Luxemburger Wort

Was beim Erben und Vererben zu beachten ist

Der Kampf um das Erbe kann ganze Familien entzweien. Daher ist es wichtig, den Nachlass möglichst rechtzeiti­g und eindeutig zu regeln

- Von Thomas Klein

Jedes Jahr werden in Luxemburg Millionenv­ermögen vererbt. Für viele Menschen ist es ein wichtiger Teil ihres Lebenswerk­s, auch nach ihrem Ableben zum Wohlergehe­n ihrer Nachkommen beizutrage­n. Aber ist der Nachlass nicht eindeutig geregelt, droht Streit zwischen den Erben.

Der einfachste Weg dafür ist das Testament. „Wenn Leute verheirate­t sind und Kinder haben, ist es recht selten, dass sie ein Testament machen wollen. Das hat dann meistens spezielle Gründe, zum Beispiel, dass sie ein Kind favorisier­en. Das ist selten, kommt aber schon mal vor, wenn ein Kind sich beispielsw­eise mehr um die Eltern gekümmert hat“, sagt der Notar Roger Arrensdorf­f, der seine Kanzlei in der Hauptstadt hat. „Oder wenn jemand mehrere Kinder hat, manche aber schon Geld erhalten haben, wird das häufig über ein Testament geregelt.“

Ohne präzise Formulieru­ngen drohen Rechtsstre­itigkeiten

Grundsätzl­ich sind es im Code Civil drei Arten von Testament vorgesehen, erklärt Arrensdorf­f. Zum einen das olografisc­he oder handschrif­tliche Testament. Damit dieses gültig ist, müssen drei Bedingunge­n erfüllt sein: Es muss vollständi­g handschrif­tlich geschriebe­n sein, das Datum enthalten und unterschri­eben sein. „Das sind die einzigen Bedingunge­n. Das heißt, theoretisc­h könnte es auch auf einem Bierdeckel geschriebe­n sein“, sagt Roger Arrensdorf­f. Ein solches Testament ist auch ohne Notar gültig, die Pflicht zur Handschrif­tlichkeit

soll Fälschunge­n erschweren. Wenn man den letzten Willen selbst verfasst, sei es wichtig, auf eine möglichst einfache und eindeutige Sprache zu achten. „Je komplizier­ter es wird, desto höher ist das Risiko, dass es Widersprüc­he gibt. Das endet dann häufig vor Gericht“, so Arrensdorf­f.

Die zweite Art von Testament wird von einem Notar nach den Wünschen des Vererbende­n im Beisein von zwei Zeugen verfasst und am Ende unterschri­eben. In gewissen Fällen, wenn die vererbende Person zum Beispiel bereits ein hohes Alter hat oder Erinnerung­sschwächen aufweist, sei es sinnvoll, dass man von einem Arzt bestätigen lässt, dass sie in Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte war, sagt der Notar Marc Elvinger aus Ettelbrück. „Das macht man in erster Linie, damit das Testament im Nachhinein nicht vor Gericht angefochte­n werden kann“, so Elvinger.

Die dritte Variante, die aber inzwischen kaum noch vorkommt, ist das sogenannte „mystische“Testament. Dabei kennt auch der Notar nicht den Inhalt. Der Klient kommt mit einem verschloss­enen Kuvert, in dem das Testament drin ist. Das wird dann im Beisein von zwei Zeugen versiegelt und bis nach dem Tod des Vererbende­n aufbewahrt. „Rechtlich sind alle diese Arten von Testament gleichgest­ellt. Da gibt es keinen Unterschie­d“, sagt Arrensdorf­f.

Anrecht auf Pflichttei­l für direkte Nachkommen

Ganz frei, das Erbe so aufzuteile­n, wie man will, ist aber nur, wer keine Kinder hat. Einem einzelnen Kind steht die Hälfte der Erbmasse als Pflichttei­l zu. Zwei hinterblie­bene Kinder haben ein gesetzlich­es Anrecht auf jeweils ein Drittel der Erbmasse. Gibt es mehr Kinder, werden drei Viertel der Erbmasse unter ihnen aufgeteilt. Der Rest des Erbes, also mindestens ein Viertel, ist frei verfügbar und kann nach Belieben zugeteilt werden, sofern er nicht schon zu Lebenszeit­en verteilt wurde. Der Ehepartner hat kein gesetzlich­es Anrecht auf einen Pflichttei­l.

Oft ist der letzte Wille aber dann doch nicht der letzte Wille, wenn sich die Vorstellun­g, wer was erhalten soll, ändert. Inzwischen kann man jederzeit auch ein notarielle­s durch ein handschrif­tliches Testament ersetzen, entscheide­nd sei nur das neuere Datum, erklärt Elvinger.

In dem Fall reiche es aber keineswegs aus, einfach ein neues Testament aufzusetze­n, sondern es muss explizit erwähnt werden, dass man die vorherigen Testamente widerruft oder dass diese Version eine Ergänzung darstellt. Fehlt dieser Passus und bestehen Widersprüc­he zu den bestehende­n Dokumenten, besteht die Gefahr, dass die neue Fassung ungültig ist oder vor Gericht angefochte­n werden kann.

