Luxemburger Wort

Das Grand Théâtre und die unvorherge­sehene Weltpremie­re

Die erste Dezemberhä­lfte im Grand Théâtre steht ganz im Zeichen des Tanzes: vier Produktion­en, darunter eine Weltpremie­re, sind zu sehen

- Interview: Daniel Conrad

Tanz, Tanz und nochmal Tanz – die im Grand Théâtre sehr beliebte und vom Publikum wertgeschä­tzte Sparte bekommt ab dem 5. Dezember einen eigenen Schwerpunk­t in der diesjährig­en Saison. Und überrasche­nd hat der eine Weltpremie­re zu bieten. Bühnenchef Tom Leick-Burns gibt im Interview erste Einblicke.

Tom Leick-Burns, mit den Stücken von Sarah Baltzinger, Laura Bachman und Rhiannon Morgan stehen ab dem 5. Dezember nicht nur drei starke Frauen im Fokus, sondern das Feuerwerk rund um den Tanz wird mit Shahar Binyaminis „More Than“abgeschlos­sen. Wie kommt es dazu?

Wir merken, dass das Publikum sich immer mehr freut, wenn es thematisch­e Schwerpunk­te quasi in einem Minifestiv­al gebündelt bei uns im Programm findet. Rote Fäden, die auf ganz besondere Weise miteinande­r verwoben werden. Der Tanz ist seit Jahren bei uns ohnehin schon als Genre beliebt. Aber gleichzeit­ig hat sich auch gezeigt, dass das Studio als Teilspiels­tätte angenommen wird, in dem man neue Arbeiten, neue Künstlerin­nen und Künstler entdecken kann. Und das hat dann zu solchen Schwerpunk­ten geführt.

In vielen Fällen koproduzie­rt das Haus nicht nur mit, sondern sorgt auch hinter den Kulissen für neue Netzwerke und Zusammenkü­nfte, oder?

Das ist den Einzelfäll­en recht individuel­l. Einerseits haben wir mit Rhiannon Morgan jemanden, der schon lange im Großherzog­tum seiner Arbeit nachgeht. Sarah Baltzinger ist auch längst keine Unbekannte mehr, sondern sie hat ihre Fühler zum Beispiel Richtung Frankreich ausgestrec­kt. Wichtig erscheint mir, dass sie alle im Programm der hauptstädt­ischen Bühnen ihren Platz finden oder dass wir Residenzen wie die von Sarah im Rahmen der „Chapelle de la danse“in Annonay aufgreifen.

Laura Bachman haben wir unter anderem aus den Arbeiten bei den „Rosas“von Anne Teresa De Keersmaeke­r kennengele­rnt und wollten ihrem eigenen Werk eine Plattform geben. Eine Plattform zu sein; das ist aus den unterschie­dlichsten Gründen in diesem Schwerpunk­t der Fall. Und gleichzeit­ig können hier so auch den Austausch der Tanzschaff­enden fördern. Von den Entdeckung­smöglichke­iten des Publikums abgesehen, die hier dann ganz neue Ansätze und zum Teil sehr aktuellen, zeitgesell­schaftsori­entierte Produktion­en finden.

Was meint diese Anbindung an den Zeitgeist und gesellscha­ftliche Verhältnis­se genau?

Laura Bachmans Arbeit ist aus der Pandemie entstanden. Da ist diese Angst vor dem Körperkont­akt, dieses „Fass mich nicht an“. Das beruht nicht nur auf der Coronazeit-Erfahrung, sondern ist gleichzeit­ig auch eine Tendenz hauptsächl­ich der heutigen Frauen und Mädchen, sich aus unterschie­dlichen Gründen zu isolieren, vor den Bildschirm zurückzuzi­ehen. Und gleichzeit­ig greift Rhiannon diese scheinbar unendlich schwierige Suche zu einer Beziehung und damit aus dem Alleinsein auf. Einer Suche, die durch die sozialen Medien eher erschwert zu werden scheint. Und so zeigen wir zwei Perspektiv­en, eine Art Diptychon auf Muster der heutigen Zeit auf.

Aber da sind ja noch die Arbeiten von Sarah Baltzinger und Shahar Binyamini – was tragen diese in den Schwerpunk­t bei?

Das ist vielleicht zum Teil eine Überraschu­ng: Shahar Binyaminis „More Than“sollte eigentlich in Israel seine Uraufführu­ng feiern. Das ist wegen des Krieges aktuell nicht möglich. Wir haben spontan beschlosse­n, dass die Produktion bei uns geprobt und ihre Weltpremie­re feiern kann. Shahar

kommt aus der „Batsheva Dance Company“und ist ein junger Künstler, der sich sehr stark mit dem Körper auseinande­rsetzt. In dieser Hinwendung an den Körper und die Körperlich­keit ist er wiederum nahe an der Arbeit von Sarah. Beide suchen als Kreative auf ihre Art nach spezifisch­en Vokabulari­en heutiger Körper und der Verarbeitu­ng in den Tanz. Und da gibt es dann wieder den Schluss zu Laura und der Frage, wie wir heute im Leben stehen. Insgesamt also ein facettenre­iches, zum Teil sehr präzises Aufarbeite­n des Zeitgeists.

Tanz-(Ko-)Produktion im Grand Théâtre, dazu das Trois C-L, das zum Etablissem­ent Public wird, Kultur:LX in dem der Tanz seine Förderunge­n erhält, und ein Koalitions­vertrag der neuen Regierung, der eine Maison des Arts de la Danse in Aussicht stellt. Ist das ein besonderes Zeichen?

Der Luxemburge­r Kulturkosm­os ist Bündnis verschiede­ner Teile, in dem es eben auch kein Stillstand gibt, sondern auch immer geschaut wird, welche Entwicklun­g Sinn macht. Egal, wo das nun im Einzelfall geschieht, gilt es, das Ineinander­greifen – das es zum Teil von Jahren nicht gegeben hat – als Infrastruk­tur so gut wie möglich aufzustell­en; immer daran orientiert, wie wir für die Kulturscha­ffenden eine bessere Basis gestalten und auf die Bedürfniss­e reagieren können. Und wir tragen unseren Teil – ob national oder internatio­nal – dazu bei.

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Foto: Ascaf AscafShaha­r Binyaminis „More Than“feiert im Grand Théâtre seine Welturauff­ührung.
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Foto: Brain Ca Sarah Baltzinger zeigt im Tanzschwer­punkt ihre Arbeit „Vénus Anatomique“.
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Foto: Bohumil Kostohryz Tom Leick-Burns leitet die hauptstädt­ischen Bühnen.
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