Frankreich in Sorge um das tägliche Baguette
Die französischen Bäckereien haben mit horrenden Energiepreisen zu kämpfen. Die Regierung versucht, die massenhafte Schließung von Läden zu verhindern
Normalerweise steht Julien Pedussel am frühen Morgen in seiner Bäckerei und schiebt Brot und Kuchen in den Ofen. Doch Anfang Januar ergriff der Ladenbesitzer eine ungewöhnliche Initiative: Er stoppte an einem Verkehrskreisel seiner Heimatstadt Rieux nördlich von Paris die Autofahrer, um auf seine Misere aufmerksam zu machen.
Denn Pedussel leidet unter den explodierenden Strompreisen, die ihn dazu zwingen könnten, seinen Laden schon am Monatsende zu schließen. Nachdem es im September noch rund 1 000 Euro gewesen waren, erhielt der junge Mann Ende Dezember eine Stromrechnung über fast 13 000 Euro. „Das ist der Tod meines Unternehmens“, klagte Pedussel im Fernsehen. „Wenn ich die Rechnung begleiche, dann kann ich meine Angestellten, meine Lieferanten
und den Rest meiner Nebenkosten nicht mehr bezahlen.“
Wie Pedussel geht es derzeit vielen Bäckerinnen und Bäckern. Natürlich leiden auch andere Berufszweige seit dem Ukraine-Krieg unter extrem hohen Strompreisen, doch keiner wird in Frankreich so stark beachtet wie die „Boulangers“.
Denn die 33 000 Bäckereien haben einen besonderen Stellenwert. Vor allem wegen des Baguettes, von dem jedes Jahr sechs Milliarden verkauft werden. Seit Ende November gehört das Stangenweißbrot sogar zum UNESCO-Weltkulturerbe.
Baguette als Nationalsymbol
Stolz zeigte sich Präsident Emmanuel Macron bei einem USA-Besuch mit dem Nationalsymbol in der Hand. „Das ist etwas Unnachahmliches“, lobte der Staatschef. „Viele haben versucht, es nachzumachen und keinem ist es gelungen.“
Das Baguette ist allerdings nicht nur für die französische Küche wichtig. Es symbolisiert auch die Bäckereien, die in den kleinen Dörfern oft der letzte Ort sind, an dem die Menschen zusammen kommen. Momentan leben 84 Prozent der Französinnen und Franzosen weniger als zwei Kilometer von der nächsten „Boulangerie“entfernt. Immerhin zwölf Millionen gehen täglich zum Bäcker, der gerade bei Älteren oft der einzige Kontakt zur Außenwelt ist. Wenn kleine Läden wie Pedussel schließen, bricht damit auch deren soziale Funktion weg.
Die Regierung bemüht sich deshalb, die Folgen der hohen Strompreise abzumildern. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire verkündete vergangene Woche gleich mehrere Maßnahmen. So sollen Betroffene wie Pedussel, dem die staatlichen Hilfen nicht weit genug gehen, die Stromrechnung in mehreren Raten zahlen können.
Auch bei den Steuern und Sozialabgaben soll es einen Aufschub geben. Bei extrem hohen Energiepreisen soll zudem ein Wechsel des Anbieters ermöglicht werden. Ein Brief soll jeden einzelnen Bäckerladen über seine Rechte aufklären. Um bis zu 40 Prozent könne die Stromrechnung durch staatliche Hilfen verringert werden, rechnete Le Maire vor. „Der Staat ist an der Seite aller Bäcker Frankreichs“, versicherte der Wirtschaftsminister.
Doch auch die Opposition zeigt ihre Unterstützung für die Bäckerinnen und Bäcker. Als Pedussel seine Protestaktion startete, waren Lokalpolitikerinnen und -politiker jeder Couleur mit ihm auf der Straße unterwegs. Der neue Chef des rechtspopulistischen Rassemblement National (RN), Jordan Bardella, schrieb den Bäckerinnen und Bäckern sogar einen Brief.
Der Verband der Bäckereien und Konditoreien bedankte sich bei der Regierung für die „Aufmerksamkeit“in schwierigen Zeiten. Das hindert die Bäckerinnen und Bäcker allerdings nicht daran, am 23. Januar für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen.
Wenn ich die Rechnung begleiche, dann kann ich meine Angestellten, meine Lieferanten und den Rest meiner Nebenkosten nicht mehr bezahlen. Julien Pedussel, Bäcker