Für die Debatte, gegen den Populismus
Das wichtigste Fazit der Bauern-Demo in der Großregion: Der Protest hat für ein Verkehrschaos gesorgt, auch für Grenzgänger auf dem Weg nach Luxemburg. Aber er blieb auf den Straßen friedlich und am Rednerpult kämpferisch, aber zivil. Man muss nicht mit allem einverstanden sein, was Bauernverbände in ein Mikro rufen. Und man kann über den Umfang der Proteste streiten. Aber die Bauern haben das Recht, für ihre Belange auf die Straße zu gehen und sich Gehör zu verschaffen. Dieses Recht haben sie genutzt.
Und sie haben sich am Trierer Viehmarkt deutlich und glaubhaft von einer zweifelhaften Parallelveranstaltung distanziert. Deren Macher wollten den Bauernprotest politisch vereinnahmen, wie sie es schon mit dem Unmut über die Corona-Maßnahmen gemacht haben. Sie wollten die Aufmerksamkeit, die 1000 Traktoren generieren, auf ihre Umsturzfantasien und diffusen politischen Forderungen umleiten. Der Hauptredner der Bauern ließ das am Montag nicht zu. Verschwörungstheoretiker und stadtbekannte Rechtsextremisten standen zwar vor der Bühne, ihre Fahne blieb aber eingerollt.
Doch sie werden es weiter versuchen: Die erste Reihe vor der Bauern-Bühne steht voll mit Kameras, die die Veranstaltung für die Plattformen der SchwurblerSzene mitschneiden. An einem Stativ hängt ein Schild, „Freie Presse“. Für diesen Subtext muss man nicht sehr clever sein: An Pressefreiheit glauben viele der hier Anwesenden nicht. Sie halten sich lieber an ihre eigenen „Quellen“– Chatkanäle ohne Pressekodex, ohne Deontologie. Ohne Transparenz und ohne den Anspruch, ausgewogen zu berichten.
Diese Entwicklung ist besorgniserregend. Ihr Ergebnis zeigt sich im Publikum gleich hinter den Kameras. Dort steht zum Beispiel ein pensionierter Finanzbeamter um die 70, der den Bauernprotest übertrieben findet. Und dann fortfährt: „Aber die Regierung muss weg! Der Habeck will die komplette deutsche Bevölkerung austauschen. Das können Sie im Internet lesen!“Luxemburg mache das mit den Flüchtlingen besser, denn: „Die nehmen ja nur Christen auf.“
Quellen bleibt der Pensionär schuldig. Ein anderer Demoteilnehmer doziert darüber, dass es keine Erderwärmung gebe, sonst wäre es ja schon längst unerträglich heiß. Was längst als Fakt etabliert ist, wird hier noch angezweifelt, um grüne Landwirtschaftspolitik zu diffamieren.
Noch vor kurzem verstand es sich von selbst, dass man Behauptungen belegen kann, wenn man im Diskurs ernst genommen werden will. Je mehr Einordnung, Transparenz und Belegbarkeit in den Hintergrund rücken, um so einfacher haben es Populisten, mit schnell getakteten Halbwahrheiten oder auch Lügen zu punkten. Es war gut, dass der Bauernverband ein Machtwort gesprochen hat. Doch die Bedrohung der Debattenkultur und damit der Demokratie bleibt auf täglicher Basis erhalten. Und sich ihr entgegenzustellen, ist Sache von uns allen.
Populisten haben es zu einfach, mit schnell getakteten Halbwahrheiten zu punkten.