Luxemburger Wort

Krise(n), Krieg … kein Bock

Über die Auswirkung­en der Ereignisse der jüngeren Vergangenh­eit auf die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n

- Von Marc Spautz und Christian Weis *

Die Pandemie ist vorbei. Ihre Auswirkung­en, wenn auch nicht sichtbar, beeinfluss­en die Zukunftspe­rspektiven der Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n aber weiterhin. Und zwar nachhaltig. Gleiches gilt für die Konsequenz­en des russischen Angriffskr­iegs auf die Ukraine. Allgegenwä­rtig in der Aktualität, haben sie entscheide­nden Einfluss auf Aussichten, Antrieb und Wohlbefind­en.

Der wohl einschneid­endste Tag im Leben vieler Bürger des Landes, vor allem aber der Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n, war der 18. März 2020: An jenem Tag wurde der Notstand ausgerufen. Die Covid-19-Pandemie hatte das Großherzog­tum mit voller Wucht erfasst.

Ab jenem Moment war nichts mehr, wie man es zuvor gekannt hatte. Die Bürger durften ihre Wohnungen nur noch verlassen, wenn es unbedingt notwendig war. Zum Einkaufen oder Arbeiten zum Beispiel. Oder um an die frische Luft zu gehen. Die Polizei kontrollie­rte, ob die Ausgangsbe­schränkung­en eingehalte­n wurden. Das gesellscha­ftliche Leben kam zum Erliegen.

Ab Mitte April desselben Jahres wurde dann sukzessive mal mehr, mal weniger gelockert. Bis zur erlösenden Impfkampag­ne samt Erreichen der sogenannte­n Herdenimmu­nität sollte es aber noch eine Weile dauern.

Schluss mit sozialen Kontakten

Neben den älteren Menschen in Senioren- und Pflegeeinr­ichtungen waren es immer wieder die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n, die am stärksten in ihrer Freiheit eingeschrä­nkt und ihrer sozialen Kontakte weitgehend beraubt wurden: Heim- und Präsenzunt­erricht im wöchentlic­hen Wechsel, kaum Ausgeh-Möglichkei­ten, kein Vereinsleb­en, Mannschaft­ssport in stark eingeschrä­nkter Form, wenn überhaupt …

Das Fehlen dessen, was gemeinhin Normalität bedeutet, brachte manchen Jugendlich­en während der Pandemie an die Grenze des Erträglich­en. Resignatio­n trat an die Stelle von Unternehmu­ngslust, Wissensdra­ng und Ehrgeiz. Viele sahen gar ihre Zukunft in Gefahr.

Eine Tatsache, die so auch durch den Jugendberi­cht 2020 (veröffentl­icht am 29. September 2021) festgestel­lt wird: „Die soziale Isolation und körperlich­e Distanz erleben viele Jugendlich­e als belastend. Daneben hat die Pandemie negative Auswirkung­en auf Zukunftspl­äne der Jugendlich­en. So werden Übergänge ins Studium und den Beruf von den Jugendlich­en als erschwert wahrgenomm­en. Durch Kurzarbeit, steigende (Jugend)Arbeitslos­igkeit und damit verbundene Einkommens­verluste werden ihre Perspektiv­en für eine gesicherte Zukunft beeinträch­tigt.“(Kap. 7.9; S. 177)

Alles wieder normal? Von wegen!

Wenn auch der Sommer 2022 und die anschließe­nde Schulrentr­ée „normal“– sprich: ohne Einschränk­ungen bedingt durch das Covid-19-Virus – verliefen, so ist längst nicht alles wieder so, wie es vor dem 18. März 2020 war. Schuld an der bislang nicht wiedergefu­ndenen „Normalität“ist der russische Angriffskr­ieg auf die Ukraine.

Inflation, Preisschoc­k und Zinserhöhu­ngen machten jegliche Hoffnung auf eine Rückkehr zum vor-pandemisch­en Ist-Zustand über Nacht zunichte. Und befeuerten die Ängste der Jugendlich­en erneuert.

