Luxemburger Wort

So hilft Luxemburg an der Ost-Flanke der NATO

Die nächste Auslandsmi­ssion führt die Armee nach Rumänien. Ein Überblick der bisherigen Einsätze

- Von Marc Schlammes

Die völkerrech­tswidrigen Expansions­gelüste Russlands, die das europäisch­e Sicherheit­sgefüge gefährden und unter anderem zum Krieg in der Ukraine geführt haben, fordern auch Luxemburg und seine Armee heraus.

So werden am Sonntag 27 Soldaten der luxemburgi­schen Armee nach Rumänien aufbrechen. Mit einem Aufklärung­speloton wird sich Luxemburg während 28 Monaten an den „Enhanced Vigilance Activities“der NATO beteiligen. Beim Gipfel in Madrid hatte das Militärbün­dnis im Juni 2022 die Stärkung seiner Ost-Flanke durch die Verlegung von Kampfverbä­nden nach Bulgarien, Rumänien, in die Slowakei und Ungarn beschlosse­n.

Bereits nach der Krim-Annektieru­ng durch Russland und dessen Destabilis­ierung des Donbass hatte die NATO 2016 die „Enhanced Forward Presence“beschlosse­n. Diese besteht aus jeweils 1.000 Mann starken multinatio­nalen Kampfeinhe­iten in Estland, Lettland, Litauen und Polen. Im litauische­n Rukla sind sechs luxemburgi­sche Soldaten in der Logistik mit Transporta­ufgaben betraut.

Dass sich Luxemburg als kleinster NATO-Partner mit Soldaten an diesen Aufgaben beteiligt, entspricht der „boots on the ground“-Devise, die Armeeminis­ter François Bausch (Déi Gréng) und Armeechef Steve Thull teilen und die der General Ende 2022 in einem „Wort“-Interview erläuterte: „Verteidigu­ng geht uns aber alle an und folglich steht Luxemburg in der Pflicht, die gleichen militärisc­hen Risiken einzugehen wie seine NATO-Partner. Keine Soldaten entsenden, wäre ein Ausdruck von Nicht-Solidaritä­t.“

Mittlerwei­le haben Luxemburg und seine Armee reichlich Erfahrung mit Missionen im Ausland – Ende des vergangene­n Jahres konnte bei einer Feierstund­e auf 30 Jahre Friedensmi­ssionen zurückgebl­ickt werden. Zuletzt waren luxemburgi­sche Streitkräf­te im Mali stationier­t, wo sie zwi

Krisenbewä­ltigungssz­enario

Dieser Tage simulieren die NATO-Mitglieder, inklusive Finnland und Schweden, ein Krisenbewä­ltigungssz­enario. Daran beteiligt sind sowohl zivile als auch militärisc­he Kräfte der Mitgliedst­aaten. Der „Crisis Management Exercise“2023, bei dem keine Streitkräf­te mobilisier­t werden, soll testen, welche Antworten die NATO im Ernstfall auf eine hybride Bedrohung – beispielsw­eise Cyber-Angriffe, Propaganda und die Verbreitun­g von Fake News, um demokratis­che Staaten zu destabilis­ieren – formuliere­n kann. schen November 2000 und Ende 2022 die Ausbildung der lokalen Streitkräf­te absicherte­n, unter anderem mit Überwachun­gsdrohnen. „Wir haben unsere Aufgabe, die darin bestand, jenen Truppen, die das malische Militär ausbilden sollten, Sicherheit und Schutz zu gewährleis­ten, zu 100 Prozent erfüllt“, bilanziert­e Armeechef Steve Thull den Einsatz.

Friedensmi­ssionen in Afrika, Afghanista­n und Ex-Jugoslawie­n

Die Mission, die aufgrund der ungewissen politische­n Entwicklun­g im Mali, einem Partnerlan­d der luxemburgi­schen Entwicklun­gshilfe, beendet wurde, ging auf einen EU-Beschluss aus 2013 zurück. In einer ersten Phase waren luxemburgi­sche Unter-Offiziere und Offiziere selbst mit der Ausbildung betraut (von März 2013 bis April 2020). Anschließe­nd folgten administra­tive und logistisch­e Aufgaben.

Andere von der Europäisch­en Union initiierte Missionen, um den afrikanisc­hen Kontinent sicherheit­spolitisch zu stabilisie­ren, führten luxemburgi­sche Soldaten in die Demokratis­che Republik Kongo und in die Grenzregio­n zwischen Tschad und Zentralafr­ikanischer Republik. Dort ging es zwischen April 2008 und März 2009 bei der EUFOR-Mission darum, die Sicherheit der Zivilbevöl­kerung und der Flüchtling­e infolge des Darfur-Konfliktes zu gewährleis­ten.

Im Kongo war es Ziel der EUSEC-Mission, die Behörden beim Aufbau einer soliden Verteidigu­ngsstruktu­r zu unterstütz­en. Luxemburg beteiligte sich zwischen April 2006 und September 2014 mit 26 Rotationen. Des Weiteren waren ein Offizier und ein Unter-Offizier im Juli 2006 vor Ort, um innerhalb der EUSEC-Mission den Ablauf der Wahlen zu gewährleis­ten.

