„Zwei Mal Hölle und zurück“
Der Co-Trainer von Titus Petingen Philipp Häfner findet nach langer Leidenszeit in Luxemburg ein neues fußballerisches Zuhause. Ein Anruf von Chefcoach Yannick Kakoko gab den Ausschlag
Vor wenigen Wochen feierte Philipp Häfner seinen 30. Geburtstag. „Ich saß mit ein paar Freunden einfach nur im Wohnzimmer und habe gemütlich ein Glas Wein getrunken“, sagt der Co-Trainer von BGL-Ligist Titus Petingen. „Wenn man meine Geschichte kennt, kann man verstehen, dass jeder Geburtstag etwas Schönes ist“.
Häfners Geschichte begann bei Borussia Spiesen im Saarland, dem Nachbarverein des heutigen Zweitligisten SV Elversberg. Der talentierte Fußballer wechselte alsbald in die Jugend des 1. FC Saarbrücken, spielte dann auch für Borussia Neunkirchen, um mit gerade einmal 21 Jahren als Stürmer des FV Diefflen in die Oberliga aufzusteigen. Ein Kunststück, das er zwei Jahre später mit der Sportvereinigung Quierschied wiederholen wollte.
„Als Fußballer zwickt es ja immer mal irgendwo, aber ich hatte damals plötzlich Rückenschmerzen, die sich über Monate immer mehr verschlimmerten.“Es begann eine Odyssee zwischen Ärzten und Kliniken. Irgendwann wurde eine Biopsie durchgeführt. „Auf das Ergebnis musste ich 18 Tage warten“, erzählt Häfner von grausamen Stunden der Ungewissheit zwischen Hoffen und Bangen. „Am 19. September hieß dann die Diagnose: Knochenkrebs“.
Die bösartigen Tumore im Bereich des unteren Rückens wurden in der Uniklinik Homburg entfernt. Die Operation am Becken und Iliosakralgelenk dauerte über acht Stunden. „Es wurden Teile des Knochens weggesägt, Muskeln entfernt. Wenn du dir heute meine Röntgenbilder anschaust, denkst du an einen Verkehrsunfall, alles voller Schrauben und Metall.“Es folgten Bestrahlung und Reha. Häfner schien auf dem Weg zurück. Langsam aber sicher.
Bei einer Nachuntersuchung kam dann ein schlimmer Verdacht auf: „Metastasen in der Lunge“, sagt der Saarländer und blickt kurz ins Leere. Dann erzählt er weiter: „Mir wurden vielleicht noch zwei Jahre zu leben gegeben.“Was für ein Niederschlag – und was für eine Befreiung, als sich dieses „Todesurteil“nach zwei Tagen als Fehldiagnose herausstellte. „Zwei Mal Hölle und zurück“, sagt Häfner und lächelt.
Dass er das heute so kann, hat Gründe. „Man fällt nur so tief, wie das soziale Umfeld es zulässt. Meine Familie und Freunde haben zu mir gestanden. Tags und wenn nötig auch nachts. Und ich hatte ein Ziel. Ich wollte zurück auf den Sportplatz, diesen Geruch in der Kabine wieder einatmen, das Klackern der Stollenschuhe hören, die Anspannung vor dem Anpfiff spüren. Das Glücksgefühl nach einem gewonnenen Spiel genießen.“
Im September 2017, fast auf den Tag ein Jahr nach der Diagnose, wurde Häfner erstmals wieder eingewechselt, erzielte beim zweiten Einsatz gleich wieder ein Tor. Doch so richtig sollte die Spielerkarriere nicht mehr weitergehen. Es folgte ein Jahr als spielender Co-Trainer bei der zweiten Mannschaft des FCS, ein Fußbruch beim Saarlandligisten FV Bischmisheim markierte dann den endgültigen Schlusspunkt.
Den Profi-Fußball studiert
Aber Häfner hatte schon früh beschlossen, dass sein Weg im Fußball über die aktive Zeit weitergehen sollte. Trotz Krankheit trieb er sein Studium voran, schaffte gleich zwei Abschlüsse: den Bachelor in Sportökonomie und den Master in Sportwissenschaften. Thema der Abschlussarbeit: „Mannschaftsführung im Profi-Fußball am Beispiel verschiedener TopTrainer“. Dafür hat er unter anderem mit Klaus Toppmöller und Matthias Sammer gesprochen, beim Champions-League-Teilnehmer Union Berlin und dem SC Freiburg hospitiert.
Beim Landesligisten TuS Ormesheim hatte Häfner seine erste Station als Cheftrainer, ehe
Ich wollte zurück auf den Sportplatz, diesen Geruch in der Kabine wieder einatmen, das Klackern der Stollenschuhe hören, die Anspannung vor dem Anpfiff spüren. Philipp Häfner
im Januar dieses Jahres das Telefon klingelte. „Es war Yannick Kakoko, der mich fragte, ob ich mir vorstellen könne, nach Petingen als Co-Trainer zu kommen. Unser gemeinsamer Freund Kenneth Asante hatte den Kontakt hergestellt. Ich habe beim ersten Gespräch gleich gemerkt, dass es passt. Wir teilen die gleiche Begeisterung für Fußball.“
Kakoko, der in Deutschland einst als eines der größten Talente galt, überzeugte den Saarländer vom Projekt in Luxemburg. „Yannick hat eine ganz klare Vorstellung, wie er Fußball spielen lassen will. Das finde ich toll und ich kann da viel von ihm lernen. Der Verein geht den Weg mit bescheideneren finanziellen Möglichkeiten als manch anderer in der Liga, dafür aber mit talentierten jungen Spielern.“Neben der Arbeit mit der BGL-Ligue-Mannschaft fungiert Häfner auch als Bindeglied zu den älteren Nachwuchsjahrgängen. „Ziel ist, dass man eine Spielphilosophie verinnerlicht. Man soll erkennen: Da spielt Petingen, egal welche Trikots die Jungs tragen.“
Fast täglich fährt Häfner von Saarbrücken ins Großherzogtum. „Die 120 Kilometer waren für mich an keinem einzigen Tag ein Problem“, sagt der 30-Jährige und erzählt von seinen Eindrücken: „Es ist toll, mit qualitativ so hochwertigen Spielern unter echten Profibedingungen zu arbeiten. Es ist eigentlich schade, dass zu den Spielen nicht mehr Zuschauer kommen. Ich hatte bei einem Kirmes-Spiel in der Landesliga über 1.200 Zuschauer. Das habe ich in Luxemburg so noch nicht erlebt.
Die Sprachbarriere hat er längst überwunden. „Ich habe Französisch in der zehnten Klasse abgewählt, weil ich dachte, ich brauche es nie wieder. Nach sechs Wochen in Petingen habe ich dann vor der Mannschaft gestanden und das Trainingsprogramm vorgestellt. Erst auf Deutsch, dann auf Französisch. Das gehört sich so, finde ich.“Häfner „will sich täglich weiterentwickeln“, nicht nur sprachlich, und dazu noch viele schöne Geburtstage feiern.