Luxemburger Wort

Frankreich in Sorge um das tägliche Baguette

Die französisc­hen Bäckereien haben mit horrenden Energiepre­isen zu kämpfen. Die Regierung versucht, die massenhaft­e Schließung von Läden zu verhindern

- Von Christine Longin

Normalerwe­ise steht Julien Pedussel am frühen Morgen in seiner Bäckerei und schiebt Brot und Kuchen in den Ofen. Doch Anfang Januar ergriff der Ladenbesit­zer eine ungewöhnli­che Initiative: Er stoppte an einem Verkehrskr­eisel seiner Heimatstad­t Rieux nördlich von Paris die Autofahrer, um auf seine Misere aufmerksam zu machen.

Denn Pedussel leidet unter den explodiere­nden Strompreis­en, die ihn dazu zwingen könnten, seinen Laden schon am Monatsende zu schließen. Nachdem es im September noch rund 1 000 Euro gewesen waren, erhielt der junge Mann Ende Dezember eine Stromrechn­ung über fast 13 000 Euro. „Das ist der Tod meines Unternehme­ns“, klagte Pedussel im Fernsehen. „Wenn ich die Rechnung begleiche, dann kann ich meine Angestellt­en, meine Lieferante­n

und den Rest meiner Nebenkoste­n nicht mehr bezahlen.“

Wie Pedussel geht es derzeit vielen Bäckerinne­n und Bäckern. Natürlich leiden auch andere Berufszwei­ge seit dem Ukraine-Krieg unter extrem hohen Strompreis­en, doch keiner wird in Frankreich so stark beachtet wie die „Boulangers“.

Denn die 33 000 Bäckereien haben einen besonderen Stellenwer­t. Vor allem wegen des Baguettes, von dem jedes Jahr sechs Milliarden verkauft werden. Seit Ende November gehört das Stangenwei­ßbrot sogar zum UNESCO-Weltkultur­erbe.

Baguette als Nationalsy­mbol

Stolz zeigte sich Präsident Emmanuel Macron bei einem USA-Besuch mit dem Nationalsy­mbol in der Hand. „Das ist etwas Unnachahml­iches“, lobte der Staatschef. „Viele haben versucht, es nachzumach­en und keinem ist es gelungen.“

Das Baguette ist allerdings nicht nur für die französisc­he Küche wichtig. Es symbolisie­rt auch die Bäckereien, die in den kleinen Dörfern oft der letzte Ort sind, an dem die Menschen zusammen kommen. Momentan leben 84 Prozent der Französinn­en und Franzosen weniger als zwei Kilometer von der nächsten „Boulangeri­e“entfernt. Immerhin zwölf Millionen gehen täglich zum Bäcker, der gerade bei Älteren oft der einzige Kontakt zur Außenwelt ist. Wenn kleine Läden wie Pedussel schließen, bricht damit auch deren soziale Funktion weg.

Die Regierung bemüht sich deshalb, die Folgen der hohen Strompreis­e abzumilder­n. Wirtschaft­sminister Bruno Le Maire verkündete vergangene Woche gleich mehrere Maßnahmen. So sollen Betroffene wie Pedussel, dem die staatliche­n Hilfen nicht weit genug gehen, die Stromrechn­ung in mehreren Raten zahlen können.

Auch bei den Steuern und Sozialabga­ben soll es einen Aufschub geben. Bei extrem hohen Energiepre­isen soll zudem ein Wechsel des Anbieters ermöglicht werden. Ein Brief soll jeden einzelnen Bäckerlade­n über seine Rechte aufklären. Um bis zu 40 Prozent könne die Stromrechn­ung durch staatliche Hilfen verringert werden, rechnete Le Maire vor. „Der Staat ist an der Seite aller Bäcker Frankreich­s“, versichert­e der Wirtschaft­sminister.

Doch auch die Opposition zeigt ihre Unterstütz­ung für die Bäckerinne­n und Bäcker. Als Pedussel seine Protestakt­ion startete, waren Lokalpolit­ikerinnen und -politiker jeder Couleur mit ihm auf der Straße unterwegs. Der neue Chef des rechtspopu­listischen Rassemblem­ent National (RN), Jordan Bardella, schrieb den Bäckerinne­n und Bäckern sogar einen Brief.

Der Verband der Bäckereien und Konditorei­en bedankte sich bei der Regierung für die „Aufmerksam­keit“in schwierige­n Zeiten. Das hindert die Bäckerinne­n und Bäcker allerdings nicht daran, am 23. Januar für ihre Anliegen auf die Straße zu gehen.

Wenn ich die Rechnung begleiche, dann kann ich meine Angestellt­en, meine Lieferante­n und den Rest meiner Nebenkoste­n nicht mehr bezahlen. Julien Pedussel, Bäcker

 ?? Foto: AFP ?? Seit Ende November gehört das Baguette zum UNESCO-Weltkultur­erbe. Für die Bäcker wird es aber infolge der Energiepre­ise eng.
Foto: AFP Seit Ende November gehört das Baguette zum UNESCO-Weltkultur­erbe. Für die Bäcker wird es aber infolge der Energiepre­ise eng.

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