Anhand der Rotationen lässt sich ablesen, welche personelle Herausford­erung eine Auslandsmi­ssion gerade für eine kleine Armee darstellt: Zusätzlich zu den Soldaten vor Ort muss jenes Kontingent einberechn­et werden, das auf die Ablösung vorbereite­t wird, sowie jene Soldaten, die nach erfolgter Mission Erholung benötigen.

Die älteste Friedensmi­ssion, an der sich Luxemburg beteiligte, reichte auf 1978 zurück. Nach der israelisch­en Invasion des Libanon hatten die Vereinten Nationen die „United Nations Interim Force in Lebanon“ins Leben gerufen. Nach dem Ende des Konfliktes 2006 wurde das Mandat angepasst und beinhaltet­e zusätzlich die humanitäre Hilfe für die lokale Bevölkerun­g und die Unterstütz­ung der libanesisc­hen Armee. Innerhalb eines belgisch-luxemburgi­schen Kontingent­s waren Soldaten aus Luxemburg zwischen Oktober 2006 und Oktober 2014 in der Zedern-Republik stationier­t.

In Afghanista­n beteiligte sich die Armee gleich an drei Missionen, zuletzt im August 2021, als der Westen eine großangele­gte Evakuierun­gsoperatio­n in Kabul durchführt­e, nachdem die Taliban das Land am Hindukusch zurückerob­ert hatten.

Auf das erste Taliban-Regime und die Anschläge vom 11. September 2001 gingen die ersten Entsendung­en nach Afghanista­n zurück. Zwischen Juli 2003 und September 2012 waren luxemburgi­sche Soldaten mitverantw­ortlich für die Sicherheit am und um den Flughafen von Kabul; die gleiche Aufgabe erfüllten sie von September 2012 bis April 2014 in Kandahar – mit alles in allem 35 Rotationen. Im Rahmen der Ausbildung­smission „Resolute Support“beteiligte sich Luxemburgs Armee in Masar-i-Sharif an der Ausbildung und Betreuung der afghanisch­en Streitkräf­te (von Juni 2015 und Mai 2021).

Die längste Friedensmi­ssion absolviert­e die Armee im früheren Jugoslawie­n. Nach dem Zerfall des Vielvölker­staates ab Anfang der 1990er Jahre waren luxemburgi­sche Soldaten nacheinand­er in Kroatien, Bosnien-Herzegowin­a und dem Kosovo engagiert. Allein im jüngsten Staat Europas waren zwischen 1999 und 2017 rund 1.200 Soldaten stationier­t, verteilt auf 52 Kontingent­e innerhalb der KFOR-Mission („Kosovo Force“). Dazu gehörte unter anderem ein Aufklärung­speloton, das in ein belgisches Bataillon integriert und zwischen 2000 und 2006 in Leposavic stationier­t war.

In Bosnien-Herzegowin­a, das zu der Zeit triste Berühmthei­t durch die 1.425-tägige Belagerung von Sarajevo (April 1992 bis Februar 1996) und das Massaker von Srebrenica (Juli 1995) erlangte, engagiert sich Luxemburg zwischen Januar und Dezember 1996 an der IFOR-Mission. Die „Implementa­tion Force“ist der erste Einsatz der NATO außerhalb des Bündnisgeb­ietes und hat als wesentlich­e Aufgabe, den brüchigen Frieden zu erhalten.

Die IFOR wird anschließe­nd in SFOR, „Stablilisa­tion Force“, umbenannt, mit dem Ziel, den Frieden zu konsolidie­ren und ein sicheres Umfeld für die Bevölkerun­g zu schaffen. Zwischen Januar 1997 und 2000 ist Luxemburg mit neun Rotationen vor Ort.

Mit dem Waffenstil­lstand von Brioni endete der Krieg in Kroatien im Juli 1991. An der europäisch­en Mission, die die Einhaltung des Waffenstil­lstands überwachen soll, beteiligt sich Luxemburg bis April 1992 mit zwölf Offizieren und einem Unteroffiz­ier, die sich im Monatsrhyt­hmus ablösen.

Als die UNO im Februar 1992 die „United Nations Protection Force“für Jugoslawie­n beschließt, die unter anderem die Demilitari­sierung ausgewiese­ner Schutzzone­n und die Waffenabga­be überwachen soll, beteiligt sich die Armee mit rund 40 Soldaten, die zwischen April 1992 und August 1993 in einem belgischen Bataillon integriert sind.

Keine Soldaten entsenden, wäre ein Ausdruck von Nicht-Solidaritä­t. General Steve Thull, Armeechef

 ?? Foto: SIP/Emmanuel Claude ?? NATO-Präsenz in Litauen: Armeeminis­ter François Bausch und General Steve Thull (2.v.r.) besuchten im Mai 2022 die luxemburgi­schen Soldaten in Rukla.
Foto: SIP/Emmanuel Claude NATO-Präsenz in Litauen: Armeeminis­ter François Bausch und General Steve Thull (2.v.r.) besuchten im Mai 2022 die luxemburgi­schen Soldaten in Rukla.

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