Warum Trump mit einem Sieg vor dem Obersten Gericht rechnen kann
Bei der Anhörung vor dem Supreme Court zeigten sich die neun Richter skeptisch im Bezug auf einen Ausschluss von der Kandidatur
Selten gut gelaunt meldete sich Donald Trump nach Ende der Anhörungen vor dem Supreme Court aus seiner Strandvilla von Mar-a-Lago zu Wort. „Das war in vielerlei Hinsicht, schön zu verfolgen“, frohlockte der Ex-Präsident, der gegen seinen Ausschluss von den Wahlen in Colorado durch das oberste Gericht dort geklagt hatte. „Eine hervorragende Präsentation, die ausgezeichnet angekommen ist“, lobt Trump Anwalt Jonathan Mitchell, der die Anfechtung vor den neun Richterinnen und Richtern begründete.
Obwohl der Supreme Court keine Videoaufnahmen aus dem Gerichtssaal erlaubt, übertrugen die großen Nachrichtenkanäle das Audio der historischen Anhörung live. Für einen Platz im Publikum standen Neugierige über Nacht vor dem obersten Gericht an. Was sie dann drinnen erlebten, war eine Erörterung komplizierter Verfassungsfragen rund um den 14. Verfassungszusatz. Dieser schließt in Absatz 3 die Teilnahme von Teilnehmern eines Aufruhrs von künftigen Wahlen aus.
Colorado hatte unter Berufung auf den nach dem amerikanischen Bürgerkrieg in die Verfassung aufgenommenen Artikel Trump von seinen Wahlzetteln verbannt. In mehr als einem Dutzend an Bundesstaaten sind ähnliche Versuche in Vorbereitung oder haben Gerichte Anfechtungen bis zu einer Entscheidung des Supreme Court auf Eis gelegt.
Eine Entscheidung wird zeitnah erwartet, um Chaos bei den Vorwahlen am Super-Dienstag (5.3) zu vermeiden. Und Trump hat nach übereinstimmender Ansicht von Experten guten Grund, optimistisch zu sein. „Die Richter scheinen entschlossen zu sein, Trump eine Kandidatur zu erlauben“, fasst der Staatsrechtler der Notre Dame Universität Derek Muller den Konsens der Beobachter zusammen. Sie seien „besorgt, dass ein einzelner Staat die gesamten Präsidentschaftswahlen beeinflusst“.
Muller zeigte sich, wie andere Experten, überrascht, wie geschlossen sich die sonst oft gespaltenen Richter auftraten. „Sie scheinen sich einig zu sein, dass Staaten das nicht ohne Gesetzgebung des Kongresses machen können.“
Urteil mit „bedenklicher Konsequenz“
Diesen Eindruck vermittelte sicherlich der Vorsitzende Richter John Roberts, das gefühlte Zentrum des unter Trump weit nach rechts gerückten Supreme Court. Auf halber Strecke der Anhörungen gab er seine Hand zu erkennen. Der einzige Grund, warum der Zusatzartikel in die Verfassung aufgenommen worden sei, habe nach dem Bürgerkrieg darin bestanden, die Rechte der Gliedstaaten zu beschneiden. Der
14. Zusatzartikel sei deshalb „der letzte Ort“nach einer Rechtfertigung für die Erlaubnis von Staaten zu suchen, „den Prozess der Präsidentschaftswahlen zu bestimmen“.
Roberts fragte den Vertreter Colorados, Jason Murray, was passieren würde, wenn das Supreme Court der USA die Entscheidung des Bundesstaates Bestand haben lässt? Er vermute, „dass wir in einer guten Reihe an Staaten dann Anfechtungen des demokratischen Kandidaten sehen werden.“Der Ausgang der Wahlen hinge dann davon ab, wer wo antreten könne. „Das wäre eine ziemlich bedenkliche Konsequenz“.
Dem Vertreter Colorados fiel es erkennbar schwer, Argumente zu finden, die Skepsis der gesamten Richterbank zu überwinden. „Es gibt einen Grund, warum Absatz drei über 150 Jahre unangerührt blieb“, erklärte Murray. Die USA hätten seit der Zeit nach dem Bürgerkrieg so etwas wie den 6. Januar 2021 nicht erlebt. „Aufruhr gegen die Verfassung ist etwas Außerordentliches.“
Selbst die beiden liberalen Richterinnen Elena Kagan und Ketanji Brown Jackson überzeugte das nicht. Die schwarze Richterin Brown Jackson argumentierte historisch, als sie an die Absicht des Zusatzartikels erinnerte. Es sei darum gegangen, Rebellen in den Südstaaten daran zu hindern, zurück in den Kongress zu gelangen. Deshalb sei das Amt des Präsidenten nicht ausdrücklich erwähnt worden.
Andere Fragen der Anhörung drehten sich um historische Vorbilder für die Entscheidung Colorados, wie die Rechte einer Person geschützt werden, der vorgeworfen wird, ein Aufrührer zu sein, die Definition des Begriffs und praktische Konsequenzen.
Richterin Kagan brachte das Denken des Supreme Court bei der Befragung der Justiziarin Colorados, Shannon Stevenson, auf den Punkt. Donald Trump vom Wahlzettel zu streichen, sei etwas anderes als bloß festzustellen, dass jemand zu jung für das Amt ist oder nicht in dem Staat lebt. „Es ist komplizierter, umstrittener und, wenn sie so wollen, politischer“.