Die Verdächtigen
In den frühen Morgenstunden des 31. August 1888 findet der Kutscher Charles Andrew Cross auf dem Weg zur Arbeit die Leiche der 43-jährigen Mary Ann Nichols. Sie ist das erste Opfer des wohl berühmtesten Serienmörders aller Zeiten: Jack the Ripper. Die Bestie von Whitechapel, wie ihn die Presse damals nennt, wird nie gefasst. Bis heute streiten die Experten über die genaue Anzahl seiner Opfer.
So uneinig sich die Ermittler aber damals wie heute auch sind, der wichtigste Hinweis auf den Täter findet sich gar nicht in England, sondern in Amerika – meint zumindest der inzwischen pensionierte britische Mordermittler Trevor Marriott, der den Fall Jack the Ripper neu aufgerollt hat. Er ist sich sicher: Die Bestie von Whitechapel hat mit dem Mord an Mary Jane Kelly am 9. November 1888 nicht, wie andere Kriminalisten meinen, von einem Tag auf den anderen aufgehört zu morden, nein, er hat weitergemacht, und zwar auf einem anderen Kontinent, in einem anderen Land: in den USA.
Weitere Morde in Übersee
Der erfahrene britische Kriminalbeamte hat mehrere Jahre damit zugebracht, Polizeiakten zu studieren, historische Zeugenaussagen zu lesen und Beweisstücke zu sichten. In den alten Akten ist er dabei auf einen wichtigen Hinweis gestoßen. Am 1. September 1894 wird in New York City die 56jährige Vermieterin Juliana Hoffman ermordet, und zwar auf die gleiche Weise, wie auch Jack the Ripper seine Opfer zurichtet: mit zahlreichen Stichen in den Unterleib und durchschnittener Kehle. Der Mörder wird allerdings vom Sohn des Opfers beobachtet und kann unmittelbar nach der Tat von einer aufgebrachten Menschenmenge gestellt und daraufhin von der herannahenden Polizei verhaftet werden.
Es ist der deutsche Seemann Carl Ferdinand Feigenbaum. In seiner Verhandlung tischt er dem Richter eine abenteuerliche Geschichte auf, die aber durch die Indizien und die Zeugenaussage des Sohnes Hoffmanns eindeutig widerlegt werden kann. Feigenbaum wird am 27. April 1896 im amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet. Interessant wird dieser Fall nun für den Kriminalisten Trevor Marriott durch ein Interview, das Feigenbaums Anwalt William Sanford Lawton nach der Hinrichtung seines Mandanten der Presse gibt und das aktenkundig geworden ist. Lawton bezichtigt
Jack the Ripper wurde nie gefasst. An die 200 Verdächtige geraten im Laufe der Zeit in das Visier der Ermittler. Sir Melville Macnaghten, der bei Scotland Yard damals zuständige Ermittlungsleiter, erstellt am 23. Februar 1894 einen Report, in dem er als Tatverdächtige den 31-jährigen britischen Lehrer und Anwalt Montague John Druitt nennt sowie den russischen Dieb und Trickbetrüger Michael Ostrog und auch den psychisch kranken Polen Aaron Kosminski. In der Folge werden aber noch viele andere als mögliche Täter gehandelt, unter anderem der „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“-Darsteller Richard Mansfield, der „Alice im Wunderland“-Autor Lewis Caroll, der Sohn Eduards VII., Prinz Albert Victor, und sogar Joseph Merrick, der aufgrund seiner seltenen Krankheit als „Elefantenmensch“weltbekannt geworden ist.
Selbst heute noch präsentieren professionelle Ermittler wie auch Hobby-Spürnasen immer neue Tatverdächtige. Die Schriftstellerin Patricia Cromwell etwa ist sich in den 1970er-Jahren sicher, der deutschstämmige Maler Walter Sickert sei Jack the Ripper und 1993 präsentiert James Maybrick sogar das Tagebuch des mysteriösen Serienmörders, das sich allerdings bald als Fälschung herausstellt. Ein australisches Forscherteam darin seinen ehemaligen Mandanten, Jack the Ripper zu sein: „Ich wette, wenn die Polizei die letzten Jahre Feigenbaums genauer untersuchen würde, führe die Spur geradewegs nach London, zu den Whitechapel-Morden.“
Als der britische Kriminalbeamte Marriott das erfährt, ist er sofort wie elektrisiert und forscht in den Akten weiter nach. Zu seinem Erstaunen stößt er dabei auf eine Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchen, die die Theorie vom deutschen Seemann Jack the Ripper erhärten. Er findet heraus, dass Carl Ferdinand Feigenbaum gar nicht Carl Ferdinand Feigenbaum
kommt 2006 hingegen nach DNA-Analysen der für echt befundenen Briefe Jack the Rippers zu der Überzeugung, der Täter sei in Wahrheit eine Frau.
Im gleichen Jahr erstellte die Metropolitan Police ein Phantom-Bild auf Basis zeitgenössischer Zeugenaussagen. Demnach ist Jack the Ripper ein 25 bis 35 Jahre alter Mann von 1,65 Meter bis 1,70 Meter Körpergröße, mit relativ hohem Haaransatz und Schnurrbart. Diese Täterbeschreibung deckt sich übrigens überraschend gut mit den behördlichen Angaben über das Aussehen des deutschen Seemanns Carl Ferdinand Feigenbaum, der für den Mord an seiner Wirtin am 27. April 1896 im amerikanischen Hochsicherheitsgefängnis Sing Sing auf dem elektrischen Stuhl hingerichtet wird.
Gut möglich, dass die Öffentlichkeit niemals erfahren wird, wer der gefürchtete Serienmörder wirklich war. Das Hauptproblem, das Ermittler damals wie heute haben, ist, dass niemand weiß, welche Spuren und sogar Opfer dem Täter zuzuschreiben sind. Allein unzählige Briefe und Bekennerschreiben, die mit dem Namen „Jack the Ripper“unterzeichnet sind, finden sich in den Polizeiarchiven.