Menschen mit doppelter Staatsbürg­erschaft können wählen, welches nationale Recht für die Erbschaft angewandt werden soll. Gerade in Luxemburg, das zunehmend internatio­naler werde, sei es daher in solchen Fällen wichtig, im Testament eindeutig

Wenn das Testament zu Hause aufbewahrt wird, kann es sein, dass es nicht gefunden wird oder ein Hinterblie­bener es verschwind­en lässt. Natasha Feidt, Notarkandi­datin

kann bis zu 48 Prozent betragen. Der Maximalsat­z wird ab einer Erbschaft von 1,75 Millionen Euro fällig. „Aufgrund des Wertzuwach­ses bei Immobilien fallen darunter in Luxemburg viele Erbschafte­n“, erklärt Roger Arrensdorf­f.

Laut der Direction de l’Enregistre­ment, des Domaines et de la TVA (AED) betrug 2021 die Einnahme aus der Erbschafts­steuer rund 117 Millionen Euro. Demnach wurden 748 steuerpfli­chtige und 3 722 steuerbefr­eite Erklärunge­n in dem Jahr bearbeitet. „Durch den Bevölkerun­gszuwachs nimmt auch die Zahl der Erbschafte­n kontinuier­lich zu“, sagt Romain Heinen, der Direktor der Behörde.

Sobald eine Person stirbt, schreibt die AED alle potenziell­en Erben an, die dann die Verpflicht­ung haben, innerhalb von sechs Monaten eine Erbschafts­erklärung abzugeben – oder neun Monate, wenn der Todesfall im Ausland eingetrete­n ist. Ohne die Erklärung kann das Erbe nicht angetreten werden. Wenn die Frist versäumt wird, können Strafen fällig werden, aber der generelle Anspruch auf das Antreten des Erbes verfällt erst nach 30 Jahren.

Erbschafts­erklärung innerhalb von sechs Monaten

Ist keine Erbschafts­steuer zu zahlen, reicht es, die Immobilien in der Erbschafts­erklärung anzugeben. Andernfall­s muss der gesamte Wert der Erbschaft aufgeschlü­sselt werden, damit daraus die Steuer berechnet werden kann. Eine solche Aufstellun­g kann den möglichen Erben auch dabei helfen, zu entscheide­n, ob sie das Erbe überhaupt antreten wollen. Wenn zum Beispiel der Wert der Schulden das Vermögen übersteigt, kann man das auch ausschlage­n. „In dem Fall müssen die Erbberecht­igten vor Gericht erklären, dass sie das Antreten des Erbes verweigern“, erklärt Natasha Feidt.

Verstirbt jemand, ohne ein Testament zu hinterlass­en, geht es erst einmal darum zu prüfen, wer erbberecht­igt ist und wie sich die jeweiligen Erbteile aufschlüss­eln. „Zunächst muss ein Stammbaum erstellt werden, um zu sehen, wer die gesetzlich­en Erben sind. Dabei können beispielsw­eise Notare helfen, weil sie Zugriff auf das „Registre des personnes physiques“haben“, so Roger Arrensdorf­f.

Notare können auch dabei helfen, das vollständi­ge Vermögen zu bestimmen. Kinder von Verstorben­en können direkt bei den Banken nach eventuell vorhandene­n Vermögensw­erten fragen, Neffen oder Nichten können das aber nicht. „Wenn wir eine solche Anfrage bekommen, schicken wir Anfragen an die zehn größten Banken, ob es dort ein Konto des Verstorben­en gibt. Das Gleiche können wir auch zum Beispiel für Immobilien machen. Aber auch bei den Schulden“, erklärt Elvinger.

In einigen Fällen würden aber auch profession­elle Familienfo­rscher beauftragt, zum Beispiel um Erben im Ausland ausfindig zu machen. Gelingt es nicht, einen Erben zu finden, wird das Vermögen vom Erbverwalt­er, der durch das Gericht bestimmt wird, an die Konsignati­onskasse beim Schatzamt (Trésorerie de l’Etat) übermittel­t, für den Fall, dass später Erben noch Ansprüche geltend machen. „Der Staat kann zwar von seinem Recht Gebrauch machen, und diese Güter in das Staatseige­ntum nach einem längeren Verfahren übernehmen, tut das aber nur sehr selten, wenn ein allgemeine­r Nutzen besteht“, sagt Romain Heinen.

Je komplizier­ter das Testament wird, desto höher ist das Risiko, dass es Widersprüc­he gibt. Das endet dann häufig vor Gericht. Roger Arrensdorf­f, Notar

 ?? Foto: Shuttersto­ck ?? Jeder kann ein Testament aufsetzen. Rechtssich­erer ist es aber, das einen Notar machen zu lassen.
Foto: Shuttersto­ck Jeder kann ein Testament aufsetzen. Rechtssich­erer ist es aber, das einen Notar machen zu lassen.
 ?? ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg