Joseph Kutter: Porträts und Facetten einer Malerei, die besonders berühren
Das Nationalmusée um Fëschmaart zeigt „Dem Kutter seng Gesiichter“. Die Ausstellung achtet insbesondere auf Nachhaltigkeit
Kutter forever! Wie kein anderer Künstler ist Joseph Kutter mit dem Nationalmusée um Fëschmaart verbunden. Er wurde in der Rue Wiltheim, nur einen Steinwurf vom Fischmarkt entfernt, im Jahr 1894 geboren und steht bis heute in einer ganz besonderen Wechselbeziehung zum Museum, das einerseits sein Werk bewahrt und propagiert, anderseits aber auch vom Glanz des Künstlers ein bisschen abbekommt: Kutter ist Luxemburgs bekanntester Maler der Moderne.
So hat das Museum seit seiner Gründung bereits vier monografische KutterAusstellungen gezeigt. Die erste 1946, nur fünf Jahre nach dem Tod des Künstlers. 1961 folgte dann eine zweite; 1995 und 2007, als Luxemburg den Titel Europäische Kulturhauptstadt trug, wurde er ebenfalls gewürdigt.
Nun steht der Maler mit dem kräftigen Pinselstrich und seinen expressionistischen Motiven abermals im Blickpunkt des Museums, diesmal unter dem Motto „Dem Kutter seng Gesiichter – Nei Facettë vun eiser Sammlung“. Das Museum will zeigen, dass es noch so manches über ihn zu sagen gibt, dass einiges nur sehr wenig erforscht ist – etwa seine Maltechnik. Kuratiert haben die Ausstellung, die bis zum 1. September zu sehen ist, Lis Hausemer und Muriel Prieur.
Dabei ziert übrigens erstmals bei einer Kutter-Schau ein Frauenporträt des Malers das Ausstellungsplakat, das Ölgemälde „Femme accoudée“, gemalt um das Jahr 1929, eines der Gemälde, in dem der Künstler malerische Elemente wie die Farbkomposition ganz bewusst in den Vordergrund rückt. Zudem unterstreicht er darin auch durch das Zusammenspiel von starken vertikalen und horizontalen Linien sein besonderes Interesse an geometrischen Formen. Das eigentliche Motiv tritt in den Hintergrund.
Die Ausstellung betont zudem die Schwermut des Künstlers, der an einer bis heute unbekannten Krankheit litt und frühzeitig gestorben ist. Sein Bild „Intérieur aux trois figures“wurde 1940 gemalt, nur wenige Monate bevor der Tod ihm den Pinsel aus der Hand nahm. Drei Personen sind dargestellt in einem Raum, eine Frau, zwei Jungen, alle mit Distanz zueinander, so als seien sie isoliert und alleingelassen.
Kutter auch im Kontext seiner Zeit und seines Milieus
Anlass für diese Ausstellung ist, wie Museumsdirektor Michel Polfer bei einer Pressebesichtigung hervorhob, die zum Jahresende 2023 erfolgreich abgeschlossene Crowdfunding-Kampagne „Klammt mat an d‘Course!“, die es dem Museum erlaubt hat, das Bild „Champion“, ein ikonisches Kutter-Werk aus dem Jahr 1932, zu erwerben. Das Bild zeigt den Tour de France-Gewinner Nicolas Frantz, der im November dieses Jahres 125 Jahre alt geworden wäre. Das Porträt gab dem Museum die Idee, diesmal die von Kutter gemalten Gesichter aus der Museumssammlung zu zeigen, also Porträts und Selbstbildnisse. Um dieser feierlichen Aufnahme des neuerworbenen Bildes in die Museumssammlung auch einen feierlichen Rahmen zu geben, wurde der „Champion“anderen sehr bekannten Kutter-Gemälden entgegengestellt, etwa „Le cheval de bois“(1937), „Suzanne“(1933) oder „Autoportait à la chemise rouge“(1919). Die Bilder sind fast wie eine große Familie, die hundert Jahre später wieder zusammen findet.
Damit wird Joseph Kutter auch im Kontext seiner Zeit und seines Milieus gezeigt. Der Junge auf dem Holzpferd ist der Sohn des Künstlers, Dolphe Kutter; „Carnaval“(1932/33) zeigt seine Tochter Catherine und seinen Neffen Pierre. Diese Gesichter versuchen nichts zu verbergen, sie nehmen keine Posen ein, kein Lächeln, keine aus
Man ist doch am zufriedensten, wenn man arbeitet, man hat dann keine Zeit, an all das Unschöne im Leben nachzudenken. Joseph Kutter, 1933
fallende Mimik, vielleicht etwas traurig, wie die Clowns, aber frei und frank offenbaren sie sich dem Betrachter. Und gerade das macht diese Kutter-Ausstellung besonders berührend.
Mit der Ausstellung „Dem Kutter seng Gesiichter“wurde aber auch über den Künstler geforscht, der an der Akademie in München studiert und dort auch die deutschen Expressionisten kennengelernt hat, danach Cézanne entdeckte und später künstlerisch sowohl nach Belgien als auch nach Frankreich blickte. „Während sein Werk unter stilistischen und kunsthistorischen Gesichtspunkten vielfach untersucht wurde, gibt es keine Literatur über seine Technik“, so die Ko-Kuratorin Muriel Prieur, „es sind nur wenige Dokumente zu diesem Thema erhalten geblieben“. Glücklicherweise bieten aber die Gemälde selbst eine Fülle an Informationen und geben einen Einblick in die Art und Weise, wie sie entstanden sind. Es muss ein mühsamer Prozess gewesen sein, der von Ver
änderungen und Neuanfängen geprägt war, denn die jeweilige Farbschicht ist dick und von Spuren des Ausradierens und Überarbeitens sowie der Verwendung verschiedener Werkzeuge wie Pinsel, Paletten und Schaber geprägt.
Viele von Kutters Zeichnungen ähneln seinen späteren Gemälden und scheinen daher Vorbereitungen für diese zu sein. Ein gut dokumentiertes Beispiel ist „Der Fischer“. Neben der Zeichnung in der Museumssammlung blieben zwei weitere Skizzen und zwei Gouachen erhalten. Auf den Rückseiten des Porträts „Suzanne“und der Landschaft „Embarcadère en Hollande“finden sich weitere vorbereitende Skizzen zum selben Thema. All dies verdeutlicht das oftmals lange Ringen des Malers mit seinem Werk.
„Dem Kutter seng Gesiichter – Nei Facettë vun eiser Sammlung“, noch bis zum 1. September im Nationalmusée um Fëschmaart. Infos zu Konferenzen und Führungen: