E-Fuels als Alternative in Straßenverkehr und Luftfahrt
Die Zeit des Verbrennungsmotors läuft ab. In manchen Bereichen könnten synthetische Kraftstoffe ihn am Leben halten
Ab 2035 sollen in der EU keine Neuwagen mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden dürfen. Eigentlich. Der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing setzte allerdings hinter das angeblich definitive Aus vergangene Woche ein Fragezeichen.
Man müsse sich in der Energiewende alle technologischen Optionen offen halten, sagte er. Mit entsprechenden synthetischen Kraftstoffen, sogenannten E-Fuels, könne es eine Zukunft für den Verbrenner über 2035 hinaus geben.
Aber sind E-Fuels tatsächlich eine sinnvolle Alternative zur Elektrifizierung des Verkehrs? Einige Industriekonzerne scheinen das zu glauben. So eröffnete Porsche zusammen mit Siemens und weiteren Konsortialpartnern im Dezember in Chile eine Fabrik für EFuels, in der jährlich rund 130.000 Liter Kraftstoff hergestellt werden können.
Synthetisches Flugbenzin
Lux-Airport beteiligt sich an der Firma Norsk e-Fuel, die bis 2024 ein Werk im norwegischen Mosjøen in Betrieb nehmen will, in dem es unter anderem synthetisches Flugbenzin herstellt. Es sei geplant, das in Norwegen produzierte E-Fuel in die Pipeline einzuspeisen, die den Flughafen Luxemburg versorgt, bestätigt der Airport auf Nachfrage. Neben der Anlage habe Norsk eFuel weitere Projekte in Vorbereitung.
Dennoch dürften die Bereiche, in denen EFuels zum Einsatz kommen, auf absehbare Zeit sehr begrenzt sein. Der wichtigste Grund dafür sind die Kosten. Das Herstellungsverfahren ist sehr komplex. Im ersten Schritt wird Wasser durch Anlegen von elektrischem Strom, der im Idealfall aus erneuerbaren Quellen gewonnen wurde, in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff getrennt.
Damit die synthetischen Kraftstoffe auf die gleiche Weise wie fossile Brennstoffe verwendet und transportiert werden können, muss im nächsten Schritt Kohlenstoff zugeführt werden, der im Fall der Anlage von Norsk e-Fuel zuvor aus der Umgebungsluft gefiltert wurde. Das so entstandene Gas wird verflüssigt und schließlich in Raffinerien in synthetisches Kerosin, Diesel oder Benzin umgewandelt.
Teurer Herstellungsprozess
Der aufwendige Prozess macht die E-Fuels entsprechend teuer, auch weil in jedem Prozessschritt ein Teil der eingesetzten Energie verloren geht. Hier haben rein batteriebetriebene Fahrzeugen mit einer Effizienzrate von fast 70 Prozent deutliche Vorteile. Bei wasserstoffbetriebenen Brennstoffzellen kommen hingegen laut einer Studie der Denkfabrik „Agora Energiewende“gerade mal 26 Prozent der ursprünglichen Energie am Ende auf der Straße an, beim Verbrennungsmotor mit synthetischen Kraftstoffen sind es demnach gar nur 13 Prozent. Um die gleiche Strecke zurückzulegen, benötigt ein Verbrenner also etwa fünfmal mehr erneuerbare Energie.
Die Verfechter der synthetischen Kraftstoffe gehen davon aus, dass die Kosten mit dem technischen Fortschritt und einer massenhaften Anwendung weiter fallen. Der Preis hängt wesentlich von den Ausgaben für erneuerbare Energien ab. Laut Agora Energiewende kostet es mit der aktuell verfügbaren Technologie zwischen 20 und 30 Cent pro Kilowattstunde, synthetisches Methan und Öl in Mitteleuropa herzustellen.
„Wenn diese Anlagen in sonnen- oder windreichen Gebieten Nordafrikas und des Nahen Ostens gebaut würden, würden die Kosten um 40 Prozent sinken“, so die Einschätzung der Studienautoren. In Island sei unter Verwendung von Geothermie und Wasserkraft sogar ein Preis von zehn Cent pro Kilowattstunde machbar.
Der Autozulieferer Bosch rechnet damit, dass bis zum Ende des Jahrzehnts E-Fuels für 1,40 Euro pro Liter (ohne Steuern) möglich sind. Bis 2050 soll der Preis auf einen Euro
pro Liter fallen. Agora Energiewende geht aber davon aus, dass synthetische Kraftstoffe immer teurer sein werden als die direkte Verwendung von elektrischem Strom. Dass E-Fuels also dem Verbrenner zu einem zweiten Leben beim Automobilbau verhelfen, darf zumindest angezweifelt werden.
