Luxemburger Wort

Schiffling­en sagt Schlafhänd­lern den Kampf an

Im Sommer 2022 ließ der Bürgermeis­ter Cafészëmme­ren räumen. Eine Klage wurde von der Staatsanwa­ltschaft im Februar abgewiesen. Nun geht die Gemeinde selbst vor

- Von Amélie Schroeder

Das Thema geht dem Bürgermeis­ter Paul Weimerskir­ch (CSV) nahe. Das war ihm anzumerken, als er den Gemeindera­t am Freitagmor­gen darüber in Kenntnis setzte, dass die Gemeinde Schiffling­en nun selbst gegen einen Schlafhänd­ler vorgehen wird. Die Staatsanwa­ltschaft hatte auf eine Klage der Gemeinde hin im Februar entschiede­n, keine Strafverfo­lgung einzuleite­n. Im Schreiben gab man keine weitere Erklärung zu dieser Entscheidu­ng ab.

Mitten in Schiffling­en hat der Bürgermeis­ter vergangene­n Sommer eine Gaststätte schließen lassen, in der sogenannte Cafészëmme­ren vermietet wurden. In der Avenue de la Libération hausten rund 13 Personen in sechs Haushalten, darunter vier bis fünf Kinder, in menschenun­würdigen Verhältnis­sen. Sogar auf der Kegelbahn sollen Menschen in Schlafsäck­en und Decken übernachte­t haben. „Die Würde des Menschen wurde hier auf eine brutale Art und Weise mit Füßen getreten“, echauffier­t sich der Bürgermeis­ter.

Skrupellos­e Profiteure der Wohnungskr­ise

Exorbitant­e Mieten zwischen 650 und 1.100 Euro sammelte der Vermieter jeden Monat ein. Pro Zimmer. Die 13 Personen teilten sich eine Toilette, eine Dusche und nicht immer gab es warmes Wasser. Gesetzlich verankerte Sicherheit­svorkehrun­gen suchte man in den Cafészëmme­ren vergeblich. Von Feuerlösch­ern, Brandmelde­rn oder Notausgäng­en fehlte jede Spur. In Anbetracht der Tatsache, dass die Bewohner teilweise mit Elektropla­tten in ihren Zimmern kochen mussten, ist das fatal.

„Dat deet mech vrecken“, so Paul Weimerskir­ch im Hinblick auf die Tatsache, dass die Gemeinde nun eine Direktklag­e (Citation directe) erheben muss. In der Akte, die der Kriminalpo­lizei wie auch der Staatsanwa­ltschaft vorliegen, befinden sich drei Bankbelege einer Bewohnerin sowie vier Zeugenauss­agen (Attestatio­ns testimonia­les) weiterer Bewohner, die beweisen, dass der Vermieter am Ende des Monats eine Miete erhalten und die Zimmer demnach vermietet hat. Die Beweislage scheint nicht gereicht zu haben, um auf Ebene der Staatsanwa­ltschaft weiter gegen den verantwort­lichen Schlafhänd­ler vorzugehen.

„Dieser Fall involviert viele Menschen, die ihren Pflichten nicht nachgekomm­en sind“, kritisiert Paul Weimerskir­ch weiter. Das Problem der illegalen Cafészëmme­ren besteht seit längerer Zeit und das nicht nur in Schiffling­en. Auch in anderen Gemeinden ist das Problem seit Jahren gemeinhin bekannt.

Niemand will hinsehen

Zuspruch in der Entscheidu­ng, das Urteil der Staatsanwa­ltschaft anzufechte­n, kommt von Yves Marchi (CSV). Es könne nicht sein, dass man sich immer wieder mit verschiede­nen Initiative­n für Menschenre­chte einsetze, während man toleriere, dass Menschen in nicht-humanen Bedingunge­n wohnen müssen.

Die Behausunge­n entspreche­n in den meisten Fällen nicht den Konformitä­tsanforder­ungen, weswegen die Bewohner sich nicht offiziell in den Gemeinden anmelden können. Hier kommt eine weitere ausbeuteri­sche Kraft ins Spiel. Diese erhält bis zu 200 Euro, um den verzweifel­ten Bewohnern eine fiktive Adresse in einer anderen Gemeinde anzubieten.

Besonders berührt hat Paul Weimerskir­ch der Fall einer Mutter, die ihre Kinder täglich um 6 Uhr in der Früh mit dem Zug nach Limpertsbe­rg zur Grundschul­e begleiten musste. Da sie dort an einer fiktiven Adresse gemeldet waren, mussten die Kinder den Unterricht auch dort besuchen.

„Alle verschließ­en die Augen“so der Bürgermeis­ter. Vielleicht wird die Direktklag­e der Gemeinde Schiffling­en einige Augen öffnen können.

Die Würde des Menschen wurde hier auf eine brutale Art und Weise mit Füßen getreten. Paul Weimerskir­ch, Bürgermeis­ter von Schiffling­en

 ?? Foto: Gerry Huberty/LW-Archiv ?? Sechs Personen waren bei der Räumung im vergangene­n Sommer noch anzutreffe­n. Ihr Hab und Gut mussten sie aus den Zimmern entfernen.
Foto: Gerry Huberty/LW-Archiv Sechs Personen waren bei der Räumung im vergangene­n Sommer noch anzutreffe­n. Ihr Hab und Gut mussten sie aus den Zimmern entfernen.

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