Neobroker sollen bald teurer werden
Immer mehr Anleger investieren über Online-Makler und Trading-Apps. Doch das Geschäftsmodell ist bedroht. Kostet der ETF-Sparplan bald mehr?
Seit der Corona-Pandemie zieht es mehr und mehr Kleinanleger an die Börse. Auf den großen Einbruch der Aktienmärkte 2020 folgte der extreme Kursanstieg vieler Werte. Seither kennt der Markt vor allem eine Richtung: nach oben. Das führt vor Augen, wie viel Geld man mit dem Investieren an der Börse verdienen kann.
Den Boom unter Kleinanlegern haben aber auch sie ermöglicht: Neobroker und ihre Trading-Apps. Die bekanntesten Namen in der Branche sind Scalable Capital und Trade Republic. Sie haben das Anlegen spielend leicht gemacht und dazu auch noch günstig. Man lädt die App herunter, eröffnet online ein Depot, richtet den Auftrag für den Sparplan ein – fertig. Bei Trade Republic beträgt die Order-Gebühr 99 Cent. Bei Scalable Capital fallen gar keine direkten Gebühren an. Davon profitieren auch Kunden in Luxemburg. Aber das könnte sich bald ändern.
EU verbietet Gebührenmodell namens „Payment for Order Flow“
Finanziert haben sich die Neobroker eben nicht über die Beiträge ihrer Kunden, sondern über eine Gebührenstruktur namens „Payment for Order Flow“(PFOF). Kritiker sehen darin ein umstrittenes Geschäftsmodell. Es funktioniert so: Neobroker führen Transaktionen an der Börse nicht selbst aus, sondern nutzen Handelspartner. Diese verdienen Geld durch den sogenannten Spread, die geringfügige Handelsmarge zwischen dem Kauf- und Verkaufspreis einer Aktie. Im Gegenzug für diese Geschäftsmöglichkeit zahlen sie eine Provision an den Neobroker.
Das erlaubt es den Neobrokern, vom Kunden selbst keine oder nur geringe Gebühren pro Order zu nehmen. Es besteht aber die Gefahr eines Interessenkonflikts. Broker könnten Aufträge zu den Partnern mit der höchsten Provision geben, anstatt nach dem besten Ausführungspreise für die Kunden zu gehen. Darum wurde die Europäische Union aktiv und entschied: Ab 2026 ist das Gebührenmodell namens PFOF in der EU verboten.
Die Entscheidung ist ein Schlag für Neobroker, aber auch für Kleinanleger, kritisiert der wirtschaftspolitische Sprecher der Konservativen im Europaparlament, Markus Ferber. Denn durch das PFOF-Verbot könnten Aktiengeschäfte für Kleinanleger teurer und damit unattraktiver werden.
Traditionelle Broker und Börsen erheben hohe Transaktionskosten. Bei Kleinanlegern fressen diese Kosten schnell die Rendite auf. „Mit zehn Euro muss ich zu normalen Bedingungen nicht auf den Börsenplatz gehen. Genau das war der Vorteil von Neobrokern“, sagt Ferber. Mit PFOF sei im Prinzip ein Rabatt gewährt worden, der von den Handelsplätzen direkt an die Kunden weitergegeben wird. Damit sei die Börse auch für Kleinanleger attraktiv geworden, besonders für die jüngere Generation. Natürlich gebe es dabei auch Schwierigkeiten, räumt Ferber ein. „Es stellen sich sicherlich Fragen nach Interessenkonflikten des Brokers, Kostentransparenz und Ausführungsqualität. Das sind aber alles lösbare Fragen, die man auch ohne ein Komplettverbot angehen kann.“Diese Chance habe die EU nun vertan. „Ein Verbot ist genau das falsche Signal. Es wird vor allem ein Resultat haben: höhere Kosten für Wertpapiertransaktionen.“Der Zugang zum Kapitalmarkt werde wieder ein Stück unattraktiver für Kleinanleger. Noch dazu würde die EU mit dieser Regelung Fintechs schwächen.
Luxemburger EU-Abgeordnete sehen Verbot positiv
Die Mehrheit im EU-Parlament und auch Abgeordnete aus Luxemburg sehen das anders. Sie stimmten dem PFOF-Verbot zu und erkennen darin Verbraucherschutz.
„Aus Sicht meiner politischen Gruppe ist das Verbot ein wichtiger Schritt in Richtung eines besseren Anlegerschutzes für Kleinanleger in der EU und wird dafür sorgen, dass Makler die Aufträge ihrer Kunden künftig an die Handelsplätze mit den besten Handelsbedingungen und nicht mehr an die Handelsplätze mit der höchsten Vergütung weiterleiten“, erklärt der EU-Abgeordnete Marc Angel (LSAP) gegenüber dem „Luxemburger Wort“.
Provisionszahlungen für die Auftragsvermittlung von Handelsaufträgen führten nun mal zu einem eindeutigen Interessenkonflikt zwischen dem Makler und seinen Kunden, da sie einen Anreiz für die Makler darstellen können, Handelsplätze zu wählen, die dem Makler die höchste Vergütung bieten, anstatt die beste Ausführung für den Kunden zu erzielen.
