„Budgetären Spielraum ausschöpfen“
Taina Bofferding will widerstandsfähige Gemeinden. Die Innenministerin erläutert, wie belastbar die Haushalte der Kommunen sind
Widerstandsfähig. Das ist seit geraumer Zeit ihr Lieblingswort, wenn Taina Bofferding (LSAP) die Situation der Gemeinden beschreibt. In den Rathäusern sind Krisenmanager gefordert, erst bei der Pandemie, nun bei der Preis- und Kostenentwicklung. Die Innenministerin sieht ihre Gemeinden allemal gut aufgestellt, um den budgetären Herausforderungen zu trotzen.
Taina Bofferding, Sie betonen stets die Widerstandsfähigkeit der Gemeinden: Wie gut sind die Gemeinden bis dato durch die Energieund Rohstoffkrise gekommen?
Die multiplen Krisen gehen auch an den Gemeinden nicht spurlos vorüber. Dennoch zeigt sich, dass die Kommunen belastbar und widerstandsfähig sind. Unsere Beobachtungen ergeben, dass sich keine Gemeinde in einer kritischen Lage befindet. Was auch damit zu tun hat, dass sich die Reform der Gemeindefinanzen mit ihrem Solidaritätsgedanken bewährt hat. Alle Gemeinden sind handlungsfähig.
Inwieweit spiegeln sich in den kommunalen Budgets für 2023 dennoch die Preissteigerungen der vergangenen Monate wider?
Aus einer ersten Analyse können wir herauslesen, dass die Investitionsausgaben höher ausfallen. Eine eingehendere Betrachtung wird offenbaren, ob dies den höheren Kosten geschuldet ist oder sich durch zusätzliche Projekte erklären lassen – was gerade in einem Wahljahr auch plausibel ist. Für mich bleibt wesentlich, dass das Investitionsvolumen in den Gemeinden hochgehalten wird, weil dadurch Vorhaben für die kommenden Generationen verwirklicht werden, ob Schulen,
Sport- und Kulturstätten oder im Wohnungsbau.
Ein hohes Investitionsvolumen hat auch als wirtschaftliche Nebenwirkung, dass mittelständische Unternehmen Aufträge erhalten.
Genau. Deshalb habe ich in meinen Budget-Rundschreiben auch die zweifache Herausforderung betont: Einerseits vor dem Hintergrund eines ungewissen ökonomischen Umfeldes vorsichtig zu haushalten und andererseits mit Blick auf kommende Generationen und die ökologische Wende den budgetären Spielraum ausschöpfen. Dazu gehört aufgrund der verheerenden Unwettererfahrungen vergangener Jahre auch, dass sich die Gemeinden eine resiliente Bauweise aneignen.
Wäre es angesichts der Preissteigerungen nicht sinnvoll gewesen, dass die Kommunen auch in den Genuss der Preisdeckelung bei Strom und Gas kommen?
Einerseits bin ich den Gemeinden durch eine Anhebung der staatlichen Unterstützung bei den „équipements collectifs“entgegengekommen. Andererseits machen die Energiekosten in der Regel ein Prozent der Kosten einer Kommune aus. Derzeit liegen wir je nach Gemeinde zwischen einem und drei Prozent. Es gibt also einen gewissen Im
pakt, die Entwicklung ist aber keinesfalls beunruhigend. Zur Gesamtbetrachtung dazu gehört auch, dass sich einige Gemeinden immer noch schwertun, einen kostendeckenden Wasserpreis zu applizieren.
Wobei die Herausforderung in den Rathäusern auch die ist, bei Dienstleistungen wie Wasser, Abwasser und Müllentsorgung einerseits möglichst kostendeckend zu wirtschaften und andererseits soziale Härtefälle zu vermeiden.
Auch da verfügen die Gemeinden über eine ganze Reihe an Instrumenten, um jenen Bürgern, die sich in einer prekären finanziellen Lage befinden, zu helfen und dabei ihrer sozialen Rolle gerecht zu werden. Beispielsweise die Teuerungszulage.
Sie haben die Anpassung der Subsidien erwähnt. Dennoch beanstandet das Syvicol regelmäßig, dass die Zuschüsse seit vielen Jahren nicht an die allgemeine Preisentwicklung angepasst wurden.