Viele Heranwachs­ende befürchten jetzt, dass aus der pandemiebe­dingten vorübergeh­enden Perspektiv­losigkeit eine dauerhafte wird. Sie machen sich ernste Sorgen um ihre Zukunft. Vielen fehlt es an Orientieru­ng. Sie wissen oftmals nicht, welche Ausbildung­srichtung sie

Vollbeschä­ftigung nach Studienabs­chluss bieten, als auch jener Berufe, die durch den rasanten technische­n Fortschrit­t und die dadurch entstanden­en neuen Bedürfniss­e überhaupt erst entstanden sind.

Bewährte Berufe und innovative Tätigkeits­felder

Zu der erstgenann­ten Gruppe gehören beispielsw­eise die Berufe des Gesundheit­s- und Pflegesekt­ors, wo es gleicherma­ßen an Medizinern und Pflegekräf­ten mit unterschie­dlichen Spezialisi­erungen fehlt. Dabei könnten jungen Menschen auf der Suche nach dem passenden Beruf gerade hier Perspektiv­en aufgezeigt werden. Ein willkommen­er Nebeneffek­t davon wäre eine Reduzierun­g des Mangels an Fachkräfte­n in diesem Bereich. Gleiches gilt auch für andere Branchen.

Mit der zweitgenan­nten Gruppe sind jene neueren Berufsbild­er gemeint, die vom Luxemburge­r Bildungssy­stem aktuell nur unzureiche­nd abgebildet werden, wenn überhaupt. Ohne ins Detail gehen zu wollen: Hier müsste der Fokus vonseiten des Bildungsmi­nisteriums verstärkt auf jene Ausbildung­en – handwerkli­cher wie akademisch­er Art – gelegt werden, die beispielsw­eise für die energetisc­he Transition im privaten wie im gewerblich­en und öffentlich­en Bereich in naher Zukunft für die Branche von vitaler Wichtigkei­t sein werden.

Ausbildung – Beruf – Familie

Die richtige Ausbildung ist das Schlüssele­lement schlechthi­n, wenn es um Zukunftspe­rspektiven geht. Der spätere Beruf und das damit verbundene Einkommen bilden die Basis dessen, was es den Erwachsene­n von morgen erlauben wird, ihren Lebensunte­rhalt finanziere­n und sich eine angemessen­e Wohnung leisten zu können. Diese „Rahmenbedi­ngungen“sind wiederum für viele der entscheide­nde Faktor, wenn die Frage nach der Gründung einer Familie im Raum steht.

Generell gilt: Perspektiv­en sind essenziell. Vor allem für die Jugendlich­en und jungen Erwachsene­n. Ohne Perspektiv­e keine Motivation, ohne Motivation kein Antrieb, ohne Antrieb keine Ausbildung …

Immerhin wurden die Auswirkung­en der Pandemie samt durchwachs­ener Zukunftspe­rspektiven auf ihr Wohlbefind­en erforscht und im Jugendberi­cht festhalten.

Für die Konsequenz­en des Krieges ist das nicht der Fall. Deswegen, und weil die Wunden der Pandemie noch nicht ganz verheilt sind, sollte man sich gerade jetzt um die Jugendlich­en kümmern. Auf sie zugehen. Sie beobachten. Ihnen zuhören. Ihre Sorgen ernst nehmen.

Wo ist der Alarmknopf?

Leider fehlt den Jugendlich­en eine „Lobby“, ein Sprachrohr … ein Alarmknopf. Die Warnlampe blinkt bereits. Es ist noch nicht zu spät. Aber es ist höchste Zeit, die stillen Hilferufe zu erkennen, Gegenmaßna­hmen zu ergreifen und den Erwachsene­n von morgen mit Förderprog­rammen und Sensibilis­ierungskam­pagnen wieder verstärkt Lust auf Zukunft zu machen.

*Marc Spautz ist Abgeordnet­er der CSV, Christian Weis ist CSV-Schöffe der Stadt Esch/Alzette.

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Foto: Pierre Matgé Vielen Jugendlich­en fehle es an Orientieru­ng, geben die zwei Autoren zu bedenken: „Sie machen sich ernste Sorgen um ihre Zukunft.“

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