Luxemburg ist skeptisch gegenüber EU-Lieferkettengesetz
Die geplante Regelung fand gestern überraschend keine Mehrheit unter den Mitgliedsstaaten. Dabei war sie eben erst ausgehandelt worden
Das eigentlich fertig ausgehandelte EU-Lieferkettengesetz fand am Freitag keine Mehrheit unter den EU-Mitgliedstaaten. Die belgische EU-Ratspräsidentschaft entschied daraufhin, die formale Abstimmung zu vertagen. Dass eine neue EU-Regel nach dem Abschluss der Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament nicht abgesegnet wird, ist sehr selten.
Beim EU-Lieferkettengesetz geht es darum, Unternehmen stärker für Missstände in ihren Lieferketten in die Pflicht zu nehmen, etwa für Verstöße gegen Menschenrechte oder Umweltauflagen. Unter das Gesetz würden Unternehmen mit Sitz in der EU und ihre Mutterkonzerne mit mindestens 500 Beschäftigten fallen, die weltweit jährlich mindestens 150 Millionen Euro umsetzen. Das Gleiche soll für Unternehmen gelten, die ihren Hauptsitz nicht in einem der Mitgliedstaaten haben, aber einen ebenso hohen Umsatz in der EU generieren.
Unternehmen wären unter dem Gesetz künftig verpflichtet, negative Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf Menschenrechte und Umwelt zu ermitteln. Mögliche Folgen müssten sie beenden oder beheben. Obendrein müssten sie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards auch bei ihren Partnerunternehmen in der Wertschöpfungskette überwachen. Bei Verstößen könnten Unternehmen Strafen in Höhe von bis zu fünf Prozent ihres weltweiten Umsatzes drohen.
Deutschland auf der Bremse
Besonders die deutsche Bundesregierung haderte nach den Verhandlungen noch mit dem Text. Die liberale FDP, die zur Koalitionsmehrheit gehört, meint, dass das Regelwerk Unternehmen mit unnötiger Bürokratie überschwemmen würde. Doch war Deutschland nicht das einzige Land, das am Freitag skeptisch war.
Auch die luxemburgische Regierung meldete Zweifel an. Auch unter der blau-rotgrünen Vorgänger-Regierung hatte das Vorhaben für Diskussionsstoff gesorgt. LSAP und Déi Gréng warben dabei für ein relativ breites Anwendungsfeld – die DP wollte dagegen verhindern, dass das EU-Regelwerk auch die Fondsindustrie berührt. Die neue CSV-DP-Regierung übernahm dann die gleiche Haltung und warb weiterhin für einen Ausschluss des Finanzsektors aus dem Anwendungsbereich des Lieferkettengesetzes. Zusammen mit anderen EU-Staaten setzte sich diese Linie durch.
LSAP und Déi Gréng verstehen Skepsis der Regierung nicht
„Finanzdienstleistungen (werden) vorübergehend vom Anwendungsbereich der Richtlinie ausgenommen, es wird jedoch eine Überprüfungsklausel für eine mögliche künftige Einbeziehung des nachgelagerten Finanzsektors auf der Grundlage einer ausreichenden Folgenabschätzung geben“, lautete es nach den Verhandlungen zwischen Mitgliedstaaten und EU-Parlament Ende 2023. Es fehlte nur noch die finale Abstimmung – in der Regel eine reine Formsache.
Beim allerletzten Feinschliff an der Direktive am Donnerstagabend wurde allerdings von der belgischen Ratspräsidentschaft entschieden, einige Holdingsgesellschaften doch in den Anwendungsbereich des Regelwerkes zu integrieren. Dem hätte die luxemburgische Regierung dem Vernehmen nach wohl nicht zustimmen können. Doch zu einer Abstimmung ist es ohnehin nicht gekommen – die belgische Ratspräsidentschaft entschied, aus Angst keine Mehrheit zu finden, die Abstimmung auf nächste Woche zu verschieben. Bis dahin soll noch an den finalen Details gearbeitet werden.
„Wir haben kein Interesse daran, dass Luxemburg Unternehmen beherbergt, die Menschenrechtsverletzungen und Klimasünder unterstützen“, sagt Sam Tanson dazu, Chamber-Mitglied für Déi Gréng. Sie plädiert demnach dafür, dass das EU-Lieferkettengesetz auch für den Finanzsektor gilt. „Einheitliche europäische Regeln würden helfen, unsere Ziele – nämlich den Schutz der Menschenrechte und des Klimas – zu erreichen“.
Franz Fayot, Parlamentarier für die LSAP und ehemaliger Wirtschaftsminister, erkennt in dem Vorgehen der Regierung den Sieg der „business as usual“-Haltung: „Sorgfaltspflicht wird als reines Schikanieren von Unternehmen gesehen. Ganz nach dem Motto: Wettbewerbsfähigkeit über alles.“Dabei wären neue Sorgfaltspflichtsregeln sinnvoll für den Luxemburger Finanzplatz, so Fayot weiter: „Jedes Mal, wo eine hier angesiedelte Holding in fragwürdige Geschäfte verwickelt ist, leidet auch Luxemburg darunter.“
Wir haben kein Interesse daran, dass Luxemburg Unternehmen beherbergt, die Menschenrechtsverletzungen und Klimasünder unterstützen. Sam Tanson, Déi Gréng