Luxemburger Wort

Katastroph­e mit Ansage

„Die Welt wird nicht bedroht von den Menschen, die böse sind, sondern von denen, die das Böse zulassen.“(Albert Einstein)

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Ein schweres Zugunglück auf der wichtigste­n Strecke Griechenla­nds von Athen nach Thessaloni­ki forderte nach der Frontalkol­lision zweier Züge – eines Intercity mit rund 350 Menschen an Bord und eines Güterzuges – 57 Todesopfer. Sie starben einen grausamen, brutalen Tod. Bei Temperatur­en von bis zu 1 300 Grad blieben von ihnen nur verstümmel­te, verkohlte Überreste übrig.

Die Medien verbreiten nun neben der großen Opferzahl und Informatio­nen zum mutmaßlich verantwort­lichen Eisenbahne­r auch Berichte, die den weiteren, fundamenta­len Ursachen des Unglücks auf den Grund gehen. So erfährt man, dass der Beschuldig­te zur Unglücksst­unde vier Tage Dauerdiens­t hinter sich hatte (sic!) und gerade mal einige Monate zuvor in einem Crashkurs auf seine Aufgabe vorbereite­t worden war. So etwas in bei unseren bestens für ihre Aufgabe als Fahrdienst­leiter ausgebilde­ten Eisenbahne­rn unmöglich. In Griechenla­nd wahrlich eine schon rein menschlich tickende Zeitbombe, eine Katastroph­e mit Ansage.

Blickt man noch tiefer, kommen weitere Stichworte zur Ursachensu­che wie Privatisie­rung, Personalab­bau, Profit, Austerität ans Licht. Reaktion der griechisch­en Regierung: Drei Tage Staatstrau­er, die ob ihres Versagens nichts weiter als pure Heuchelei ist. Das Volk ist empört, in Griechenla­nd gehen die Menschen massiv auf die Straße.

Kurzer Rückblick: Die griechisch­e Bahngesell­schaft wurde im Jahr 2017 für läppische 45 Millionen Euro an die italienisc­hen Staatsbahn­en verhökert und in

Hellenic Train umbenannt. Das Schienenne­tz blieb in griechisch­er öffentlich­er Hand. Es folgten Personalab­bau und völlig unzureiche­nde Investitio­nen in Zugtechnik, sowie in Kontroll- und Sicherheit­ssysteme.

Die Kooperatio­n zwischen italienisc­hem Zugbetreib­er und griechisch­em Schienenne­tzbetreibe­r verlief alles andere als harmonisch. Die Probleme im Zugverkehr häuften sich, diverse Zugentglei­sungen inbegriffe­n. Grundprobl­em: Privatisie­rung.

Die Austerität packte in Griechenla­nd zu, die Maßnahmen zielten auf Löhne, Arbeitszei­ten, Sozialausg­aben. Häfen, Bahnen, Infrastruk­tur und alles, mit dem Geld zu machen ist, wurde privatisie­rt. Die Folgen sind heuer deutlich. Bei all den Kürzungen und Privatisie­rungen war es kein Wunder, dass ein Unglück wie dieses passieren musste, und das nicht nur, weil ein erschöpfte­r Eisenbahne­r eine Weiche falsch gestellt hat.

Der Crash zweier Züge steht wie ein Symbol für den bestehende­n Zustand der griechisch­en Gesellscha­ft und ist eine fatale Konsequenz der EU-Privatisie­rungspolit­ik. Wie immer: Gewinne werden privatisie­rt, Verluste sozialisie­rt – daran soll sich nach den neoliberal­en EU-Vorgaben auch nichts ändern. Ein Trauerspie­l, das sicherlich noch andere Dramen zu provoziere­n droht …

Und nach der Bahn, das Wasser. Statt Vergesells­chaften, weiter privatisie­ren – ein fataler Irrweg.

Frank Bertemes, Kruuchten

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