Deutschland stand in Frankreich unter dem Verdacht, das 100 Milliarden Euro teure Projekt, an dem auch Spanien beteiligt ist, nur halbherzig zu betreiben.
Neben FCAS hatte auch das Raketenschild European Sky Shield, das Scholz zusammen mit anderen EU-Staaten und Israel aufbauen will, in Frankreich für Unmut gesorgt. Macron kritisierte, die Luftverteidigung des Kontinents dürfe nicht zulasten der europäischen Autonomie gehen. Weder nationale Industrien noch Drittstaaten – gemeint war Israel – dürften davon profitieren. Frankreich ist an dem geplanten Raketenschild nicht beteiligt und entwickelt seinerseits mit Italien eine Flugabwehr.