Ähnlich sieht es auch die luxemburgische EU-Abgeordnete Martine Kemp (CSV): Das Gebührenmodell PFOF sei intransparent. Mit dem Verbot sollen vorher versteckte Kosten für Verbraucher zu klar erkennbaren Kosten werden.
Neobroker sehen das naturgemäß anders. Sie werfen den Banken vor, massiv für ein „PFOF“-Verbot lobbyiert zu haben, um die eigenen Geschäftsmodelle zu stützen. Schließlich sind die Neobroker eine ernsthafte Konkurrenz. „Das PFOF-Verbot ist ein klarer Lobbyerfolg der großen Monopolbörsen Deutsche Börse und Euronext“, erklärt Trade Republic auf Anfrage.
Das PFOF-Verbot „steht nicht im Einklang mit den Zielen der Kommission, neue Möglichkeiten für Sparer und Anleger zu schaffen, sondern dient vor allem den Akteuren, die Wettbewerb auf den Kapitalmärkten verringern und ihre Existenz mit hohen Gebühren sichern wollen. Das betrifft nicht nur die Kunden von Neobrokern, sondern alle Wertpapieranleger, die ebenfalls vom Wettbewerb zwischen Börsenplätzen profitieren“, ergänzt Scalable Capital gegenüber dem „Wort“.
Zugang zum Finanzsystem für alle
Worin sich alle einig sind, EU, Abgeordnete und Neobroker: Sie alle wollen den Zugang zum Finanzmarkt erleichtern und die Aktienkultur stärken. Neobrokern ist genau das in den vergangenen Jahren gelungen. Das Werbeversprechen von Trade Republic lautet, „jedem die Möglichkeit zu geben, durch einfachen, sicheren und kostenlosen Zugang zum Finanzsystem Wohlstand zu schaffen“. Ob Wohlstand geschaffen oder gezockt wird, das bleibt den Anlegern überlassen. Aber den Zugang zum Finanzsystem haben die Neobroker tatsächlich erleichtert – und das auch in Luxemburg.
Das Großherzogtum ist zwar ein wichtiger Finanzplatz in der EU, aber keine Nation von Anlegern. Nicht nur Investas, die Luxemburger Vereinigung privater Investoren, würde das gerne ändern. Es war daher ein kleiner Meilenstein, als die Neobroker mit Verzögerung auch auf den Luxemburger Markt kamen. Dass der Zugang zu Online-Diensten in Luxemburg keine Selbstverständlichkeit ist, weiß jeder, der regelmäßig an Bestellungen über Amazon scheitert.
Zugang zum Kapitalmarkt und Finanzbildung sind auch den luxemburgischen Abgeordneten ein Anliegen. „Es ist ungemein wichtig, dass wir die Finanzkompetenz der Europäer, und vor allem unserer Jugend, stärken“, sagt Angel. Dazu gehöre auch, „den Zugang zu den Finanzmärkten für Kleinanleger zu vereinfachen und so auch die Finanzierung der Wirtschaft durch Kleinanleger verstärkt zu ermöglichen. Allerdings müssen hierfür auch die richtigen Rahmenbedingungen geschaffen werden.“
Millennials und die Generation Z sind mit Neobrokern sozialisiert worden. Gerade für junge Menschen, die es gewohnt sind, Geld über Apps auf dem Smartphone anzulegen, wäre ein Ende der Neobroker ein Einschnitt. Während Corona gab es einen kleinen Boom an der Börse. Seit dem Krieg in der Ukraine und aufgrund der hohen Inflation sind viele Anlegerinnen und Anleger vorsichtiger geworden. Setzt das EUVerbot dem Trend Börse nun ein endgültiges Ende?
Ferber fürchtet genau das. Die meisten Neobroker versuchten, ihre Modelle anzupassen. „Aber diese Form, dass es Rabatt gibt durch die Handelsplattformen, das wird es eben nicht mehr geben. Und ob die neuen Modelle dann noch attraktiv genug sind für Kleinanleger, das ist fraglich“, sagt er. Für die private Altersvorsorge sei es
Ein Verbot ist genau das falsche Signal. Es wird vor allem ein Resultat haben: höhere Kosten für Wertpapiertransaktionen. Markus Ferber, wirtschaftspolitische Sprecher der Konservativen im Europaparlament
aber wichtig, dass gerade junge Anleger dranbleiben. Und wie sehen die Neobroker ihre Zukunft nach 2026? „Wir werden bis dahin und darüber hinaus das günstigste und beste Angebot für Sparer und Anleger bereitstellen. Denn der Preisvorteil, den wir als Innovations- und Technologieführer bieten können, bleibt bestehen“, erklärt Scalable Capital auf Anfrage.
Und auch Trade Republic kündigt an: „ETF-Sparpläne werden bei Trade Republic immer gebührenfrei sein.“Man werde weiterhin das beste und günstigste Angebot für Privatkunden bereitstellen.