Trump könnte gleich fünfmal angeklagt werden
Falls Ex-US-Präsident Donald Trump 2024 als Präsidentschaftskandidat ins Rennen geht, könnte es für ihn öfter Gerichtssaal statt Wahlkampf heißen
Rund um den Gerichtspalast an der 100 Centre Street von Manhattan herrschte gespannte Ruhe vor der Entscheidung des Chefanklägers Alvin Bragg, ob Donald Trump als erster ehemaliger Präsident vor einem Strafgericht angeklagt wird. Obwohl Trump den Eindruck erweckt hatte, eine Vorführung vor den Haftrichter sei für Dienstag zu erwarten, waren seinem Protest-Aufruf gestern nur wenige Anhänger gefolgt. Für den Fall der Fälle errichtete die New Yorker Polizei Absperrgitter um das Gericht.
Nach der Erfahrung vom 6. Januar 2021, als aufgewiegelte Anhänger des Ex-Präsidenten den Kongress stürmten, bereiten sich die Sicherheitskräfte auch in Washington, Atlanta und Palm Beach auf alle möglichen Szenarien vor. Trump hatte auf seinem eigenen Netzwerk den Afroamerikaner Bragg in Großbuchstaben als einen „RASSISTISCHEN“, „KORRUPTEN“, „VON GEORGE SOROS BEZAHLTEN“Mann bezeichnet, „DER MÖRDER, VERGEWALTIGER UND DROGENDEALER FREI HERUMLAUFEN LÄSST“. Verbunden mit dem Appell: „HOLT EUCH UNSERE NATION ZURÜCK.“
Tatsächlich stand zu diesem Zeitpunkt noch nicht fest, was die zwölf Geschworenen der Grand Jury in New York dem Chefankläger überhaupt empfehlen würden. Am Montag hörten sie die Aussagen eines Zeugen, der auf Antrag der Verteidigung versuchte, die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen und ehemaligen „Fixers“Trumps, Michael Cohen, zu unterminieren.
Jenseits des Spektakels um die erkennungsdienstliche Behandlung, die Trump in New York erwartet, halten Analysten den Fall um die Schweigegeldzahlung an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels auf der Zielgeraden im Wahlkampf 2016 für den schwächsten unter den laufenden Ermittlungen gegen den Ex-Präsidenten. Um ihn hinter Gitter zu bringen, müsste Bragg beweisen, dass Trump die Zahlung der 130.000 Dollar verschleierte, um eine zweite Straftat zu begehen.
Kandidatur trotz Verurteilung möglich
Vor diesem Problem steht die Chefanklägerin von Fulton County im US-Bundesstaat Georgia nicht. Dort ermittelt Fani T. Willis wegen Verstößen gegen das
Wahlgesetz. Der Jury liegen unter anderen drei Telefonmitschnitte vor, in denen Trump unter anderen den zuständigen Wahlaufseher aufforderte, ihm die fehlenden Stimmen für einen Sieg in dem Südstaat „zu finden“. Willis verfolgt das Geschehen in New York mit großem Interesse, weil die Geschworenen in ihrem Verfahren bereits eine Empfehlung abgegeben haben und eine Entscheidung über eine Anklage Trumps „unmittelbar“bevorsteht.
Der ehemalige Abteilungsleiter im USJustizministerium, Paul Pelletier, hält eine Anklage in Georgia aus Sicht des Ex-Präsidenten für „die gefährlichste“, weil sie je nach Tatbestand mit bis zu 20 Jahre Gefängnis enden kann. Bei einer Verurteilung könnte Trump aber weiterhin für das Weiße Haus antreten, da die Verfassung Kandidaturen nur aufgrund des Alters, der Staatsbürgerschaft und dem Aufenthalt ausschließt. Politisch könnten die Ermittlungen nach Bundesrecht wegen seiner Rolle am 6. Januar und in der Dokumenten-Affäre, die zur Durchsuchung von Mar-aLago führte, deshalb problematischer für Trump werden. Zum einen sieht der 14. Verfassungszusatz ein Verbot für die Beteiligten eines Aufstands gegen den Staat vor, in Zukunft ein öffentliches Amt zu bekleiden. Ein anderes Gesetz sieht die gleiche Strafe bei Verstößen im Umgang mit Geheimdokumenten vor. Sonderermittler Jack Smith hat die Federführung in beiden Fällen übernommen und wird dann eine Empfehlung abgeben. Die Entscheidung über eine oder mehrere Anklagen liegt dann bei Justizminister Merrick Garland.
Zeit- und kostspielige Gerichtsverfahren
Schließlich wird für den Sommer der Beginn der Hauptverhandlung in einem Zivilprozess wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in New York erwartet, den Generalstaatsanwältin Letitia James angestrebt hat. Bei einer Verurteilung drohen Trump hohe Geldstrafen und massive Sanktionen gegen sein Unternehmen.
Der Rechtsgelehrte Dan Richman von der Columbia University nennt die Aussicht auf bis zu fünf Prozesse gegenüber dem „Guardian“als „beispiellos“. Beobachter bezweifeln, dass Trump wirklich einen Vorteil daraus ziehen kann, sich in den Augen seiner Anhänger zum Märtyrer zu stilisieren. Er werde im Wahlkampf potenziell viel Zeit mit den Prozessen verbringen. Zudem sei das keine Empfehlung für traditionelle Republikaner und Unabhängige. In jedem Fall wird die Angelegenheit kostspielig. Schon vor der ersten Anklage hat Trump rund zehn Millionen Dollar an Anwaltskosten zu begleichen.
Beobachter bezweifeln, dass Trump wirklich einen Vorteil daraus ziehen kann, sich in den Augen seiner Anhänger zum Märtyrer zu stilisieren.