„Das ist meiner Meinung nach ein politisches und kein wissenschaftliches Thema“, sagt Bradley Ladewig, Professor für Energieverfahrenstechnik an der Uni Luxemburg. Aus wissenschaftlicher Sicht gebe es für E-Fuels in der individuellen Mobilität keine Gründe, sagt er. „In fast allen Fällen werden E-Autos für die individuelle Mobilitätsnutzung besser geeignet und kostengünstiger sein. Es kann einige Nischenanwendungen geben, einige sehr spezifische Anwendungsfälle (zum Beispiel Militärfahrzeuge oder vielleicht einige spezialisierte Einsatzfahrzeuge). Aber auch dann sollten wasserstoffbetriebene Fahrzeuge besser geeignet sein als Verbrenner mit E-Fuels“, so der Wissenschaftler.
So winken selbst manche Automobilbauer in der Frage ab. Vergangene Woche kritisierte Audi-Chef Markus Duesmann den Vorstoß von Wissing zum möglichen Ausstieg aus dem Verbrenner-Ausstieg. „Das birgt die Gefahr einer Hängepartie, und die wäre für die Autoindustrie fatal“, sagte er gegenüber dem „Spiegel“.
Sinnvoller Einsatz im Flugverkehr
Anders sieht die Situation in der Luftfahrt aus. Größere Passagiermaschinen, die rein elektrisch angetrieben werden, wird es auf absehbare Zeit nicht geben, weil Batterien, die die benötigte Energiemenge speichern können, zu groß und zu schwer sind und ein Einsatz
auf längeren Strecken so unwirtschaftlich wird.
„Die Eignung von Antriebssystemen und Kraftstoffen bei Flugzeugen hängt unter anderem von deren Zweck, Größe und Reichweite ab“, sagte Alexander Flassak, CEO des Luxemburger Flughafens, dem „Luxemburger Wort“. „Für größere Flugzeuge sind sicher alternative Kraftstoffe – zumindest kurzfristig – das Mittel der Wahl, während bei vergleichsweise leichten Sportflugzeugen die Entwicklung von Elektroantrieben bereits weit vorangeschritten ist.“
Auch Bradley Ladewig denkt, dass E-Fuels eine entscheidende Rolle bei der Dekarbonisierung des Luftverkehrs spielen werden. „Einige kleinere Flugzeuge, die kürzere Strecken zurücklegen, werden batterieelektrisch oder mit Wasserstoff betrieben werden“, sagt er. „Die Luftfahrtindustrie wird jedoch nachhaltigen Flugtreibstoff (SAF) für größere Flugzeuge benötigen, die längere Strecken zurücklegen.“Diese aus biologischen Materialien wie Pflanzenresten herzustellen, funktioniere nicht gut und es sei schwierig, auf diesem Weg die benötigten Mengen zu produzieren.
Um den Flugverkehr klimafreundlicher zu machen, haben Luftfahrtunternehmen also keine andere Wahl, als den Anteil von E-Fuels in ihren Kraftstoffmischungen zu erhöhen. Hinzu kommen gesetzliche Vorgaben. Die ReFuelEU-Aviation-Verordnung verlangt von den Flughäfen in der EU, dass sie bis 2025 eine Beimischung zu mindestens zwei Prozent von nachhaltigen Flugkraftstoffen bereitstellen – damit sind E-Fuels gemeint oder Biokraftstoffe aus Abfällen und Reststoffen. 2030 steigt die Quote auf fünf Prozent und bis zur Jahrhundertmitte soll sie 63 Prozent betragen. Der Anteil von E-Fuels alleine soll bis dahin 28 Prozent betragen.
Ambitionierte Ziele
Man begrüße, die ambitionierten Ziele grundsätzlich, sagt Alexander Flassak. „Nach unserer Einschätzung ist es aber durchaus herausfordernd, die Ziele insbesondere in den ersten Jahren zu erfüllen“, sagt er. Viele Projekte zur Herstellung von nachhaltigen Kraftstoffen seien zwar in der Planung, aber produzierten aktuell noch nichts. „Es bedarf also noch großer Anstrengungen, um die erforderlichen Beimischmengen in ausreichender Menge und annehmbaren Kosten zu erreichen.“
Zusätzliche Investitionen im Hinblick auf E-Fuels seien am Flughafen Luxemburg nicht erforderlich, die derzeit bestehenden Installationen seien in der Lage, die alternativen Kraftstoffe zu verarbeiten, sagt der Flughafenmanager. Das gelte auch für die Transportinfrastruktur. „E-Fuels können – sofern sie den entsprechenden technischen Anforderungen genügen und zertifiziert sind – durch die Pipeline geleitet und mit fossilem Kerosin gemischt werden“, so Flassak.
Aktuell gibt es weltweit rund 27.000 Flugzeuge und 90.000 Schiffe. Für die meisten Anwendungen bleibt der Verbrennungsmotor die wirtschaftlichste Antriebsform. Daher wird der Markt für E-Fuels in den nächsten Dekaden enorm anwachsen – aber im Automarkt wird er den Verbrennungsmotor kaum retten können.
In fast allen Fällen werden E-Autos für die individuelle Mobilitätsnutzung besser geeignet und kostengünstiger sein. Bradley Ladewig, Professor für Energieverfahrenstechnik an der Uni Luxemburg