Wie gesagt, unsere Zuschüsse sind angehoben worden. Ansonsten wird das Solidaritätsprinzip
angewandt. Das heißt, dass anhand einer Reihe von Indikatoren die Unterstützung je nach Gemeinde variiert. Das ist eine politische Entscheidung, die auf meine Vorgänger zurückgeht und die ich für richtig halte, weil sie den reellen Begebenheiten einer Gemeinde Rechnung trägt.
Für Aufsehen sorgte unlängst die Gemeinde Leudelingen mit ihrer substanziellen Anhebung der Grundsteuer für Betriebe, die in die Gemeindekasse fließt, bei gleichzeitiger Senkung der Gewerbesteuer, die ihrerseits den Fonds de dotation globale speist. Wie bewerten Sie diesen Schritt, der in gewisser Weise dem Solidaritätsgedanken zuwiderläuft?
Erst einmal gehört zum allgemeinen Verständnis, dass jede Gemeinde einen Teil ihrer Gewerbesteuer für sich behalten darf. Da Leudelingen von Anfang an nicht einverstanden war mit der Reform der Gemeindefinanzen und vor Gericht zog, bleibt die Gemeinde ihrer Linie treu und handelt im Rahmen ihrer kommunalen Autonomie. Persönlich hätte ich nicht so gehandelt, weil es in
Die multiplen Krisen gehen auch an den Gemeinden nicht spurlos vorüber. Dennoch zeigt sich, dass die Kommunen belastbar und widerstandsfähig sind. Taina Bofferding, Innenministerin
diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten kein gutes Zeichen ist. Zudem ist die budgetäre Lage von Leudelingen nicht so, dass dieser Schritt nötig gewesen wäre.
Eine Herausforderung wird künftig darin bestehen, die finanzielle Unterstützung der Gemeinden mit deren landesplanerischer Rolle abzustimmen. Wie sieht es mit einer Anpassung des Verteilungsschlüssels beim Fonds de dotation globale aus, der sehr bevölkerungslastig ist?
Derzeit ist das nicht vorgesehen. Auch, weil das Monitoring vor drei Jahren keinen Anlass zu Korrekturen gab. Das schließt Anpassungen selbstverständlich nicht aus. Die Gemeindefinanzen sind ein dynamisches Instrument, sodass wir stets auf eine sich verändernde Konstellation reagieren können.
Um die Reform der Grundsteuer samt Mobilisierungsund Leerstandsteuer ist es nach deren Vorstellung im Oktober ruhig geworden. Eine Verabschiedung vor Ende der Legislaturperiode scheint illusorisch.
Der Ball liegt beim Staatsrat und ich hoffe natürlich, dass das Gutachten zeitnah vorliegen wird. Wir haben unsere legislative Hausaufgabe, wie vorgegeben, bis Oktober 2022 gemacht. Derzeit laufen unsere Arbeiten an der Umsetzung bereits auf Hochtouren. Wir entwickeln die informatischen Instrumente, damit alle Gemeinden später einheitliche Programme anwenden können. Dafür braucht es eine gewisse Vorlaufzeit, auch um Simulationen durchzuführen, die am Ende den reellen Begebenheiten standhalten. Auch wenn ein Inkrafttreten bis Jahresende vielleicht illusorisch erscheint: Wichtig ist, dass wir gewillt sind, diese Reform durchzuführen, weil wir auch damit einen Lenkungseffekt auf den Wohnungsmarkt anstreben.
Welche Lehren ziehen Sie als Innenministerin aus dem Fall Hesperingen, wo über Jahre Gemeindegelder veruntreut wurden?
Wir haben die Affäre intensiv verfolgt, um genau zu verstehen, was nicht gut lief – wobei man kriminelle Absichten nie ganz ausschließen kann. Im Ministerium haben wir bereits Profile eingestellt, die Fachwissen im Bereich Audit mitbringen. Ein Augenmerk muss auf die Optimierung der internen Kontrolle in den Gemeinden gelegt werden, sei es durch Leitlinien, sei es durch digitale Hürden in den Abläufen der Buchführung, sei es durch interne Audits in größeren Gemeinden. Denn die Gemeinden selbst tragen auch Verantwortung für den sorgfältigen Umgang mit öffentlichen Geldern.