Neue Biomüll-Regelung in Frankreich läuft schleppend an
Der organische Abfall muss seit Jahresanfang getrennt entsorgt werden. Doch kaum eine Kommune ist dafür gerüstet
Die beiden lindgrünen Container stehen unauffällig neben dem Eingang zu den Markthallen im schicken Pariser Ternes-Viertel. „Bringen Sie Ihre Lebensmittelabfälle hierher“, lautet die seitlich angebrachte Aufforderung. Doch obwohl sich nach den Feiertagen eigentlich leer geschlürfte Austernschalen, abgenagte Hähnchenknochen und faule Salatblätter häufen müssten, sind die Behälter erstaunlich leer und sauber. Nichts quillt über, nichts klebt an den Öffnungen. Und weit und breit ist niemand zu sehen, der seinen Müll hier loswerden will. Dabei sollen die Container die Küchenabfälle von mehreren tausend Anwohnerinnen und Anwohnern aufnehmen. Aber die Trennung organischer Abfälle funktioniert in Frankreich schlecht.
Das soll sich nun ändern, denn seit dem 1. Januar muss der Biomüll separat entsorgt werden. Ein entsprechendes Gesetz verpflichtete die Kommunen bereits 2015 dazu; die EU nannte in einer Richtlinie den Jahresanfang 2024 als Zieldatum. Doch trotz der langen Vorlaufzeit haben die Gemeinden kaum Vorkehrungen getroffen. Die Regierung befürchtet, dass bis zum Jahresende nur rund 40 Prozent der Französinnen und Franzosen ihr KompostMaterial getrennt entsorgen können. Eine Strafe droht ihnen deshalb nicht, denn es gibt keine Kontrollen. Und für die finanziell klammen Kommunen reicht bisher die Verpflichtung, eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben zu haben.
Küchenabfälle machen rund ein Drittel des Haushaltsmülls aus, ungefähr 80 Kilo pro Einwohner
im Jahr. Bisher wird dieser Müll vergraben oder klimaschädlich verbrannt. „Ein ökologischer Unsinn“, wie die Umweltbehörde Ademe erklärt. Denn aus dem Kompost kann entweder Dünger oder Biomethan gewonnen werden, ein umweltfreundlicher Treibstoff, mit dem in Paris einige Busse und Müllautos fahren.
Keine 200 Meter für den Biomüll
Allerdings hinkt gerade die Hauptstadt, die von der Sozialistin und selbst ernannten ökologischen Vorreiterin Anne Hidalgo regiert wird, bei der getrennten Entsorgung hinterher. In kleinen Städten wie dem ostfranzösischen Besançon werden die Küchenabfälle schon länger eingesammelt und Lyon verfügt bereits über mehr als 1.500 Container für den Biomüll. Paris zählt rund tausend Container, doch der Großteil steht in Wohnanlagen, Schulen oder Kinderkrippen und ist damit nicht öffentlich zugänglich. Wer die anderen Behälter finden will, muss im Internet gezielt nach den Standorten suchen, die oft weit auseinander liegen.
Die Entsorgung erfordert dann eine kleine Stadtrundfahrt – mit Kartoffelschalen oder stinkenden Essensresten im Gepäck. Auf dem Weg zur Arbeit oder mit den Kindern zur Schule, wie sich die frü
here Vize-Bürgermeisterin Colombe Brossel das vorstellte, ist der Küchenabfall ganz sicher nicht loszuwerden. Und der versprochene Eimer, mit dem das Kompost-Material eigentlich transportiert werden sollte, ist bisher auch nicht über die Website der Stadt erhältlich.
Doch es gibt Hoffnung: Laut Umweltministerium sollen nun so viele Container aufgestellt werden, dass in Großstädten künftig nur noch maximal 150 Meter bis zur nächsten Sammelstelle zurückgelegt werden müssen. Die Stadt Paris ist weniger ambitioniert und verspricht einen Fußweg von maximal drei Minuten. Ob die Pariserinnen und Pariser ihren Biomüll dann tatsächlich wegbringen, ist allerdings fraglich. Vor allem, weil keine Informationskampagne dazu geplant ist.
Ein Pilotprojekt, das in drei Arrondissements die Haustürabholung der braunen Tonne einführte, brachte ein mageres Ergebnis: Nur drei Kilo pro Person wurden 2022 eingesammelt. „Wenn es schon im Haus nicht klappt, dann noch viel weniger auf der Straße“, kritisierte ein Anwohner, der an dem inzwischen eingestellten Projekt beteiligt war, der Zeitung „20minutes“. Er werde künftig keine 200 Meter zurücklegen, um seinen Bioabfall loszuwerden, kündigte ein anderer verärgert an.