Ein Volksstromer in der Nachfolge des Volkswagens
Mit dem vollelektrischen ID.2all will VW an seine glorreiche Vergangenheit anknüpfen und die E-Mobilität für alle erschwinglich machen
Volkswagen hat hehre Ziele. Die Marke aus Wolfsburg, die ein Versprechen in ihrem Namen trägt, will an ihr reiches Erbe mit ikonischen Produkten in zeitlosem Design anknüpfen und es weiter erfolgreich in die Zukunft führen. Was einst die Millionenseller Käfer und Golf schafften, soll jetzt im Zeitalter der Elektromobilität der ID.2all richten. Eine seriennahe Studie des angehenden Volks-E-Wagens stellte der Konzern vergangene Woche im Hamburg vor. Bis zu seinem Geburtstag muss man sich aber noch etwas gedulden: Die Markteinführung steht erst 2025 an.
In der Geschichte des Automobils steht die bislang wohl größte Transformation an, gibt Thomas Schäfer unumwunden zu. Diesem Weg will sich auch die Marke Volkswagen, die seinem CEO zufolge nie stehen geblieben sei und sich oft neu erfunden habe, nicht verschließen und ihrerseits Tempo machen, um die E-Mobilität in die Breite zu bringen. „Wir transformieren das Unternehmen schnell und grundlegend – mit einem klaren Ziel: Volkswagen zu einer echten Love Brand zu machen. Der ID.2all zeigt, wo wir insgesamt mit der Marke hinwollen: nah am Kunden, Top-Technologien und mit tollem Design.“
VW wieder zum Strahlen bringen soll auch die konsequente Weiterführung der unter anderem mit dem ID.3 und dem ID.Buzz begonnenen E-Kampagne: Zehn neue Elektromodelle kündigt der Konzernchef bis 2026 an, und bis 2030 sollen sogar 80 Prozent aller VW-Modelle rein elektrisch unterwegs sein. Und trotz aller Herausforderungen arbeite VW auch noch an einem E-Auto für unter 20.000 Euro.
Preis unter 25.000 Euro
Dass der VW ID.2all optisch sowohl dem Polo als auch dem Golf nicht unähnlich ist, kommt wohl nicht von ungefähr. Er will nämlich innen so geräumig wie ein Golf, außen aber so klein wie ein Polo sein. Seine Länge von 4.050 Millimetern entspricht in etwa der des Polos. Mit seiner Breite von 1,81 und seiner Höhe von 1,53 Metern liegt er hingegen über den entsprechenden Werten des Golfs und bietet demnach ausreichend Platz für eine kleine Familie. Die wohl wichtigste Voraussetzung für einen Volkswagen beziehungsweise einen VW für alle ist aber sein Einstiegspreis. Und der soll gemäß dem Versprechen von CEO Schäfer bei unter 25.000 Euro liegen. Damit wäre der neue Stromer dann auch so erschwinglich wie ein Polo, der derzeit hierzulande in der billigsten Variante ab 23.390 Euro angeboten wird. Ob sich das Unternehmen mit dieser Preisvorgabe nicht zu weit aus dem Fenster lehnt, wird sich zeigen. Jedenfalls wird der Geldwertverfall bis zur geplanten Markteinführung in zwei Jahren den Volksstromer in der Nachfolge des Volkswagens nicht verteuern.
Der ID.2all wird auf Basis der jüngsten Evolutionsstufe des Modularen E-Antriebsbaukastens entwickelt. Als erstes MEB-Fahrzeug mit Frontantrieb soll er eine besonders effiziente Antriebs-, Batterie- und Ladetechnologie erhalten. Die 166 kW (226 PS) starke E-Maschine soll ihn in weniger als sieben Sekunden aus dem Stand auf 100 Kilometer pro Stunde beschleunigen. Der Akku ermöglicht rechnerisch eine WLTP-Reichweite von bis zu 450 Kilometern. An DC-Schnellladesäulen (Gleichstrom) soll die Batterie in 20 Minuten wieder von zehn auf 80 Prozent schnellen. Daheim oder an öffentlichen AC-Ladepunkten (Wechselstrom) wird die Batterie mit bis zu 11 kW geladen. Entworfen hat die Studie mit langem Radstand und knackig-kurzen Überhängen der neue Designchef Andreas Mindt: „Der ID.2all gibt einen Ausblick auf die neue Designsprache von VW, die auf den drei Eckpfeilern Stabilität, Sympathie und Begeisterung basiert.“Ein charismatisches Element dieser Stabilität ist das ursprünglich für den ersten Golf entwickelte C-Säulen-Design, das an die gespannte Sehne eines in Fahrtrichtung zielenden Bogens erinnert. Hinzukommt die komplett geradlinige Flanke. Sympathie soll der ID.2all unter anderem durch das geometrische Prinzip des Goldenen Schnitts, das bereits der Käfer und der Golf respektierten, sowie die Frontpartiegrafik ausstrahlen, die dem VW „ein Gesicht mit menschlichem Ausdruck“verleiht. Begeistern soll der Wagen schließlich durch seine implementierte Dynamik, die Hochwertigkeit einzelner Designelemente sowie seine zeitlose Eleganz. Mindt zufolge zeigt sie sich etwa „im Zusammenspiel der Motorhaube und der geradlinigen Silhouette, das die Studie gestreckt und souverän wirken lässt“.
Vom Interieur der Studie, die „ein klares Design und eine selbsterklärende Bedienung“bieten soll, war in Hamburg allerdings noch recht wenig zu sehen. Das 12,9 Zoll große Touchdisplay des Infotainmentsystems will VW mit einer neuen Menüstruktur ausstatten. Via Drehdrücksteller in der Mittelkonsole sollen die Fahrzeugfunktionen geregelt werden. Übersichtlich und selbsterklärend konzipiert wird das neue Multifunktionslenkrad mit nur zwei Drehwalzen links und rechts und je zwei Tasten.
Kleines Raumwunder
Punkten will der neue Volks-E-Wagen vor allem mit maximaler Raumeffizienz. Zu den Detaillösungen gehört eine umklappbare Beifahrersitzlehne. Zusammen mit der im Verhältnis 40 zu 60 klappbaren Rücksitzlehne und dem Kofferraumboden ergibt sich eine 2,20 Meter lange Ladefläche. Im XL-Format ist der 490 Liter große Kofferraum ausgeführt.
Daneben sind eine rechteckige Staubox, in die etwa mehrere Getränkekisten passen, sowie ein weiteres Staufach mit 50 Litern Volumen unter der Rücksitzbank geplant. In diesem abschließbaren Fach ist ebenfalls Raum für größere Geräte wie Laptops und Tablets, die dort auch geladen werden können. Wird die Rückbank umgeklappt, erhöht sich das Kofferraumvolumen auf 1.330 Liter.
Volkswagen plant, die Serienversion des ID.2all mit zahlreichen hochwertigen Technologien der größeren ID.-Modelle auf den Markt zu bringen. Teilautomatisiertes Fahren soll der Travel Assist in der neusten Version ermöglichen. Angedacht sind daneben ein Parkassistent mit Memory-Funktion (trainiertes Parken), elektrische Sitze mit Massagefunktion sowie ein großes Panoramadach. Vielversprechend lässt sich der VW ID.2all damit jedenfalls an. Ob auch alles tatsächlich so kommen wird, bleibt abzuwarten.