Mehr als 110 Tote bei schweren Waldbränden in Chile
Wieder wüten Waldbrände in Chile – allen voran um die malerischen Küstenstädte Valparaíso und Viña del Mar. Die Zahl der Opfer steigt
Bei den heftigen Waldbränden in Chile sind jüngsten Behördenangaben zufolge bisher mindestens 112 Menschen ums Leben gekommen. 32 der Opfer seien bereits identifiziert, teilte das Innenministerium des südamerikanischen Landes am späten Sonntagabend (Ortszeit) weiter mit.
Es sind apokalyptische Bilder aus einer der dichtest besiedelten Gegenden Chiles. Aufnahmen aus den Dörfern rund um die Hafenstadt Valparaiso zeigen vollständig verwüstete Straßenzüge. Niedergebrannte Häuser, ausgebrannte Fahrzeuge, verkohlte Sträucher. Kein Leben mehr weit und breit. Mehr als einhundert Menschen sind den übers Wochenende außer Kontrolle geratenen Bränden zum Opfer gefallen, mindestens 6.000 Häuser sind zerstört oder beschädigt, Zehntausende Hektar Wald verbrannt, darunter auch der Botanische Garten von Viña del Mar, der grünen Lunge der Stadt, die an Valparaiso grenzt und eines der beliebtesten Touristenziele des Landes ist.
Feuerwehrleute versuchten am Sonntag die Feuer in und um Valparaiso aus Hubschraubern zu löschen, aber die Flammen fraßen sich mit großer Geschwindigkeit weiter vor. In der Region um die Hafenstadt leben fast eine Million Menschen. In Chile herrscht jetzt Hochsommer, wie überall auf der Südhalbkugel. Seit Wochen liegen die Temperaturen bei weit über 30 Grad, erreichen phasenweise sogar 40 Grad im Landesinneren.
„Es wird noch deutlich mehr Opfer geben“, sagte der sichtlich mitgenommene Präsident Gabriel Boric. Die Rettungskräfte hatten noch keinen Zugang zu großen Teilen des betroffenen Gebiets, sodass es nicht möglich war, eine vollständige Erhebung der Opfer oder eine Zählung der beschädigten Häuser und sonstiger Infrastruktur vorzunehmen. In dieser Gegend im Zentrum Chile, rund 120 Kilometer von der Hauptstadt Santiago entfernt, sind viele Häuser nicht aus Stein, sondern aus Holz gebaut.
„Alles explodierte wie eine Bombe“
Der Staatschef rief den Katastrophenfall aus und verhängte eine Ausgangssperre über die betroffene Region, um die Löschund Rettungsarbeiten zu erleichtern sowie Plünderungen zu verhindern. Von Montag an galten zwei Tage Staatstrauer. „Ganz Chile leidet und beweint seine Toten“, sagte der Präsident in Quilpué, einer der am stärksten betroffenen Orte in der Region Valparaíso. „Es ist die größte Tragödie, die unser Land seit dem Erdbeben vom 27. Februar 2010 erlebt hat.“Damals sind 500 Menschen gestorben.
In Quilpué wurde die Situation am Samstag binnen weniger Stunden lebensgefährlich. „Wir konnten gerade noch ein paar Habseligkeiten, unsere Katzen und etwas zu essen zusammenraffen, um dann schnell die Stadt zu verlassen“, erzählt im Gespräch mit dieser Zeitung Teresa Solís, 34. Allein in Quilpué fielen mindestens 1.300 Häuser den Flammen zum Opfer. Augenzeugen beschrieben, wie sich das Feuer innerhalb weniger Minuten ausbreitete. „Alles explodierte wie eine Bombe“. Manche Menschen starben auf der Flucht, als sie von den Flammen erfasst wurden. Andere verbrannten in ihren Häusern, die sie nicht aufgeben wollten oder wegen Alters und Gebrechlichkeit nicht konnten. Laut der Bürgermeisterin von Viña del Mar, Macarena Ripamonti, wurden am Sonntag noch mindestens 372 Personen vermisst.
Rund 1.400 Feuerwehrleute waren im Einsatz. Neben den Rettungsdiensten wurde auch das Militär zum Löschen der mindestens noch 34 aktiven Brandherde beordert. Zur Entlastung der Krankenhäuser wurden Feldhospitäler errichtet. Die Gesundheitsbehörden riefen Medizinstudenten dazu auf, sich in den Krankenhäusern zur Unterstützung zu melden.
Die Lage am Wochenende verschärften noch einmal erhöhte Temperaturen sowie starke Winde, in Böen erreichten sie bis zu 60 Stundenkilometer. Die Hitze hängt Experten zufolge neben dem Klimawandel entscheidend auch mit dem Wetterphänomen El Niño zusammen, das durch die Erwärmung des Oberflächenwassers im Pazifik gekennzeichnet ist und weltweit Auswirkungen hat. Experten wollten zudem nicht ausschließen, dass die Feuer von Brandstiftern gelegt wurden.
Nach Einbruch der Dunkelheit sieht man in der Küstenregion weithin die Hügel in Flammen stehen. Aus Häusern lodert hell und gefräßig das Feuer. Hunderten Familien gelang es erst im letzten Moment, sich aus ihren Unterkünften zu retten, bevor die Häuser ein Raub der Flammen wurden. (mit dpa)
Nach Einbruch der Dunkelheit sieht man in der Küstenregion weithin die Hügel in Flammen stehen. Aus Häusern lodert hell und gefräßig das Feuer.